OGH 2Ob64/95

OGH2Ob64/9524.8.1995

Der Oberste Gerichtshof durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Stadtwerke, ***** vertreten durch Dr.Konrad Kuderna, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) B***** Versicherungs AG *****,

2.) Gerhard F*****, 3.) Christa P*****, alle vertreten durch Dr.Gerhard Renner und Dr.Gerd Höllerl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 240.000,--), infolge außerordentlicher Revision beider Seiten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 28.März 1995, GZ 17 R 299/94-44, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29. September 1994, GZ 26 Cg 129/93v-40, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird teilweise, der Revision der beklagten Parteien nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

Es wird festgestellt, daß die beklagten Parteien der klagenden Partei für Regreßansprüche infolge der von ihr aufgrund des Verkehrsunfalls vom 21.6.1987 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu leistenden Schadenersatzzahlung an Hermann H***** bzw aufgrund der Legalzession an den zuständigen Sozialversicherungsträger zu zwei Drittel haften, wobei die Haftung der erstbeklagten Partei durch die Haftungshöchstsumme begrenzt ist.

Das Mehrbegehren, es werde die Haftung der beklagten Parteien wie oben zur Gänze festgestellt, wird abgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei S 71.936,50 an Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 21.6.1987 ereignete sich auf dem Betriebsgrundstück Vorgarten der Klägerin ein Verkehrsunfall, an dem Erich S***** mit einem Autobus der Klägerin und die Drittbeklagte als Lenkerin eines vom Zweitbeklagten gehaltenen, bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten Mopeds beteiligt waren. Mitfahrer des Mopeds war Hermann H*****.

Die Klägerin brachte vor, das Verschulden am Unfall treffe die Drittbeklagte, die ohne Bewilligung vorsätzlich in den Privatgrund eingefahren sei, obwohl aufgrund der deutlich sichtbaren angebrachten Hinweistafel nur mit schriftlicher Genehmigung der Klägerin eingefahren werden dürfe. Sie sei mit einer zumindest relativ überhöhten Geschwindigkeit gegen die Seitenwand des von S***** gelenkten Autobusses gestoßen. S***** habe gerade eine Bremsprobe durchführen wollen; solche Bremsproben seien üblich und könnten sinnvollerweise nur aus höheren Geschwindigkeiten durchgeführt werden, weshalb auch hiefür die sonst angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h keine Geltung gehabt habe. Schriftliche Ausnahmegenehmigungen zum Einfahren auf den Privatgrund würden von der Klägerin in Form von Einstellungsbewilligungen erteilt. Jeder, der eine solche Einstellbewilligung erhalte, habe eine Erklärung zu unterfertigen, daß er sich zum Ersatz aller am Eigentum der Klägerin im Zusammenhang mit der Einstellung des Kraftfahrzeuges entstandenen Schäden verpflichte und seinerseits auf Schadenersatzansprüche verzichte. Das Einfahren erfolge daher auf eigene Gefahr. Damit wolle die Klägerin verhindern, daß an sie Schadenersatzansprüche herangetragen werden könnten. Von den Inhabern derartiger Ausnahmegenehmigungen werde im Unfallbereich den Bussen immer der Vorrang eingeräumt.

Bei dem Unfall sei der Mitfahrer der Drittbeklagten, Hermann H*****, verletzt worden. Er habe gegen die Klägerin beim Erstgericht eine Klage auf Zahlung von S 610.746,36 sowie auf Feststellung der Haftung für künftige Schäden eingebracht; im Falle der Sachfälligkeit der Klägerin hätte sie zwecks Geltendmachung von Regreßansprüchen ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten. Sie begehre daher diese Feststellung (ON 1: Haftung zu zwei Dritteln; ON 12: Haftung zur Gänze) unter Beschränkung der Haftung der Erstbeklagten auf die Haftungshöchstsumme.

Die Beklagten wendeten ein, daß das Alleinverschulden am Unfall den - vom Strafgericht rechtskräftig verurteilten - Lenker des Busses treffe. Dieser habe die von der Klägerin selbst verordnete erlaubte Höchstgeschwindigkeit beträchtlich überschritten gehabt. Es sei für den Autobuslenker, der eine Bremsprobe durchführe, nicht erkennbar, ob ein hereinfahrendes Fahrzeuges aufgrund der schriftlichen Genehmigung berechtigterweise hereingelenkt werde. Die Drittbeklagte sei nicht mit relativ überhöhter Geschwindigkeit gefahren. An die von der Klägerin erlassenen Regelungen habe sie sich selbst zu halten. Die Haftung für derartige Unfälle könne durch privatrechtliche Vereinbarung nicht ausgeschlossen werden, weil dies für Personen, die eine Einstellbewilligung besitzen, sittenwidrig wäre.

Das Erstgericht gab der Klage im zweiten Rechtsgang statt, nachdem das im ersten Rechtsgang ergangene klagsabweisende Urteil vom Berufungsgericht mit dem Ausspruch eines (von den Parteien nicht genützten) Rechtskraftvorbehaltes aufgehoben worden war. Hiebei ging es im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

An den Einfahrten in den Betriebsbahnhof Vorgarten der Klägerin sind folgende Schilder angebracht: "Privatgrund. Das Einfahren mit Kraftfahrzeugen ist nur mit schriftlicher Genehmigung durch die ***** Stadtwerke - Verkehrsbetriebe gestattet."

Bei der Einfahrt Vorgartenstraße sind noch die Verkehrszeichen "Fahrverbot (in beiden Richtungen)" mit der Zusatztafel "ausgenommen Fahrzeuge der ***** Stadtwerke" und "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" mit der Aufschrift "20 km/h" angebracht.

Bei der Einfahrt aus der Engerthstraße befand sich ein Schild mit der Aufschrift "Privatgrund, das Einfahren mit Kraftfahrzeugen ist nur mit schriftlicher Genehmigung durch die ***** Stadtwerke - Verkehrsbetriebe gestattet". Um eine derartige Genehmigung zu erhalten, ist eine schriftliche Erklärung zu unterfertigen.

Trotz der grundsätzlich geltenden Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h werden auf dem Garagengelände auf der Vorgartenstraße im Bereich der Kreuzung mit der Haussteinstraße Bremsproben oder sonstige Fahrproben mit Autobussen durchgeführt, wobei regelmäßig weitaus höhere Geschwindigkeiten um die 50 km/h gefahren werden, weil sonst der Zweck der Fahrt nicht erreicht werden kann.

An der Kreuzung Vorgartenstraße-Haussteinstraße besteht aufgrund der Tatsache, daß die Vorgartenstraße jahrzehntelang Haupteinfahrt war und man erst seit einigen Jahren auch auf der verlängerten Haussteinstraße einfahren kann und erstere dadurch zur "Hauptstraße" wurde einerseits und der allgemeinen betriebsinternen Kenntnis von jederzeit möglichen Bremsproben der Autobusse andererseits unter berechtigt Einfahrenden die allgemeine Übung, daß Fahrzeuglenker auf ihren Vorrang, den sie auf der Haussteinstraße gegenüber den Benützern der Vorgartenstraße hätten, verzichten.

Wenige Tage vor dem Unfall borgte der Zweitbeklagte das von ihm gehaltene Moped Herrn D*****, der mit diesem, um eine Vergaserkontrolle durchzuführen, in das Betriebsgelände der Klägerin einfuhr, ohne hiefür eine Einstellgenehmigung zu haben. Die Drittbeklagte begab sich ebenfalls über die Zufahrt von der Engerthstraße in das Betriebsgelände, wobei sie im Fahrzeug der Gattin des D***** mitfuhr und dem oben zitierten Schild bei der Einfahrt keine Beachtung schenkte. Innerhalb des Betriebsgeländes wurden Arbeiten am Moped durchgeführt und schließlich wurde die Drittbeklagte von D***** ersucht, eine Probefahrt durchzuführen. Die Drittbeklagte nahm das Moped in Betrieb und führte auch die gewünschte Probefahrt durch, an der Hermann H***** als Beifahrer teilnahm. Bei dieser Probefahrt kam es zum Zusammenstoß zwischen dem Moped und dem von der Klägerin gehaltenen Autobus. Bei dem Unfall wurde Hermann H***** schwerst verletzt, er macht Leistungs- und Feststellungsansprüche aus diesem Vorfall in einem Verfahren vor dem Erstgericht gegen die Klägerin geltend.

Frau D*****, in deren PKW die Drittbeklagte das Betriebsgelände der Klägerin erreichte, hat für das Fahrzeug, mit dem sie einfuhr, eine Einstellgenehmigung, da sie Angestellte der Klägerin ist. Daß es bei der Einfahrt in das Betriebsgelände mit dem PKW keine Schwierigkeiten geben könnte, war der Drittbeklagten bekannt.

Erich S***** fuhr mit dem Autobus der Klägerin von der Vorgartenstraße kommend mit einer Geschwindigkeit von rund 55 km/h auf die spätere Unfallkreuzung zu. Er wollte mit dem Fahrzeug eine Bremsprobe durchführen; ihm war bekannt, daß die befugten Benützer des Garagengeländes von der Durchführung von Fahrproben bei über 20 km/h liegenden Geschwindigkeiten wissen und Bussen aus der Vorgartenstraße den Vorrang lassen. Für S***** war die Sicht nach rechts in die verlängerte Haussteinstraße durch mannshohe Büsche und Holzpaletten beeinträchtigt. Diese Paletten waren mindestens 5 m vom rechten Fahrbahnrand der Vorgartenstraße entfernt und erreichen eine Höhe von 2,5 bis 3 m. Die Drittbeklagte fuhr mit Hermann H***** als Beifahrer im Bereich der verlängerten Haussteinstraße, nachdem sie aus einer der Betriebshallen gekommen war, mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h von rechts in die Kreuzung mit der Vorgartenstraße, um in diese einzubiegen. Es kam zur Kollision der beiden Fahrzeuge, durch die H*****schwerst verletzt wurde. Erich S***** reagierte auf das Auftauchen des Mopeds mit einer Vollbremsung, er konnte die Kollision jedoch nicht vermeiden, da eine unfallverhindernde Maßnahme zu jenem Zeitpunkt nicht mehr möglich war, zu dem Stuchlik erkannte, daß die Drittbeklagte entgegen der Übung den Vorrang des Busses nicht wahrte. Hätte Stuchlik eine Geschwindigkeit von 20 km/h eingehalten, wäre bei sonst gleichem Fahrverhalten der Unfall vermeidbar gewesen.

Das Erstgericht meinte in rechtlicher Hinsicht, der Unfall hätte sich auf einer Straße ohne öffentlichen Verkehr ereignet, das Betriebsgelände der Klägerin sei hinreichend als Privatgrund gekennzeichnet gewesen. Die Straßenverkehrsordnung gelte gemäß § 1 Abs 2 StVO auf Straßen ohne öffentlichen Verkehr nur insoweit, als der Straßenerhalter nichts anderes bestimme. Hier hätte die Klägerin als Straßenerhalter eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 20 km/h bestimmt. S***** hätte darauf vertrauen dürfen, daß ihm, wie üblich, der Vorrang eingeräumt werde, weshalb ihm kein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalles beizumessen sei. Der Drittbeklagten sei vorzuwerfen, daß sie vor Antritt der Fahrt nicht die notwendigen Informationen eingeholt hätte, um gefahrlos das von ihr gelenkte Fahrzeug über das Betriebsgelände zu steuern. Dem verschuldensfreien Fahrverhalten S***** stehe eine Einlassungsfahrlässigkeit der Drittbeklagten gegenüber.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien teilweise Folge und bejahte eine Haftung der Beklagten nur zur Hälfte. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und daß die Revision nicht zulässig sei.

Zur Rechtsrüge führte das Berufungsgericht folgendes aus:

Bei Beurteilung des Unfallgeschehens selbst müsse man zum Ergebnis gelangen, daß das Verschulden grundsätzlich den Autobuslenker S***** wegen dessen Vorrangverletzung nach § 19 Abs 1 StVO treffe. Die Drittbeklagte habe das Gelände der Klägerin durch die Einfahrt Engerthstraße betreten, an der nur die Tafel "Privatgrund. Das Einfahren mit Kraftfahrzeugen ist nur mit schriftlicher Genehmigung durch die ***** Stadtwerke - Verkehrsbetriebe gestattet" angebracht gewesen sei, weshalb hier davon auszugehen sei, daß eine besondere, von den Vorschriften der StVO abweichende Regelung durch die Klägerin nicht getroffen worden sei, sei doch das verfügte Fahrverbot ausgenommen Fahrzeuge der Klägerin samt Geschwindigkeitsbeschränkung nur bei der Einfahrt Vorgartenstraße aufgestellt. Es könne nun keinem Zweifel unterliegen, daß das Betreten und Befahren des Grundstückes der Klägerin durch die Drittbeklagte rechtswidrig sei.Zu prüfen sei dennoch, ob der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Verhalten der Drittbeklagten und dem Erfolg bestehe. Diese Frage sei hier zu bejahen; das Erstgericht habe festgestellt, daß alle ortskundigen Personen, die zum Einfahren in das Gelände der Klägerin befugt gewesen seien, von den Probefahrten der Autobuslenker gewußt hätten und daher auf ihren Vorrang verzichtet bzw die nötige Vorsicht walten lassen hätten. Der Unfall hätte sich also dann nicht ereignet, wenn an ihm nicht die Drittbeklagte, sondern ein Befugter beteiligt gewesen wäre. Es sei also hier der geforderte Rechtswidrigkeitszusammenhang zu bejahen, habe doch die Drittbeklagte durch das unbefugte Befahren des Privatgrundes der Klägerin rechtswidrig und schuldhaft gehandelt. Stelle man diesem Verhalten die Vorrangverletzung S***** gegenüber, so erscheine eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 1 : 1 angemessen.

Gegen diese Berufungsentscheidung richten sich die außerordentlichen Revisionen beider Seiten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die Klägerin beantragt die Abänderung im Sinne der gänzlichen Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagten beantragen die Abänderung im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung. In den ihnen freigestellten Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien jeweils, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind zulässig, weil unmittelbar einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt. Die Revision der Klägerin ist teilweise berechtigt, die der Beklagten nicht berechtigt.

Die Klägerin macht im wesentlichen geltend, auf Straßen mit beschränktem Verkehr bestehe eine Verkehrssicherungspflicht nur gegenüber Personen, die zu diesem Verkehr befugt seien. Die Bestimmungen der StVO könne man als Konkretisierung der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten auffassen. Nach dem Schutzzweck der Normen sollten unbefugte Benützer nicht geschützt werden. Der Buslenker habe mit dem plötzlichen Auftauchen von Besitzstörern nicht rechnen müssen. Er habe darauf vertrauen dürfen, sein Fahrmanöver gefahrlos durchführen zu können. Hätte die Drittbeklagte eine Einfahrgenehmigung besessen, so wäre eine Haftung der Klägerin vereinbarungsgemäß ausgeschlossen gewesen.

Die Beklagten berufen sich darauf, daß die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, die Unfallsstrecke als besonders gefährlich für andere Verkehrsteilnehmer zu kennzeichnen, weshalb im Zusammenhang mit dem Verhalten des Autobuslenkers Alleinverschulden auf Seiten der Klägerin anzunehmen sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß jede "befugte" Person über die Probefahrten der Buslenker Bescheid wisse. Das Verschulden der Drittbeklagten bestehe bloß darin, das Betriebsgelände der Klägerin unerlaubterweise befahren zu haben, und trete gegenüber dem Verschulden der Gegenseite deutlich in den Hintergrund.

Hiezu wurde erwogen:

Es erübrigt sich, auf die nunmehrigen Ausführungen zu allgemeinen Verkehrssicherungspflichten und die Frage, ob solche auch gegenüber unbefugten Benützern bestehen können (vgl Reischauer in Rummel2 § 1294 ABGB Rz 5 mwN; Koziol, Haftpflichtrecht II2 62 f mwN), einzugehen, weil die Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren kein entsprechendes Vorbringen erstattet, sondern sich nur auf ein Verschulden des Buslenkers berufen haben. Dementsprechend haben die Vorinstanzen auch nur das Verhalten der beiden beteiligten Lenker untersucht. Auch die Frage der Zulässigkeit einer Haftungsfreizeichnung gegenüber Einfahrtsberechtigten muß nicht geprüft werden, weil die rechtliche Beziehung zwischen den Streitteilen keiner vertraglichen Regelung unterliegt.

Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß sich der Unfall auf einer Straße ohne öffentlichen Verkehr ereignet hat; auch die Rechtsmittelwerber ziehen dies nicht in Zweifel. Gemäß § 1 Abs 2 StVO gilt dieses Bundesgesetz für Straßen ohne öffentlichen Verkehr insoweit, als andere Rechtsvorschriften oder die Straßenerhalter nichts anderes bestimmen (vgl auch ZVR 1983/89 = SZ 55/142).

Was die vom Buslenker eingehaltene Fahrgeschwindigkeit von 55 km/h anlangt, so ist zu berücksichtigen, daß er von der Klägerin mit der Durchführung von Bremsproben beauftragt war, womit eine Überschreitung der bei einer der Einfahrten angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkung auf 20 km/h, aber auch der gemäß § 20 Abs 2 StVO erlaubten Geschwindigkeit von 50 km/h zwangsläufig verbunden war. Im Hinblick auf eine sinnvolle Erfüllung des ihm erteilten Arbeitsauftrages kann ihm daher eine Geschwindigkeitsüberschreitung nicht vorgeworfen werden.

Entsprechendes gilt für die Vorrangfrage nicht. Die Rechtsvorrangregel des § 19 Abs 1 StVO ist von der Klägerin für die Unfallkreuzung nicht gemäß § 1 Abs 2 StVO aufgehoben worden (vgl Strafakt Seite 215). Es steht auch nicht fest, daß mit der Durchführung von Bremsproben das Befahren der Unfallskreuzung unter Mißachtung des grundsätzlich geltenden Rechtsvorranges zwangsläufig verbunden war (vgl im Gegenteil Strafakt Seite 316, wonach die Bremsprobe ohne weiteres auf der geraden, vor der Unfallstelle liegenden Verkehrsfläche hätte durchgeführt werden können). Auch ein abweichender Gebrauch vermochte die Rechtsvorrangregel nicht außer Kraft zu setzen (vgl ZVR 1977/284, 1980/59).

Der Oberste Gerichtshof hat zwar Lenkern von Fahrzeugen auf Betriebsflächen - insbesondere beim Rückwärtsfahren - schon zugutegehalten, daß sie nicht mit der Anwesenheit von betriebsfremden Personen zu rechnen brauchen und annehmen dürfen, daß die in den Arbeitsprozeß eingegliederten Personen mit den dortigen Vorgängen vertraut sind (vgl ArbSlg 7443; ZVR 1968/206, 1988/115). Der vorliegende Unfall ist aber insofern anders gelagert, als er sich beim Befahren einer Straßenkreuzung, für welche die Rechtsvorrangregel der StVO gilt, ereignete und der Buslenker nicht uneingeschränkt darauf vertrauen durfte, jeder die Querstraße benutzende "befugte" Lenker werde auch "wie üblich" auf seinen Rechtsvorrang verzichten.

Das Berufungsgericht hat dem Buslenker daher zu Recht einen Verstoß gegen § 19 Abs 1 StVO angelastet, was der Klägerin zuzurechnen ist.

Die Beklagten stellen in ihrer Revision die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Drittbeklagten und ihr Verschulden nicht in Abrede; sie meinen lediglich, dieses Mitverschulden wäre zu vernachlässigen.

Es genügt daher zunächst, dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß auch der Rechtswidrigkeitzusammenhang gegeben ist (vgl Reischauer in Rummel § 1295 ABGB Rz 8, § 1311 ABGB Rz 10 mwN; Koziol-Welser I10 453 mwN). Das von der Drittbeklagten übertretene Fahrverbot des Betriebsunternehmers hatte unter anderem den Zweck, Schäden zu verhindern, die sich aus dem Befahren eines Betriebsgeländes durch Unbefugte ergeben können. Anders als im Fall der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung ZVR 1976/141 hat sich im vorliegenden Fall eine Gefahr verwirklicht, die das beschränkte Fahrverbot verhindern sollte; unter die spezifische Gefährlichkeit eines Betriebsgeländes fällt auch die Begegnung mit gerade erprobten Betriebsfahrzeugen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten (und des LGZ Wien als Berufungsgericht im Parallelprozeß, das allerdings zusätzlich der nunmehrigen Klägerin Verletzung eigener Verkehrssicherungspflichten vorwarf; vgl ZVR 1992/37) ist das Verschulden der Drittbeklagten gegenüber dem Fehlverhalten des Buslenkers aber keineswegs zu vernachlässigen. Der erkennende Senat ist vielmehr anders als das Berufungsgericht der Meinung, daß das Verschulden der Drittbeklagten, die unbefugt auf einem fremden Betriebsgelände ein Moped ausprobierte, gegenüber dem Verschulden des Buslenkers, der sich auf einen bei den Betriebsangehörigen üblichen Vorrangverzicht verließ, überwiegt. Eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der Beklagten ist angemessen.

Das angefochtene Urteil war daher in diesem Sinne abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 43 Abs 1, 50 ZPO. Berücksichtigt wurde, daß die Klägerin mit ihrem Begehren bis zur Klagsausdehnung ON 12 voll, danach zu zwei Drittel durchgedrungen ist.

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