OGH 2Ob669/84

OGH2Ob669/8418.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Melber, Dr. Zehetner, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** K*****, vertreten durch Dr. Paul Ladurner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei A***** K*****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung und Unterhalts, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. September 1984, GZ 2 R 182/84-53, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 16. Mai 1984, GZ 8 Cg 707/82-48, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Die Anträge des Beklagten, es wolle ausgesprochen werden, dass das Verschulden der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe überwiege, hilfsweise, dass die Ehe aus dem Verschulden beider Ehegatten ohne Ausspruch des überwiegenden Verschuldens geschieden werde, werden zurückgewiesen.

2.) Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Höhe des zugesprochenen Unterhaltsbetrags richtet, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat der Klägerin die mit 4.098,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 372,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe sowie die Zuerkennung eines monatlichen Unterhalts von 2.000 S.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Ab Mai 1978 gab der Beklagte der Klägerin kein Wirtschaftsgeld mehr. Er brachte aber stets Lebensmittel für den Unterhalt der Familie mit, wofür ein Großteil seines Einkommens aufging. Der Beklagte beschimpfte die Klägerin mit Ausdrücken wie „blöde Sau und Schwein“, bezeichnete sie als „versoffen und verhurt“ und warf ihr wirtschaftliche Untüchtigkeit vor. Dazu kamen Eifersuchtsvorstellungen, für deren Stichhältigkeit das Verfahren keinen Anhaltspunkt lieferte. Durch dieses Verhalten des Beklagten erkaltete die Gefühlsbeziehung der Klägerin zu ihm. Von den sechs Kindern der Streitteile sind fünf bereits selbsterhaltungsfähig. Der Beklagte bezieht eine Nettopension von 7.300 S 14 x pro Jahr.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, durch die festgestellten Eheverfehlungen des Beklagten sei die Ehe unheilbar tief zerrüttet, weshalb diese aus dem Verschulden des Beklagten zu scheiden gewesen sei. Im Hinblick auf das Einkommen des Beklagten sei unter Bedachtnahme auf die weitere Sorgepflicht für ein Kind der begehrte Unterhalt von 2.000 S monatlich angemessen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es führte aus, da der Beklagte keinen Mitschuldantrag gestellt habe, seien nur die behaupteten schweren Eheverfehlungen des Beklagten und die Frage zu prüfen, ob durch diese die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet worden sei, dass die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden könne. Allfällige Eheverfehlungen der Klägerin könnten daher nur im Zusammenhang mit § 49 zweiter Satz EheG beachtlich sein. Die Beweiswürdigung des Erstgerichts sei unbedenklich. Eine Zerrüttung der Ehe liege dann vor, wenn die geistig, seelisch, körperliche Gemeinschaft zwischen den Streitteilen und damit die sittliche Grundlage der Ehe objektiv und zumindest bei einem Partner auch subjektiv zu bestehen aufgehört habe. Dass die Zerrüttung der Ehe jedenfalls auf Seiten der Klägerin auch in subjektiver Richtung gegeben sei, sei unzweifelhaft und auch durch die Parteienaussage der Klägerin erwiesen. Dass diese Zerrüttung durch das Verhalten des Beklagten verschuldet worden sei, sei unzweifelhaft, stellten doch die festgestellten Verhaltensweisen des Beklagten gegenüber der Klägerin schwere Eheverfehlungen dar. So die ordinären Beschimpfungen, die unbegründeten Eifersuchtsszenen und insbesondere der damit im Zusammenhang stehende Vorwurf, die Kinder der Streitteile seinen nicht vom Beklagten, was eine besonders schwere Kränkung einer Ehefrau darstelle. Aber auch die Unterhaltsverletzung stelle eine schwere Eheverfehlung dar, sei doch die Bereitstellung von Lebensmitteln keine ausreichende Unterhaltsleistung. Die Unterhaltsleistung habe so zu erfolgen, dass sie mit der Stelle und Würde der Frau vereinbar sei. Die bloße Zurverfügungstellung von Naturalien verletze jedenfalls die Dispositionsfreiheit der Klägerin und stelle eine Unterhaltsverletzung dar. Dass die Klägerin selbst Eheverfehlungen gesetzt hätte, durch die ihr Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt wäre, sei im Beweisverfahren nicht hervorgekommen. Auch der zugesprochene Unterhalt sei nicht überhöht.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richte sich die Revision des Beklagten. Er macht als Revisionsgründe Mangelhaftigkeit des Verfahrens (§ 503 Z 2 ZPO), „unrichtige und unvollständige Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung (§ 503 Z 3 ZPO)“ und unrichtige rechtliche Beurteilung (§ 503 Z 4 ZPO) geltend und stellt, „obwohl der Revisionswerber nach wie vor auf den Standpunkt steht, das ihn keinerlei Schuld an der Zerrüttung der Ehe trifft, vorsichtshalber „den Antrag, dass der Oberste Gerichtshof unter Berücksichtigung des vorliegenden Beweisergebnisses aussprechen wolle, dass das Verschulden der klagenden Partei an der Zerrüttung der Ehe überwiege und sohin die klagende Partei insbesondere aufgrund ihres Verhaltens, dass sie nicht wirtschaften konnte, die entscheidenden Verhaltensweisen gesetzt habe, dass eben die gegenständliche Ehe zerrüttet worden sei. Vorsichtshalber werde hiezu noch ergänzt, dass, wenn schon die von den Unterinstanzen dargelegten Verhaltensweisen des Beklagten als richtig betrachtet würden, er diese nur infolge des Nichtwirtschaftenskönnens der Klägerin gesetzt habe. Im Übrigen beantragt der Revisionswerber, das angefochtene Urteil aufzuheben und das Klagebegehren kostenpflichtig abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass ausgesprochen werde, dass das Verschulden der Klägerin überwiege, in eventu, dass die Ehe aus dem Verschulden beider Ehegatten geschieden werde, also ohne Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens. Falls diesen Anträgen nicht Folge gegeben werden sollte, wird beantragt, das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Als Verfahrensmangel rügt der Beklagte, dass das Berufungsgericht seinem Antrag, die Kinder der Streitteile als Zeugen ergänzend zu vernehmen, nicht entsprochen und sein neues Vorbringen nicht berücksichtigt habe. Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die mündliche Streitverhandlung erster Instanz am 3. 4. 1984 geschlossen wurde und daher gemäß den Artikeln III Z 2 und X Z 4 des BG vom 11. 11. 1983 über Änderungen des Personen-Ehe-und Kindschaftsrecht BGBl 566, die Vorschrift des § 76 der 1. DVEheG auf dieses Verfahren nicht mehr anzuwenden ist. Es gilt daher das Neuerungsverbot. Der Antrag, die Beweise vor dem Berufungsgericht zu wiederholen, stellt zwar keine Neuerung dar, doch gehört die Lösung der Frage, ob das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung oder Beweisergänzung vornehmen hätte sollen oder ob es die Feststellungen ohne eine solche übernehmen konnte, nach ständiger Rechtsprechung in das Gebiet der im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpfbaren Beweiswürdigung (EFSlg 39.254, 39.255 uva).

Den Revisionsausführungen unter der Bezeichnung „unrichtige und unvollständige Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung“, ist entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung auch im Eheverfahren in dritter Instanz nicht bekämpft werden kann. Feststellungsmängel fallen zwar in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung, doch macht der Beklagte nicht geltend, dass über wesentliche Umstände Feststellungen fehlen, sondern er vertritt die Ansicht, aufgrund der Beweisergebnisse hätten an Stelle des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts andere Feststellungen getroffen werden müssen. Es handelt sich daher um eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung.

Soweit die Revisionsausführungen zum Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zur Grundlage haben, sondern von einem Sachverhalt ausgehen, der „bei richtiger Würdigung der aufgenommenen Beweise“ hätte festgestellt werden sollen, ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist. Die Ausführungen, dem Beklagten sei keine Unterhaltsverletzung anzulasten, weil er Lebensmittel zur Verfügung gestellt habe, sind schon deshalb verfehlt, weil der Unterhaltsanspruch nicht nur im Anspruch auf Nahrung besteht (vgl § 672 ABGB).

Zutreffend gelangten die Vorinstanzen daher zu dem Ergebnis, dass dem Beklagten neben den anderen festgestellten Eheverfehlungen auch eine Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin anzulasten sei und die Ehe, an deren Zerrüttung kein Zweifel bestehen kann, aus dem Verschulden des Beklagten zu scheiden sei.

Nicht einzugehen ist auf die Ausführungen über ein überwiegendes Verschulden der Klägerin, weil der Beklagte erstmals im Revisionsverfahren einen Antrag auf Ausspruch eines Mitverschuldens der Klägerin stellte. Dies ist jedoch unzulässig (vgl JB 57 neu uva), weshalb die diesbezüglichen Anträge des Klägers zurückzuweisen waren.

Die Revisionsausführungen, wenn schon die von den Unterinstanzen dargelegten Verhaltensweisen des Beklagten als richtig betrachtet würden, habe er diese nur infolge des Nichtwirtschaftenskönnens der Klägerin gesetzt, finden im festgestellten Sachverhalt keinerlei Grundlage.

Soweit sich der Beklagte gegen die Höhe des ihm auferlegten Unterhalts wendet, war die Revision zurückzuweisen. Gemäß § 502 Abs 2 Z 1 ZPO ist die Revision nämlich gegen Entscheidungen des Berufungsgerichts, soweit über die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts entschieden wird, nicht zulässig.

Im Übrigen war der Revision aus den oben dargelegten Gründen ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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