OGH 2Ob657/85

OGH2Ob657/8518.2.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Egermann und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Erika P***, Rechtsanwalt i.R., Bahnhofstraße 3, 8490 Bad Radkersburg, vertreten durch Dr. Ingrid Huber, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. S*** G***, vertreten durch Dr. Hannes Priebsch, DDr. Sven Fenz, Rechtsanwälte in Graz, 2. Herta S***, Hausverwalterin, Annenstraße 25, 8020 Graz, 3. Helga B***, Geschäftsfrau, Entenplatz 4, 8020 Graz, Zweit- und Drittbeklagte vertreten durch Dr. Heinrich Kammerlander jun., Rechtsanwalt in Graz, wegen S 367.884,88 s.A. und Feststellung, infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20. Juni 1985, GZ 7 R 84/85-40, womit infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 13. Februar 1985, GZ 14 Cg 324/83-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird hinsichtlich der Erst- und Zweitbeklagten nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat der Erstbeklagten die mit S 13.429,05 (darin enthalten S 960,-- Barauslagen und S 1.133,55 Umsatzsteuer) und der Zweitbeklagten die mit S 7.194,52 (darin enthalten S 960,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

2. den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Soweit die Revision die Abweisung des gegen die Drittbeklagte gerichteten Klagebegehrens bekämpft, wird ihr Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich der Drittbeklagten aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens, soweit sie die Drittbeklagte betreffen, gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 16. Jänner 1920 geborene Klägerin geriet am 8. September 1980 als Fußgängerin auf dem Gehsteig vor dem Haus Radetzkystraße 18, Ecke Nelkenstraße 5, in Graz mit dem Fuß in eine Vertiefung, stürzte und erlitt Verletzungen. Die Erstbeklagte hat diesen Gehsteig zu erhalten. Die Drittbeklagte ist Eigentümerin zu 2/3 des genannten Hauses, die Zweitbeklagte nimmt die Interessen der im Ausland lebenden Minderheitseigentümerin wahr und führt für beide Hauseigentümerinnen die Mietzinsabrechnung durch. Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten werden von der Drittbeklagten selbst durchgeführt.

Die Klägerin begehrt von den beklagten Parteien zur ungeteilten Hand den Ersatz eines Schadens von S 367.884,88 sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Unfallsschäden. Sie brachte vor, die Vertiefung habe schon monatelang bestanden und sei auf einen schadhaften Dachrinnenabfluß des oben angeführten Hauses zurückzuführen. Die Erstbeklagte hafte als Halterin des Gehsteiges für das grobe Verschulden ihrer Leute, die Haftung der Zweit- und Drittbeklagten bestehe auf Grund der Verletzung der Instandhaltungspflicht des Hauses.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus seinen Feststellungen (S. 5 bis 13 der Urteilsausfertigung, AS 191 ff.) ist folgendes hervorzuheben:

Die Vertiefung, durch die die Klägerin zu Sturz kam, hatte ein Ausmaß von ca. 20 bis 30 cm x 10 bis 20 cm und eine Tiefe von 8 bis 10 cm. diese Vertiefung war mit großer Wahrscheinlichkeit darauf zurückzuführen, daß die vom Dachabfallrohr wegführende, unter dem Gehsteig befindliche ziegelgemauerte Ableitung des Dachrinnenwassers schadhaft und zerfallen war. Wie lange die Vertiefung in dem festgestellten Ausmaß bestanden hat, konnte nicht genau festgestellt werden, sie muß aber schon mindestens zwei bis drei Wochen vor dem Unfall vorhanden gewesen sein. Die Hausbesorgerarbeiten wurden in den Monaten August und September 1980 von Aloisia F*** als Vertreterin der Hausbesorgerin durchgeführt. Aloisia F*** machte die Zweit- und die Drittbeklagte auf die Vertiefung im Gehsteig nicht aufmerksam. Weder die Drittbeklagte, die im Haus ein Geschäft betreibt, noch die Zweitbeklagte, die fallweise in das Haus kommt, haben die Vertiefung wahrgenommen. Auch die Erstbeklagte hatte keine Kenntnis vom Schaden am Gehsteig. Das Straßen- und Brückenbauamt des Magistrates Graz kontrolliert die Gehsteige einmal jährlich. Im übrigen werden Schäden auf Gehsteigen auch von Hauseigentümern, Hausbesorgern, Passanten, Polizei und den mit der Straßenreinigung befaßten Bediensteten gemeldet. Eine Meldung über die Vertiefung, die die Ursache des Sturzes der Klägerin war, erfolgte nicht. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt folgendermaßen: Die Erstbeklagte sei Halter des Gehsteiges, sie würde daher gemäß § 1319 a ABGB nur bei grober Fahrlässigkeit haften, die aber weder der Erstbeklagten noch deren Leuten angelastet werden könne. Die Zweitbeklagte hafte ebenfalls nicht, die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten habe nicht zu ihren Obliegenheiten gehört, sie habe auch keine Kenntnis vom Schaden gehabt. Überdies habe die Ursache des Schadens erst auf Grund nachträglich durchgeführter Aufgrabungsarbeiten eruiert werden können. Die Drittbeklagte sei Besitzerin des Hauses im Sinne des § 1319 a ABGB, die Leitung vom Dachabfallrohr zum Kanal stelle einen Teil des Hauses dar. Die Drittbeklagte habe aber den Entlastungsbeweis nach § 1319 ABGB erbracht, weil ein Mangel des Bauwerkes nicht erkennbar gewesen sei. Sichtbar sei nur eine Vertiefung im Belag des Gehsteiges gewesen, auf den zur Seite zur Radetzkystraße hin zuvor Grabarbeiten durchgeführt worden seien. Daß die sichtbare Vertiefung auf einen ohne Aufgrabung nicht feststellbaren Defekt der Regenwasserableitung zurückzuführen sei, habe von der Hauseigentümerin auch bei pflichtgemäßer Sorgfalt nicht angenommen werden können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es billigte die Ansicht des Erstgerichtes, der Erstbeklagten oder ihren Leuten sei kein grobes Verschulden anzulasten. Die Frage, wie oft eine Gebietskörperschaft Verkehrsflächen auf Schäden kontrollieren müsse, könne nur im Einzelfall beantwortet werden. Im vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, daß es sich um einen Gehsteig gehandelt habe, der nur für den Fußgängerverkehr bestimmt sei, sodaß mit einer außergewöhnlichen Abnützung nicht zu rechnen gewesen sei. Die Vertiefung sei nur durch ungewöhnliche, von außen nicht wahrnehmbare Einwirkungen entstanden. Selbst wenn man eine monatliche Kontrolle fordern würde, wäre nicht erwiesen, daß die Erstbeklagte den Schaden noch vor dem Unfall hätte wahrnehmen müssen, weil nicht auszuschließen sei, daß der Schaden erst drei Wochen vor dem Unfall der Klägerin aufgetreten sei. Das Unterlassen häufigerer Kontrollen durch die Erstbeklagte sei dann aber nicht kausal gewesen. Der Zweit- und Drittbeklagten könne nicht die Vernachlässigung einer Verkehrssicherungspflicht angelastet werden, weil es nicht diese Beklagten seien, die auf dem Gehsteig einen Verkehr eröffnet hätten. Die Klägerin könnte gegen diese Beklagten höchstens bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1319 ABGB Schadenersatzansprüche mit Erfolg geltend machen. Erste Voraussetzung für eine solche Haftung wäre, daß der Schaden durch die typischen Gefahren eines Gebäudes oder anderen Werkes entstanden wäre. Es handle sich zwar bei der Grundleitung zum Kanal um ein Werk im Sinne des § 1319 ABGB, doch sei diese Vorschrift nicht auf jede Beschädigung durch den mangelhaften Zustand eines Werkes anzuwenden, weil sonst die Worte "durch Einsturz oder Ablösung von Teilen" keinen Sinn hätten. Folge man der mit Koziol übereinstimmenden Entscheidung SZ 53/143, so sei die Einschränkung der Haftung dahin zu machen, daß der Schaden durch die auf der Höhe des Gebäudes oder des Werkes beruhende Gefahr verursacht worden sei. Selbst wenn man aber der Entscheidung SZ 53/143 nicht folge und sich der Ansicht Reischauers in Rummel, ABGB, Rdz 2 bis 5, 7 und 8 zu § 1319, anschließe, sei für die Klägerin nichts gewonnen. Die Zweitbeklagte sei nicht als Besitzerin des Werkes anzusehen, weil sie keine Verfügungsmacht gehabt habe. Die Drittbeklagte sei zwar als Besitzerin anzusprechen, doch sei ihr der Entlastungsbeweis gelungen, da es sich um einen unterirdischen, von außen nicht erkennbaren schadhaften Zustand gehandelt habe. Selbst wenn die Drittbeklagte den Schaden am Gehsteig in den letzten 2 bis 3 Wochen vor dem Unfall bemerkt hätte, hätte sie auch bei Anwendung objektiver Sorgfalt nicht annehmen müssen, daß ein schadhafter Zustand eines Teiles des Hauses die Ursache für den Schaden sein könnte.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrag auf teilweise Abänderung dahin, daß hinsichtlich des Schmerzengeldes ein Teilzwischenurteil gefällt werde, wonach die Beklagten der Klägerin zur ungeteilten Hand dem Grund nach für das begehrte Schmerzengeld haften, im übrigen möge die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die Schadenersatzansprüche der Klägerin dem Grund und der Höhe nach an das Erstgericht zurückverwiesen werden.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Zur Haftung der Erstbeklagten:

Daß die Erstbeklagte Halterin des Gehsteiges ist und daher gemäß § 1319 a ABGB nur haftet, wenn sie oder einer ihrer Leute den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat, wird auch von der Klägerin nicht bestritten. Sie vertritt aber die Ansicht, grobes Verschulden liege vor. Sie rügt zunächst, daß das Berufungsgericht die Ausführungen des Erstgerichtes, es könne nicht genau festgestellt werden, wie lange die Vertiefung im Gehsteig bestanden habe, sie müsse aber mindestens 2 bis 3 Wochen vor dem Unfall vorhanden gewesen sei, als negative Feststellung wertete. Entgegen den Revisionsausführungen kann jedoch nicht zweifelhaft sein, daß es sich bei den zitierten Stellen des Ersturteils um eine "negative Feststellung" handelt, zumal weil das Erstgericht auch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung davon ausging, es habe nicht festgestellt werden können, daß eine als gefährlich erkennbare Vertiefung des Gehsteiges über mehr als 2 bis 3 Wochen vor dem Unfall bestanden habe. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß die Vertiefung schon länger bestand. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin liegt auch darin, daß das Erstgericht nicht feststellte, wie lange die Vertiefung bestand, kein Feststellungsmangel, weil ohnedies eine "negative" Feststellung getroffen wurde.

Bei Prüfung der Frage, ob die Beklagte oder einer ihrer Leute den Schaden grob fahrlässig verschuldet hat, ist zu berücksichtigen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes grobe Fahrlässigkeit nur anzunehmen ist, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht (Pflicht zur Unfallsverhütung) vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich vorhersehbar ist. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit erfordert, daß ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Überlegung aller Umstände des konkreten Einzelfalles auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist. Entscheidendes Kriterium für die Beurteilung des Fahrlässigkeitsgrades ist die Schwere des Sorgfaltsverstoßes und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes, wobei diese Beurteilung stets nur nach den Umständen des Einzelfalles vorgenommen werden kann (ZVR 1984/142; ZVR 1984/176; SZ 56/157 uva.). Im vorliegenden Fall ist der mangelhafte Zustand des Gehsteiges Ursache des Schadens gewesen. Daß dieser Gehsteig nicht ordnungsgemäß hergestellt war, wurde nicht behauptet und ist auch nicht hervorgekommen. Bei einem ordnungsgemäß ausgeführten asphaltierten Gehsteig, der nur für den Fußgängerverkehr bestimmt ist (§ 2 Z 10 StVO) und daher keiner besonderen Abnützung unterliegt, kann es nicht als wahrscheinlich vorhergesehen werden, daß eine Vertiefung auftritt, die eine Gefahrenquelle für Passanten darstellt. Der Umstand, daß die Erstbeklagte, der Schäden ohnedies von verschiedenen Personen, insbesondere den Bediensteten der Straßenverwaltung, gemeldet werden, die Gehsteige nur einmal jährlich kontrolliert, vermag daher grobe Fahrlässigkeit im Sinne der oben dargestellten Grundsätze nicht zu begründen. Der Hinweis der Revisionswerberin auf Entscheidungen, bei denen grobes Verschulden angenommen wurde, wenn eine Gefahrenquelle nicht möglichst bald beseitigt wurde, ist nicht zielführend. Hat der Wegehalter oder einer seiner Leute Kenntnis von einer Gefahrenquelle und veranlaßt er nicht die sofortige Beseitigung oder zumindest Absicherung des Mangels, dann ist der Eintritt eines Schadens wahrscheinlich und grobe Fahrlässigkeit anzunehmen. Hat der Wegehalter oder einer seiner Leute vom Mangel aber keine Kenntnis, dann ist der Eintritt eines Schadens für ihn nicht vorhersehbar. Eine Haftung käme nur in Betracht, wenn die fehlende Kenntnis des Mangels als grobe Fahrlässigkeit anzulasten wäre. Dies ist aber - wie oben dargestellt - hier nicht der Fall. Zutreffend haben daher die Vorinstanzen eine Haftung der Erstbeklagten verneint.

Zur Haftung der Drittbeklagten:

Die Drittbeklagte ist nicht Halter des Gehsteiges, ihre Haftung könnte daher nur in ihrer Eigenschaft als Miteigentümerin des neben der Unfallsstelle befindlichen Hauses, dessen schadhafte Ableitung des Regenwassers Ursache der Vertiefung im Gehsteig war, begründet sein. § 93 StVO kann nicht als Grundlage einer Haftung herangezogen werden, weil die Anrainer nach dieser Norm lediglich zur Säuberung und bei Schnee und Glatteis zum Bestreuen verpflichtet sind, nicht aber zur Instandsetzung.

Bei Beurteilung der Frage, ob die Drittbeklagte nach § 1319 ABGB haftet, ist folgendes zu erwägen:

In wessen Eigentum der Gehsteig steht, kann dem Akt nicht entnommen werden, der Umstand, daß er dem öffentlichen Verkehr dient, würde nicht ausschließen, daß er noch zur Liegenschaft gehört, auf der das Haus steht. Die Revisionsausführungen, nach der Entscheidung EvBl 1983/126 bilde der Hauskanal auch in seiner Fortsetzung unter dem Straßenniveau einen integrierenden Bestandteil des Hauses und stehe im Eigentum des Hauseigentümers, sind verfehlt, weil diese Entscheidung in der Vorschrift des § 5 des Wiener Kanalgesetzes, wonach der Hauskanal bis zu seiner Einmündung in den Straßenkanal einen Bestandteil des Hauses bildet, ihre Grundlage hat. Das Steiermärkische Kanalgesetz enthält eine derartige Bestimmung nicht. Für die Haftung nach § 1319 ABGB kommt es jedoch nicht auf das Eigentum an, sondern darauf, wer Besitzer ist, wobei sich dieser Begriff nicht mit dem des § 309 ABGB deckt (Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 12 zu § 1319 mwN). Berücksichtigt man, daß der Hauseigentümer den Hauskanal instandzuhalten hat (§ 8 Abs 1 des Steiermärkischen Kanalgesetzes), er also zur Gefahrenabwehr verpflichtet ist und daß der Hauskanal ausschließlich Zwecken des Hauseigentümers dient, dann ist dieser als Halter und somit als Besitzer im Sinne des § 1319 ABGB der Abflußleitung anzusehen, gleichgültig in wessen Eigentum diese Anlage steht. Gemäß § 1319 ABGB ist der Besitzer eines Werkes zum Ersatz verpflichtet, wenn durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Werks jemand verletzt wird, wenn die Ereignung die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, daß er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe.

Die Frage, in welchen Fällen der Besitzer eines Werkes nach § 1319 ABGB haftet, wenn ein Schaden eine Folge des mangelhaften Zustandes des Werkes ist, wird in Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Nach herrschender Ansicht ist jedenfalls der Begriff "Werk" weit auszulegen. Daher ist auch die Regenwasserableitung als "Werk" im Sinne des § 1319 ABGB anzusehen. Auch das Haftungserfordernis "Einsturz oder Ablösung von Teilen" ist nach ständiger Rechtsprechung weit auszulegen. Allerdings kann die Vorschrift des § 1319 ABGB nicht auf jeden durch den mangelhaften Zustand eines Werkes verursachten Schaden angewendet werden, weil sonst die Worte "durch Einsturz oder Ablösung von Teilen" keinen Sinn hätten. Daher wurde in SZ 53/143 ausgeführt, es sei die Einschränkung zu machen, daß der Schaden durch die auf der Höhe des Werkes beruhende Gefahr herbeigeführt wurde. Diese den Ausführungen Koziols (Österreichisches Haftpflichtrecht 2 II 394) entsprechende Ansicht wurde von Reischauer (aaO, Rdz 2) als zu eng abgelehnt. Im vorliegenden Fall braucht jedoch nicht untersucht zu werden, ob eine sinngemäße Anwendung des § 1319 ABGB eine von der Höhe eines Werkes ausgehende Gefahr erfordert, weil der Schaden durch ein Einbrechen der schadhaften Wasserableitung, also durch einen Einsturz im Sinne des § 1319 ABGB herbeigeführt wurde. Im Gegensatz zur Entscheidung SZ 53/143, in welcher nicht von einem Einsturz oder von einem Ablösen von Teilen eines Werkes ausgegangen wurde, und daher nur eine sinngemäße Anwendung des § 1319 ABGB möglich gewesen wäre, handelt es sich im vorliegenden Fall um einen Einsturz im Sinne des Wortlautes des § 1319 ABGB. Die Drittbeklagte als Besitzerin haftet daher, sofern sie nicht beweist, daß sie alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe (vgl. MietSlg. 34.290, wonach den Anwendungsfällen des § 1319 ABGB gemeinsam ist, daß für willkürliche Gestaltungen der natürlichen Boden- und Geländebeschaffenheit, die hinter den nach ihrem erkennbaren Zustand vorauszusetzenden Eigenschaften zurückbleiben, deren Erhalter demjenigen für Schäden durch diese "mangelhafte Beschaffenheit des Werkes" einzustehen hat, der sich im gerechtfertigten Vertrauen auf die Gefahrlosigkeit des Werkes dessen physikalischem Wirkungsbereich aussetzen hätte dürfen). Bei Beurteilung, ob dies der Fall war, ist davon auszugehen, daß die Drittbeklagte überhaupt nichts getan hat, um eine Gefahr abzuwenden. Dies würde ihr nur dann nicht zum Nachteil gereichen, wenn die Gefahr weder äußerlich erkennbar noch vorhersehbar war. Im vorliegenden Fall war indes eine Gefahrenstelle am Gehsteig deutlich zu erkennen. Es wäre Sache der Drittbeklagten gewesen, zu beweisen, daß die Gefahrenstelle keinen Verdacht dahin, daß der Schaden auf die Abwasserleitung zurückzuführen sei, erwecken mußte. Ein derartiger Beweis wurde jedoch nicht erbracht. Die 8 bis 10 cm tiefe Mulde war in der Nähe des Dachrinnenabfallrohres entstanden. Ein Zusammenhang mit dem Abfluß des Regenwassers war daher nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Die Klägerin hat daher den ihr obliegenden Entlastungsbeweis nicht erbracht. Daß sie eine Hausbesorgerin beschäftigte, enthob sie nicht ihrer Verpflichtung, den Bauzustand zu überwachen. Demnach ist die Haftung der Drittbeklagten für den Schaden der Klägerin dem Grunde nach zu bejahen.

Zur Haftung der Zweitbeklagten:

Diese Beklagte führt für die Minderheitseigentümerin die Hausverwaltung und führt auch für die Drittbeklagte die Mietzinsabrechnung durch. Zu ihren Obliegenheiten gehört es nicht, für Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten zu sorgen. Die Zweitbeklagte ist nicht Besitzerin im Sinne des § 1319 ABGB, es trifft sie auch weder nach dem Kanalgesetz noch nach der Bauordnung der Steiermark eine Verpflichtung, den Kanal instandzuhalten. Es kann ihr daher auch nicht die Verletzung eines Schutzgesetzes angelastet werden. Daraus, daß ein Nachweis, eine vom Werk ausgehende Gefahr sei nicht erkennbar gewesen, nicht erbracht wurde, kann daher eine Haftung der Zweitbeklagten nicht abgeleitet werden. Der Revision war somit hinsichtlich der Erst- und Zweitbeklagten nicht Folge zu geben, wohl aber hinsichtlich der Drittbeklagten. Im Hinblick darauf, daß die Klägerin verschiedene Ansprüche geltend machte, die alle der Höhe nach nicht geklärt sind und bei denen zumindest zum Teil mangels entsprechender Feststellungen derzeit nicht beurteilt werden kann, ob sie überhaupt berechtigt sind, erscheint die Fällung eines Teilzwischenurteiles nicht zweckmäßig. Somit waren die Urteile der Vorinstanzen, soweit sie die Drittbeklagte betreffen, aufzuheben, die Rechtssache war in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Im fortgesetzten Verfahren wird - ausgehend von der Haftung der Drittbeklagten dem Grunde nach - zu klären sein, ob und in welcher Höhe die einzelnen Ansprüche der Klägerin berechtigt sind und ob ein Feststellungsinteresse der Klägerin im Sinne des § 228 ZPO bejaht werden kann.

Die Entscheidung über die Kosten, soweit das Revisionsverfahren die Erst- und Zweitbeklagte betraf, beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, wobei hinsichtlich der von Dr. Heinrich Kammerlander erstatteten Revisionsbeantwortung davon auszugehen war, daß die Hälfte der Kosten auf die Zweitbeklagte entfallen. Der der Erstbeklagten (zu ihren Lasten) unterlaufene Additionsfehler war zu korrigieren, der Zuspruch von Umsatzsteuer an die Zweitbeklagte war jedoch nicht möglich, weil es sich hier nicht bloß um einen der Zweitbeklagten unterlaufenen Rechenfehler handelt. Diese Beklagte verzeichnete nämlich überhaupt keine Umsatzsteuer. Überdies stehen für die von Dr. Kammerlander erstattete Revisionsbeantwortung nur 10 % Streitgenossenzuschlag zu, weil dieser Beklagtenvertreter nur zwei Beklagte vertritt.

Im übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 52 ZPO.

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