Spruch:
Zuwiderhandeln gegen eine vertragliche Verpflichtung begrundet keinen Unterlassungsanspruch, wenn künftiges Zuwiderhandeln nicht zu besorgen ist
OGH 17. 1. 1984, 2 Ob 611/83 (LGZ Wien 41 R 236/83; BG Favoriten 5 C 526/82)
Text
Der Beklagte mietete im Jahr 1967 Geschäftsräumlichkeiten in einem den Klägern gehörenden Haus. Im Mietvertrag wurde festgehalten, daß ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung des Vermieters das Mietobjekt nicht an dritte Personen überlassen werden dürfe. Am 1. 10. 1981 veräußerte der Beklagte seinen Betrieb (Elektrohandel) an Eduard W, der seither die gemieteten Geschäftsräume benützt.
Gestützt auf das im Mietvertrag enthaltene Verbot der Überlassung der Räumlichkeiten an dritte Personen begehrten die Kläger das Urteil, der Beklagte sei schuldig, es ab sofort zu unterlassen, die von ihm gemieteten Geschäftsräumlichkeiten Nr. 6 im Haus Wien 10., F-Straße 151-153, an Eduard W zu überlassen.
Das Erstgericht erkannte iS dieses Begehrens. Es vertrat die Ansicht, durch die Veräußerung des Unternehmens sei ein gespaltenes Mietverhältnis entstanden; die Vorschrift des § 12 Abs. 3 MRG sei nicht rückwirkend anwendbar; der Beklagte sei noch immer Vertragspartner der Kläger und müsse das gültig und zulässig vereinbarte Weitergabeverbot gegen sich geltend lassen, welches den Klägern einen Anspruch auf Unterlassung einräume. Der Beklagte könne sich nicht auf Unmöglichkeit der Leistung berufen, da er selbst als nicht vertragstreuer Teil den vertragswidrigen Zustand herbeigeführt habe.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15 000 S, nicht aber 300 000 S übersteige und die Revision zulässig sei. Ein Unterlassungsbegehren sei nur dann berechtigt, wenn Wiederholungsgefahr bestehe. Eine solche liege nicht vor, weil der Beklagte das Unternehmen bereits verkauft und die Mietrechte dem Erwerber als Zubehör überlassen habe. Eine weitere Übertragung, wie sie durch die Unterlassungsklage verhindert werden solle, wäre nur möglich, wenn die Bestandrechte vom Unternehmenserwerber wieder an den Beklagten zurückfielen, was äußerst unwahrscheinlich sei. Da es an der Wiederholungsgefahr fehle, könne dem Unterlassungsbegehren nicht stattgegeben werden. Auch ein Feststellungsbegehren, das gegenüber dem Leistungsbegehren ein Minus darstelle, wäre nicht zielführend. Da die Kläger davon Abstand genommen hätten, ihre durch die Verletzung des Weitergabeverbotes beeinträchtigte Rechtsstellung durch die Einbringung einer auf Entfernung des Unternehmenserwerbers gestützten Leistungsklage zu schützen, könne ihr rechtliches Interesse an der Feststellung des Nichtbestehens eines Weitergaberechtes nur eine weitere zukünftige Verletzung des Verbotes betreffen. Da die Gefahr einer derartigen Vertragswidrigkeit aber äußerst unwahrscheinlich sei, bestehe kein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung. Die Zulassung der Revision begrundete das Berufungsgericht damit, daß die Frage, ob gegen einen Verkäufer eines Unternehmens nach dessen Übergabe an den Erwerber die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Unterlassungsklage vorlägen, in der Judikatur nicht einheitlich beantwortet worden sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Mit Recht hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß die hier zu entscheidende Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Unterlassungsklage nicht einheitlich beantwortet wurde. So ist in MietSlg. 20 158 und in 4 Ob 508/82 ohne nähere Begründung iS eines derartigen Unterlassungsanspruches entschieden worden. Die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, ein Unterlassungsbegehren sei nicht zulässig, entspricht hingegen den Entscheidungen RZ 1981/17, 5 Ob 626/79 und 5 Ob 658/83. Diesen Entscheidungen schließt sich der erkennende Senat an.
Wie in 5 Ob 626/79 und 5 Ob 658/83 dargelegt wurde, ist die Unterlassungsklage ein Mittel des vorbeugenden Rechtsschutzes und kann ein bereits vorgefallenes, der Vergangenheit angehörendes Zuwiderhandeln nicht ungeschehen machen (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 23). Das bereits veräußerte Unternehmen kann der Beklagte nicht neuerlich übertragen. Daß es zur Aufhebung des Unternehmensveräußerungsvertrages und zur Rückabwicklung kommen und der Beklagte sodann wieder das Verbot verletzen werde, ist nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwarten. Es wäre Sache der Kläger gewesen, in erster Instanz darzutun, daß die ernste Besorgnis künftigen Zuwiderhandelns dennoch fortbestehe, weil konkrete Umstände erwarten ließen, daß der Beklagte doch noch in die Lage komme, das Unternehmen neuerlich einer dritten Person zu übertragen (5 Ob 658/83). Überdies begehrten die Kläger nicht die Unterlassung der Weitergabe des Bestandobjektes an dritte Personen, sondern ausdrücklich nur die Unterlassung der Weitergabe an Eduard W. Daß der Beklagte das Objekt, das er an Eduard W bereits übergeben hat, diesem neuerlich übergeben werde, ist aber kaum vorstellbar. Die Rechtsrüge der Kläger ist daher nicht berechtigt.
Zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens führen die Kläger aus, das Berufungsgericht hätte, wenn das Unterlassungsbegehren mangels Wiederholungsgefahr nicht berechtigt sei, das Ersturteil aufheben müssen. Im fortgesetzten Verfahren hätte das Erstgericht die Parteien zu einer allfälligen Erörterung des Klagebegehrens und zu einer allfälligen Klagsänderung anleiten müssen. Der OGH habe in SZ 52/55 dargetan, daß das Gericht das Unterlassungsbegehren ändern könne.
Dem ist entgegenzuhalten, daß die Anleitungspflicht des Gerichtes nicht so weit geht, ein abzuweisendes Klagebegehren durch eine Klagsänderung dahin abzuändern oder zu erweitern, daß die rechtlichen Voraussetzungen für eine Stattgebung doch noch gegeben sein könnten (JBl. 1978, 545; SZ 52/122 ua.). Das Gericht ist wohl berechtigt, dem Klagebegehren eine klarere Fassung zu geben, wie dies in SZ 52/55 der Fall war, es ist aber gemäß § 405 ZPO nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Grundsätzlich kann nur über das gestellte Klagebegehren abgesprochen werden (SZ 52/122).
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