Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung in der Sache aufgetragen. Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.
Text
Begründung
Die gefährdete Partei begehrte am 15. März 1985 die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach der im Ausland ansässigen Antragsgegnerin verboten werde, über die von der E und F G H I AG abgegebene und mit 31. März 1985 begrenzte Bankgarantie über DM 489.488 zu verfügen; dem Garanten sollte gleichzeitig die Einlösung der Garantie untersagt werden. Hiezu brachte sie vor, sie habe auf Grund eines mit der Antragsgegnerin im Jahre 1981 geschlossenen Vertrages für deren Auftraggeber in Bagdad/Irak technische Anlagen zu einem Pauschalpreis von 8,000.000 DM hergestellt. Bereits im Dezember 1982 habe ihr die Antragsgegnerin die vorläufige Abnahme der bestellten Anlage bestätigt; es seien sämtliche Leistungen mängelfrei gewesen. Trotz Vorliegens der vereinbarten Voraussetzungen für die Rückstellung des Haftrücklasses, nämlich vertragsgerechte Erfüllung, verweigere die Antragsgegnerin die Freigabe der zur Sicherung des Haftrücklasses gegebenen Bankgarantie. Somit bestehe die Gefahr, daß die Bankgarantie, auf Grund welcher der Garant auf erste Anforderung binnen acht Tagen Zahlung zu leisten habe, in Anspruch genommen und die gefährdete Partei gezwungen würde, ihre Ansprüche im Ausland geltend zu machen.
Das Erstgericht gab dem Antrag nach Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden und Vernehmung zweier Auskunftspersonen ohne Anhörung der Antragsgegnerin statt. Der Antragstellerin trug es die Zahlung einer Sicherheitsleistung von S 260.000 auf. Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß im Sinne der Antragsabweisung ab; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhebt die gefährdete Partei Revisionsrekurs mit dem Antrage auf Abänderung dahin, daß die vom Erstgericht bewilligte einstweilige Verfügung wiederhergestellt werde; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages gerechtfertigt.
Das Erstgericht hielt den von der gefährdeten Partei behaupteten Sachverhalt für bescheinigt und traf insbesondere folgende Feststellungen: Die als Generalunternehmerin tätige Antragsgegnerin hat sich gegenüber der gefährdeten Partei verpflichtet, nötigenfalls ohne Mitwirkung ihres eigenen Auftraggebers die Abnahme der bestellten Anlage selbst durchzuführen und rechtlich sodann so zu verfahren, als hätte auch ihr Auftraggeber bereits das Zertifikat über die provisorische und über die endgültige Abnahme (Provisorial Acceptance Certificate und Final Acceptance Certificate) erklärt. Die vorläufige Abnahme ist am 7. Dezember 1982 bestätigt und die damals gerügte Mangelhaftigkeit des Werkes bis zum 31. März 1983 behoben worden, sodaß keine Gewährleistungsansprüche mehr bestehen. Im Sinne der vertraglichen Verpflichtung hat die Antragstellerin eine Bankgarantie beigebracht, wonach der Garant allein auf Grund der Erklärung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin sei ihrer Vertragspflicht nicht vollständig nachgekommen, binnen acht Tagen auf erste Anforderung Zahlung zu leisten hat. Die Antragsgegnerin erhielt von ihrem Auftraggeber nicht die Erklärung der endgültigen Abnahme; sie weigert sich deshalb, ihrerseits gegenüber der gefährdeten Partei die endgültige Abnahme zu erklären und die Bankgarantie freizugeben. Es besteht daher die Gefahr des Abrufes der Bankgarantie.
In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht, nach dem Inhalt der vorliegenden Bankgarantie müsse dem Begünstigten auf Grund seiner bloßen Behauptung, der Garantiefall sei eingetreten, von der Bank Zahlung geleistet werden. Dieser stehe nach der Judikatur ein Zahlungsverweigerungsrecht nur dann zu, wenn sich die Einforderung der Bankgarantie als Rechtsmißbrauch darstelle. Vorliegendenfalls müsse ein solcher Rechtsmißbrauch aber angenommen werden, weil die Antragstellerin sämtliche gerügten Mängel behoben habe und keinerlei Gewährleistungsansprüche mehr bestünden. Es sei daher auch eine mißbräuchliche Inanspruchnahme der Bankgarantie durch die Antragsgegnerin zu befürchten.
Das Rekursgericht verwies darauf, daß sich die Bestimmung des § 381 Abs 1, letzter Halbsatz, EO sowie auch jene des § 379 Abs 2 Z 2 EO nur auf inländische Urteile beziehe, welche im Ausland vollstreckt werden müßten. Der von der Antragstellerin behauptete Umstand, sie sei bei Einlösung der Bankgarantie durch die Antragsgegnerin genötigt, ihre Ansprüche im Ausland geltend zu machen, könne den Sicherungsantrag noch nicht rechtfertigen. Hiezu hätte es auch der Behauptung bedurft, daß der Anspruch gegen die Antragsgegnerin vor einem inländischen Gericht - etwa auf Grund einer Gerichtsstandsvereinbarung - geltend zu machen sei und dieses im Inland erwirkte Urteil sodann im Ausland vollstreckt werden müsse. Im weiteren sei dem Antragsvorbringen die Gefahr einer unmittelbar bevorstehenden Einziehung der Bankgarantie schlüssig nicht zu entnehmen. Die Antragstellerin behaupte nur, daß die Antragsgegnerin die Freigabe der Bankgarantie verweigere, obwohl die vereinbarten Voraussetzungen für deren Rückstellung gegeben seien. Daß die Einziehung der Bankgarantie unmittelbar bevorstehe, werde von ihr aber nicht behauptet. Diesbezüglich sei auch aus der Angabe der Auskunftsperson Karl J nichts zu gewinnen, denn dieser habe nur ausgeführt, daß aus der Weigerung der Antragsgegnerin zur Ausstellung der Endabnahmebestätigung die Gefahr der Einziehung der Bankgarantie abzuleiten sei. Hierin liege aber keine zwingende Schlußfolgerung, welche die fehlende Gefahrenbehauptung im Antrag ersetzen könnte. Somit habe die Antragstellerin entgegen der Ansicht des Erstgerichtes die vom Gesetz geforderte Anspruchsgefährdung weder schlüssig behauptet noch bescheinigt. Unter diesen Umständen erübrige es sich auf die Frage einzugehen, ob das Erstgericht die Anspruchsbescheinigung zu Recht angenommen habe.
In ihrem Revisionsrekurs bringt die Antragstellerin vor, die Auffassung des Rekursgerichtes, sie habe eine unmittelbar bevorstehende Einziehung der Bankgarantie nicht behauptet, widerlege sich schon durch deren Befristung mit 31. Mai 1985. Die Antragsgegnerin habe die Bankgarantie auch tatsächlich am 21. März 1985 in Anspruch zu nehmen versucht. Die Behauptung einer Gefährdung und auch die Gefährdungsbescheinigung sei somit erfolgt. Da die Antragsgegnerin ihren Sitz im Ausland habe, müsse ein gegen sie ergehendes Urteil jedenfalls dort vollstreckt werden, sodaß auch § 379 Abs 2 Z 2 EO anwendbar erscheine. Wenngleich zwar grundsätzlich die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Verhinderung der Inanspruchnahme einer Bankgarantie nicht zulässig sei, habe die Antragstellerin hier schließlich auch bescheinigt, daß ein Rechtsmißbrauch vorliege, sodaß der von der Judikatur anerkannte Ausnahmefall gegeben sei. Die vom Erstgericht in dieser Richtung vorgenommene Beweiswürdigung sei im Provisorialverfahren unanfechtbar.
Diesen Ausführungen kommt zum Teil und dem Revisionsrekurs im Ergebnis Berechtigung zu.
Entgegen der Ansicht der gefährdeten Partei wurde hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Notwendigkeit der Durchsetzung von (Rückersatz-)Ansprüchen im Ausland und der dadurch gegebenen Erschwerung vom Rekursgericht zutreffend darauf verwiesen, daß die Bestimmungen der §§ 381 Abs 1 und 379 Abs 2 Z 2 EO ein inländisches Urteil voraussetzen (SZ 51/17). Daß die Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes für die Entscheidung des künftigen Rechtsstreites zwischen der gefährdeten Partei und der im Ausland ansässigen Antragsgegnerin gegeben und somit die Durchsetzung eines inländischen Urteiles im Auslande zugrundezulegen sei, wurde von der gefährdeten Partei mit keinem Wort behauptet. Somit kommt die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung hier aber nur bei Behauptung und Bescheinigung einer konkreten Gefährdung des Anspruches der gefährdeten Partei auf Nichteinziehung der Bankgarantie bzw. des eine Geldforderung darstellenden (vgl. SZ 54/189) Rückersatzanspruches in Betracht.
Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, im Antrag sei auch nicht schlüssig behauptet worden, daß die Gefahr einer Einziehung der Bankgarantie unmittelbar bevorstehe, sodaß er allein schon mangels ausdrücklicher oder schlüssiger Behauptung einer Anspruchsgefährdung, aber auch mangels Bescheinigung einer solchen, abzuweisen sei.
Dieser Standpunkt wird von der Rekurswerberin zu Recht bekämpft. Das in dem am 15. März 1985 beim Erstgericht eingelangten Sicherungsantrag enthaltene Vorbringen, die Antragsgegnerin verweigere die Freigabe der mit 31. März 1985 befristeten Bankgarantie, obwohl die Voraussetzungen hiefür, nämlich vertragsgerechte Erfüllung, längst gegeben sei und es bestehe daher die Gefahr der Einziehung der Bankgarantie durch die Antragsgegnerin, muß durchaus im Sinne der Behauptung der Gefahr einer bereits unmittelbar bevorstehenden Einziehung verstanden werden. Aus der Weigerung des Begünstigten, eine nur noch rund zwei Wochen gültige Bankgarantie freizugeben, obwohl er zufolge Vorliegens der vereinbarten Voraussetzungen sie längst hätte freigeben müssen, ist nämlich zwingend darauf zu schließen, daß er den Eintritt der vertraglichen Bedingungen für die Freigabe bestreitet und daher die Bankgarantie innerhalb der nur noch zur Verfügung stehenden kurzen Zeit in Anspruch nehmen wolle. Das Vorliegen der vom Gesetz vorausgesetzten Behauptung der Gefährdung des Anspruches auf Freigabe ist hier demnach zweifellos zu bejahen. Den vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt, nämlich, daß die Herausgabe der Bankgarantie von der Antragsgegnerin tatsächlich verweigert wird, hat auch das Rekursgericht, wie sich aus dem Mangel jeglicher gegenteiliger Ausführung zu den vom Erstgericht zur Begründung herangezogenen Bescheinigungsergebnissen ergibt, offenkundig zugrundegelegt. Davon ausgehend kann dem Rekursgericht in seinem knappen Hinweis, die Anspruchsgefährdung sei beim gegebenen Sachverhalt auch nicht bescheinigt, ebenfalls nicht gefolgt werden.
Nach ständiger Judikatur bedarf es im Sinne des § 381 EO hinsichtlich der Anspruchsgefährdung der Bescheinigung einer konkreten Gefahr (1 Ob 12, 13/75; SZ 49/11; SZ 55/78; 5 Ob 746/82 u. a.); bei der diesbezüglichen Beurteilung kommt es immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an (EvBl 1963/215; SZ 42/135; EvBl 1981/188 u.a.).
Die vertragswidrige Verweigerung der Freigabe einer nur noch ganz kurze Zeit gültigen Bankgarantie legt im oben dargestellten Sinne zwangsläufig die Vermutung nahe, der Begünstigte ziehe deren Einlösung tatsächlich in Betracht. Sie rechtfertigt damit aber jedenfalls die Annahme, der Anspruch auf Freigabe dieser Bankgarantie sei konkret gefährdet.
Auf der Grundlage seiner gegenteiligen Rechtsansicht ist das Rekursgericht auf die bekämpften erstgerichtlichen Ausführungen, nach den Bescheinigungsergebnissen sei nicht nur die Anspruchsbescheinigung erbracht, sondern auch der Nichteintritt des Garantiefalles und damit ein Rechtsmißbrauch der Antragsgegnerin nachgewiesen, nicht eingegangen. Da das Rekursgericht letzte Tatsacheninstanz ist, erscheint somit die Rückverweisung der Rechtssache erforderlich. Bei seiner neuerlichen Entscheidung wird das Rekursgericht zweckmäßigerweise zunächst die erstgerichtliche Annahme eines solchen erwiesenen Rechtsmißbrauches zu überprüfen haben. Wie der Oberste Gerichtshof grundsätzlich schon in den Entscheidungen SZ 54/189 und 7 Ob 569/82 und sodann in der einen dem hier vorliegenden gleichgelagerten Fall betreffenden Entscheidung 1 Ob 680/84 ausgesprochen hat, kann der - bescheinigte - Anspruch des Garantieauftraggebers gegen den Begünstigten auf Widerruf seines Abrufrechtes hinsichtlich einer Bankgarantie durch eine einstweilige Verfügung - Zahlungsverbot an den Garanten - grundsätzlich nämlich nur unter der Voraussetzung gesichert werden, daß der Nichteintritt des Garantiefalles liquide und eindeutig nachgewiesen wird, weil ansonsten der für die Bankgarantie typische Ausschluß von Einwendungen aus dem Valuta- und Deckungsverhältnis umgangen würde. Zulässig ist die Erlassung einer einstweiligen Verfügung also nur dann, wenn der Begünstigte die Garantie rechtsmißbräuchlich oder arglistig in Anspruch nimmt, somit unter denselben Voraussetzungen, unter denen auch der Garant (die Bank), wenn sie vom Begünstigten belangt wird, die Zahlung ausnahmsweise verweigern darf. Die Sicherheit des geschäftlichen Verkehrs erfordert es, daß die mißbräuchliche Inanspruchnahme der Garantie geradezu evident ist. Es muß also eindeutig feststehen, daß der Begünstigte keinen Anspruch hat und der Garantiefall nicht eingetreten ist. Ein Rechtsmißbrauch wurde solcherart z.B. als eindeutig bescheinigt angenommen, wenn die Bankgarantie für ein Ereignis (z.B. zur Abdeckung einer Kreditschuld) in Anspruch genommen wird, für das sie nicht (sondern bloß zur Sicherstellung einer Werklohnforderung) übernommen wurde (3 Ob 577/81, SZ 54/189).
Vorliegendenfalls ist somit - abgesehen von der weiteren Frage der Anspruchsbescheinigung - für die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung entscheidend, ob das Rekursgericht als letzte Tatsacheninstanz der erstgerichtlichen Ansicht folgt, daß allein schon auf Grund der Angaben der beiden Auskunftspersonen, nämlich des Alleininhabers der gefährdeten Partei und seines Prokuristen, die gefährdete Partei habe sämtliche von der Antragsgegnerin gerügten Mängel bereits behoben und solcherart vertragsgerecht erfüllt, der eindeutige Nachweis des Nichteintrittes des Garantiefalles als erbracht gilt, sodaß in der Verweigerung der Freigabe der Bankgarantie durch die Antragsgegnerin ein Rechtsmißbrauch liegt. Sollte das Rekursgericht für die Beurteilung, ob eine solche vertragsgerechte Erfüllung durch die gefährdete Partei erfolgt ist oder nicht, noch weitere Bescheinigungsmittel für erforderlich halten, so könnte von einer liquiden und eindeutigen Bescheinigung des Nichteintrittes des Garantiefalles nicht die Rede sein (vgl. SZ 54/189).
Zur ergänzenden überprüfung der erstgerichtlichen Sachverhaltsgrundlage erscheint somit die Rückverweisung der Rechtssache an das Rekursgericht erforderlich.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO, §§ 78, 402 EO.
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