OGH 2Ob68/52

OGH2Ob68/522.2.1952

SZ 25/28

Normen

ABGB §142
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §14
ABGB §142
Vierte Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §14

 

Spruch:

§ 14 der 4. DVzEheG. auf Maßnahmen nach § 142 ABGB. nicht anwendbar.

Entscheidung vom 2. Februar 1952, 2 Ob 68/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Feldkirchen; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Die von ihrem Gatten getrennt lebende eheliche Mutter der am 9. Juni 1950 geborenen Margarethe M. beantragte, daß das beim Vater befindliche Kind in ihre Erziehung und Pflege übergeben werde.

Das Erstgericht entschied im Sinne dieses Antrages. Es handle sich um ein Kleinkind, das in erster Linie der mütterlichen Pflege bedürfe.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgerichte auf, nach Ergänzung des Verfahrens neuerlich zu entscheiden. Nach den Angaben der Mutter seien die Ehegatten italienische Staatsbürger. Gemäß § 14 (1) der 4.

Durchführungsverordnung zum Ehegesetz könne eine Vormundschaft über einen Ausländer nur dann geführt werden, wenn der Staat, dem der Ausländer angehöre, die Fürsorge nicht übernehme. Das Erstgericht hätte klarzustellen, ob das Kind italienischer Staatsbürger sei. In diesem Falle könnten nur vorläufige Maßregeln im Sinne des § 14 (2) der 4. Durchführungsverordnung getroffen werden und auch nur dann, wenn das Wohl des Kindes durch sein weiteres Verbleiben beim Vater gefährdet sei. Das Rekursgericht gab im übrigen seiner Rechtsansicht Ausdruck, daß nach § 142 ABGB. beide Elternteile gleich zur Pflege und Erziehung der Kinder berechtigt seien. Wenn auch die Mutter zur Pflege und Erziehung eines Kleinkindes geeigneter sei als der Vater, so wäre festzustellen, ob das Kind nicht aus besonderen Gründen beim Vater besser untergebracht sei als bei der Mutter. Wenn die Mutter in drückender Notlage lebe, bestehe die Gefahr, daß die vom Vater geleisteten Unterhaltsbeträge dem Kind nicht zur Gänze zukämen. Es bestehe auch kein Anlaß, das Bezirksjugendamt als Widerstreitsachwalter zu bestellen, da die Mutter ohnedies berechtigt sei, im außerstreitigen Verfahren alle im Interesse des Kindes erforderlichen Anträge zu stellen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Mutter nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Bestimmungen des § 14 der 4. Durchführungsverordnung zum EheG. sind aus § 23 des Einführungsgesetzes zum deutschen bürgerlichen Gesetzbuch entnommen. Diese Gesetzesstelle regelt nur die Vormundschaft im eigentlichen Sinne, nicht aber die übrige Tätigkeit, die das vierte Buch des BGB. dem Vormundschaftsgerichte zuweist (Palandt, Kurzkommentar zum BGB. zu § 23 EheG.; Chlanda, Vormundschaft und Pflegschaft über einen Ausländer, ÖJZ. 1950, S. 414). Das Vormundschaftsgericht kann also einem Ausländer die elterliche Gewalt über einen im Inland befindlichen Minderjährigen entziehen und Anordnungen nach § 81 des EheG. vom 6. Juli 1938, DRGBl. I S. 807, treffen (Palandt a. a. O.). Im österreichischen Recht entspricht die Bestimmung des § 142 ABGB. der des § 81 des Ehegesetzes. Die Bestimmungen des § 14 der 4.

Durchführungsverordnung zum Ehegesetz finden daher auf Maßnahmen nach § 142 ABGB. keine Anwendung. Eine Ausnahme bestunde nur dann, wenn der ausländische Staat die ausschließliche Zuständigkeit zur Regelung der Angelegenheit in Anspruch nimmt. Im vorliegenden Fall hat sich aber nach der Aktenlage ein ausländisches Gericht mit der Angelegenheit noch nicht befaßt. Das Anwendungsgebiet des § 142 ABGB. erstreckt sich auch auf den Fall, daß die Ehegatten, ohne geschieden zu sein, tatsächlich voneinander getrennt leben (Bartsch, in Klangs Kommentar, 1. Auflage, zu § 142, S. 858). Es bedarf daher keiner Erhebungen in der Richtung, ob der Heimatstaat des Ausländers die Fürsorge übernimmt.

Dem Revisionsrekurs der ehelichen Mutter muß aber der Erfolg versagt bleiben, weil die vom Rekursgericht in der Frage der Zuteilung des Kindes aufgestellten Erwägungen zutreffen. Wenn sich die Eltern nicht einigen, hat das Gericht unter Berücksichtigung der im § 142 ABGB. angeführten Umstände seine Entscheidung zu treffen. Da bei der Entscheidung nicht nur das Alter des Kindes, sondern auch die übrigen Umstände zu berücksichtigen sind, wird das Erstgericht die vom Rekursgericht in dieser Richtung für notwendig befundenen Untersuchungen anzustellen haben.

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