Normen
ABGB §332
ABGB §1036
ABGB §1037
ABGB §1097
ABGB §1111
ABGB §1502
Fristengesetz §1
Fristengesetz §2
ABGB §332
ABGB §1036
ABGB §1037
ABGB §1097
ABGB §1111
ABGB §1502
Fristengesetz §1
Fristengesetz §2
Spruch:
Der Pächter kann bei Beendigung des Bestandverhältnisses auch notwendige und nützliche Verbesserungen wegnehmen, wenn er einen Ersatzanspruch nicht geltend machen will oder kann.
Die Fristen der §§ 1097 und 1111 ABGB. sind echte Verjährungsfristen und keine Präklusivfristen.
Durch die vertragliche Abkürzung einer gesetzlichen Frist und die Abänderung des Beginnes des Fristenlaufes hört die Frist nicht auf, eine gesetzliche zu sein.
Entscheidung vom 15. November 1950, 2 Ob 746/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Die Liegenschaft der Beklagten, einer Zigeunerin, war während der Okkupation vom Deutschen Reich - ohne Durchführung einer Verbücherung - eingezogen worden. Der Oberfinanzpräsident verpachtete dem Kläger die Liegenschaft auf unbestimmte Zeit. Der Kläger hatte während der Dauer des Bestandverhältnisses auf der Liegenschaft ein Gebäude errichtet. Nachdem der Beklagten die Liegenschaft wieder zurückgestellt worden war, begehrte der Kläger ihre Verurteilung, zu dulden, daß das Gebäude abgetragen und weggenommen werde.
Das Prozeßgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision keine Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Frage der Redlichkeit des Rechtsbesitzes des Klägers ist, ganz abgesehen von den noch später zu erörternden Rechtsfragen, schon deswegen bedeutungslos, weil das Recht des Bestandnehmers auf Ersatz von Aufwendungen und Wegnahme durch § 1097 ABGB. nach den Regeln der §§ 1036, 1037 ABGB. geordnet ist. Die Heranziehung des vom Kläger tatsächlich beim Oberfinanzpräsidenten Graz am 7. Mai 1943 überreichten Kaufantrages zum Nachweis der Unredlichkeit ist aber um so weniger stichhältig, als nach den damals bestandenen Weisungen der Verkauf reichseigener Grundstücke, die durch Vermögenseinziehung ins Eigentum des Deutschen Reiches gefallen waren, ausnahmslos bis auf weiteres eingestellt war und aus diesen Gründen auch ein anderes Kaufgesuch des Thomas S. für Kriegsdauer abschlägig beschieden worden war. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß auch der Kläger, wiewohl sich eine förmliche Erledigung seines Antrages im Akt nicht findet, im gleichen Sinne beschieden wurde und somit zur Zeit der Errichtung des Pachtvertrages vom 29. Juli 1943 bereits wußte, daß ein Verkauf an ihn nicht erfolgen könne. Er konnte demnach Bauführungen, wie sich dies auch aus § 7 des Pachtvertrages ergibt, nur für die Dauer der Pachtzeit und demnach nicht in der Absicht, daß sie dauernd auf dem Grundstück verbleiben sollten, vornehmen. Die Revision versucht, in den Vertrag mit der Behauptung, er sei nicht klar niedergelegt und gebe zu Zweifeln Anlaß, Dinge hineinzulegen, die aus ihm nicht zu entnehmen sind. Insofern die Untergerichte diesen Vertrag nach seinem klaren Wortlaut und im Zusammenhalt mit den sonstigen Beweisergebnissen ausgelegt haben, fällt ihnen ein Rechtsirrtum nicht zur Last. Die Behauptung der Revision, es habe offenbar die Vereinbarung bestanden, daß der Pächter bei Auflösung des Pachtverhältnisses verhalten sei, über Verlangen den neugeschaffenen Zustand zu belassen oder den früheren Zustand wiederherzustellen, ist eine Unterstellung, die im Vertrag keine Unterlage findet. Der in § 9 vom Pächter übernommenen, mit dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch übereinstimmenden Verpflichtung, auf Verlangen des Eigentümers den früheren Zustand auf eigene Kosten wiederherzustellen, entspricht dessen Recht, dies auch ohne Verlangen des Verpächters im eigenen Interesse freiwillig zu tun. Dieses Recht ergibt sich aus der Anwendung der Vorschriften der §§ 1036, 1037 ABGB. auf den Pachtvertrag. Der Oberste Gerichtshof tritt der von Klang (1. Aufl., III, S. 35, 2. Aufl., S. 49) geäußerten Ansicht bei, daß der Pächter nicht nur bei einem weder dem Bestandnehmer obliegenden oder als objektiv nützlich anzusehenden, somit bei voluptuarem Aufwand das Recht hat, die Verbesserungen bei Beendigung des Bestandverhältnisses wegzunehmen, sondern auch bei einem notwendigen oder nützlichen Aufwand, der an sich gemäß §§ 1036, 1037 ABGB. zu ersetzen wäre, das nämliche tun kann, wenn er den Ersatzanspruch nicht geltend machen will oder kann, weil, wie im vorliegenden Fall, der Vertrag seine Geltendmachung hindert. Die Berufung der Rechtsmittelschrift auf Ehrenzweig versagt, weil dieser die zur Erörterung stehende Frage nicht ausdrücklich behandelt (I/2, S. 325), sondern nur ausspricht, daß das Wegnahmerecht (jus tollendi) bei nützlicher Verwendung auch dem unredlichen Besitzer zustehe. Die einzige der Ausübung des Wegnahmerechtes entgegenstehende Schranke ist in der Schonung der Substanz gelegen, so daß sie unzulässig erscheint, wenn diese dadurch Schaden nehmen würde. Derartiges hat aber die Beklagte gar nicht behauptet und es ist von ihr selbst vorgebracht worden, daß an der Stelle des vom Kläger errichteten Neubaues früher andere Baulichkeiten, die ähnlichen Zwecken dienten, standen. Die Abtragung kann also nicht als substanzzerstörend im Hinblick auf die Liegenschaft angesehen werden. Damit erledigt sich auch der von der Revision herangezogene Vergleich mit der Wegnahme von Dachbestandteilen, weil eine solche eben die Substanz der verbesserten Sache beschädigen würde und darum natürlich unstatthaft ist. Zutreffend aber zieht das Berufungsgericht auch noch die Entscheidung GlU. 12.869 heran (vgl. Klang, l. c., S. 49, Anm. 28), weil es sich auch bei dem in dieser Entscheidung behandelten Fall der Wegnahme eines vom Pächter gepflanzten Baumes um eine Sache handelt, die zwar in körperlich feste Verbindung mit der Bestandsache gebracht wurde, dennoch aber weggenommen werden kann, weil dadurch die Bestandsache in ihrer Substanz nicht geschädigt wird. Der Fall liegt also ebenso wie bei der Abtragung eines Gebäudes, das fest durch Einmauerung mit Grund und Boden verbunden ist. Es ist nur noch der Revision gegenüber grundsätzlich festzuhalten, daß das vom Kläger errichtete Gebäude, und zwar auch das in Grund und Boden verfestigte, weder Zubehör noch Bestandteil der Liegenschaft der Beklagten geworden ist. Ersteres, weil die Nebensache, welche zum fortdauernden Gebrauch einer Hauptsache bestimmt wird, von vornherein dem Eigentümer der letzteren gehören muß und darum nur dieser, nicht aber der Fruchtnießer, Entlehner, Pächter oder Mieter durch ihre Beistellung Zubehöreigenschaft begrunden können (Ehrenzweig, I/2, S. 37). Letzteres, weil das Gebäude nicht in der Absicht dauernden Belassens am Gründe errichtet wurde, und wegen des Umstandes, daß das Bauführungsrecht des Klägers auf dem Pachtvertrag beruht und somit nur für dessen Dauer eingeräumt worden ist, bei gleichzeitiger Auferlegung der Verpflichtung, den früheren Zustand auf Verlangen des Eigentümers wiederherzustellen.
Es können aber hier nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (2 Ob 548/49. JBl. 1934, S. 168, u. a. m.) sowie der Lehre (Klang, 1. Aufl., I/2, S. 143) die Vorschriften des § 418 ABGB. deswegen nicht angewendet werden, weil die Bauführung auf einem zwischen Bauführer und Eigentümer errichteten Abkommen beruht. Wird ein fremdes Grundstück kraft Übereinkommens mit dem Eigentümer zur Aufführung eines Baues benützt, so sind eben §§ 417 bis 419 unanwendbar (vgl. auch Ehrenzweig, I/2, S. 302, und die in Anmerkung 5 angeführten Entscheidungen). Die in Ausübung eines Rechtes auf fremdem Boden errichteten Bauten gelten als für die Dauer der Berechtigung und nicht in der Absicht aufgeführt, daß sie stets darauf verbleiben sollen (l. c., S. 304). Die Klage stellt sich also als nicht bloß auf den Rechtsgrund des § 1097 ABGB., sondern auch auf das Eigentumsrecht des Klägers an den Bestandteilen des Baues (Materialien) begrundet dar und schon aus diesem Gründe ist sowohl die Frage nach der Redlichkeit des Besitzes, wie jene nach der Verjährung oder ihrer Hemmung durch das Fristengesetz bedeutungslos. Da die Klage nur einen Sachverhalt dargelegt, aber keinen bestimmten Rechtsgrund für ihr Begehren angerufen, sondern dessen Beurteilung dem Gerichte überlassen hat, darf das Gericht den aus der Verhandlung sich ergebenden Prozeßstoff nach allen und somit selbst nach solchen Gesichtspunkten prüfen, die von den Parteien nicht zum Ausdruck gebracht wurden (Neumann, S. 869, ZBl. 1920, Nr. 68). Nur Klagsgrunde, für die sich in der Verhandlung keine tatsächlichen Grundlagen finden, dürfen der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Der Anspruch erweist sich somit, da der Beklagten nach den unanfechtbaren Feststellungen der Untergerichte ein Nachweis, daß das beim Bau verwendete Material ihr gehört habe, nicht gelungen ist, vielmehr als erwiesen angenommen wurde, daß es sich teils um neues, vom Kläger erworbenes, teils um solches Material handelte, das ihm Dritte überließen, schon nach dem Rechtsgrund der Eigentumsklage als begrundet.
Daß es sich bei der Bauführung des Klägers um eine bloße Instandsetzungsarbeit gehandelt habe, ist nicht nur eine unzulässige Neuerung, sondern auch im offenen Widerspruch mit den Tatsachenfeststellungen der Untergerichte und der Aktenlage und überdies nach dem Gesagten rechtlich bedeutungslos.
Aber selbst wenn man den Rechtsgrund des § 1097 ABGB. (Wegnahme von Aufwendungen durch den Pächter) heranzieht, ist für die Beklagte nichts gewonnen. Denn es ist nicht nur das Wegnahmerecht, wie schon dargelegt, soweit es ohne Schädigung der Substanz der Liegenschaft ausgeübt werden kann, anzuerkennen, seine Geltendmachung ist auch nicht verjährt. Der Oberste Gerichtshof billigt die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Auflösung des Pachtvertrages im vorliegenden Fall nicht erst durch die Klage, sondern schon durch stillschweigendes Übereinkommen dadurch erfolgte, daß der Kläger im Herbst 1945 der aus dem KZ. zurückgekehrten Beklagten über deren Verlangen wieder den Besitz des Grundstückes einräumte, ohne ernstliche Anstalten zu treffen, sich im Besitz zu behaupten oder den verlorenen durch eine possessorische oder petitorische Klage wiederzuerlangen. Insoweit ist die Polemik der Revision gegen das Berufungsurteil gegenstandslos, weil dieses ja die unrechte Rechtsansicht des Erstgerichtes, der Pachtvertrag sei erst durch die Anbringung der vorliegenden Klage dissolviert worden, zurückgewiesen hat. Es fällt aber dadurch die Auflösung des Pachtvertrages mit der Rückstellung des Bestandstückes zeitlich zusammen, so daß die Abweichung des Vertrages vom Gesetz (§ 1097 ABGB.), auf welche oben hingewiesen wurde, praktisch bedeutungslos ist. Vom Moment der Auflösung des Vertrages im Herbst 1945 begann demnach die sechsmonatige Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Ersatz oder Wegnahme von Aufwendungen zu laufen und endete normal im Februar oder März 1946. Durch § 1 des Gesetzes BGBl. Nr. 193/47 ist aber dieser Verjährungslauf gehemmt, weil es sich um eine nach dem 31. Dezember 1945 abgelaufene Frist handelt. Die Fristen des § 1097 und § 1111 ABGB. sind nach herrschender Ansicht echte Verjährungs- und keine Präklusivfristen (Ehrenzweig, II/1, S. 460, 442, Klang, 1. Aufl., IV, S. 587). Nach ständiger Judikatur unterfallen aber nicht nur Verjährungs-, sondern auch Präklusivfristen des materiellen Rechtes dem Fristengesetz, BGBl. Nr. 193/47 (3 Ob 127/48 und 1 Ob 547/50).
Was nun noch die Frage angeht, ob durch die Aufnahme einer Frist in einen Vertrag diese Frist aufhört, eine gesetzliche zu sein, verweist der Oberste Gerichtshof auf seine Entscheidung 1 Ob 547/50, wonach auch die Abkürzung einer gesetzlichen Frist durch Parteienvereinbarung deren Charakter als einer gesetzlichen nicht ändert, weil das verschiedene Ausmaß einer Frist deren Wesen nicht modifiziert. Diese Erwägung gilt arg. a maiori ad minus auch für die unveränderte Übernahme einer Frist in einen Vertrag oder für vertragliche Änderung des Beginnes des Fristenlaufes.
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