OGH 2Ob601/92(2Ob602/92)

OGH2Ob601/92(2Ob602/92)25.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Johann O*****, vertreten durch Dr.Rudolf Tobler, Dr.Karl-Heinz Götz, Dr.Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in Neusiedl am See, wider die beklagte Partei Karl P*****, vertreten durch Dr.Willibald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 90.000 infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23.Juli 1992, GZ 16 R 63, 64/92-13, womit das Urteil des Landesgerichts für ZRS Wien vom 18.November 1991, GZ 17 Cg 125/91-8, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen und das diesen vorangegangene Verfahren einschließlich Klagszustellung als nichtig aufgehoben.

Die klagende Partei ist schuldig, Karl P*****die mit S 17.305,20 bestimmten Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens und des Revisionsverfahrens (darin S 2.877,20 Umsatzsteuer und S 4.200 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger bezeichnete in der Klage den Beklagten mit "Karl P*****, Privater, 1200 Wien, E*****straße 237 b". Die Klage wurde Karl P***** jun. zugestellt. Er wohnt im selben Haus wie sein Vater, Karl P***** sen., allerdings in einer anderen Wohnung. Das Haus E*****straße 237 b hat mindestens sieben Stiegen mit jeweils mindestens 17 Wohnungen. Der Kläger wollte Karl P***** sen. klagen. Karl P***** sen. ist Pensionist; Karl P***** jun. Laienschauspieler.

Der Kläger begehrt S 90.000 sA. Seine Mutter habe dem Beklagten im Jahre 1985 ein Überbringersparbuch mit einer Einlage von S 350.000 übergeben. Der Beklagte hätte das Guthaben vereinbarungsgemäß dazu verwenden sollen, eine Kaution bei Gericht zu erlegen, um die Enthaftung des Klägers zu ermöglichen. Der Beklagte habe S 300.000 für eigene Zwecke verbraucht. Die Mutter des Klägers habe ihre Ersatzforderung dem Kläger zediert.

Der Beklagte habe seine Rückzahlungsverpflichtung anerkannt. Er habe 1988 S 100.000 und 1989 S 110.000 zurückgezahlt. S 90.000 seien noch offen (ON 1).

Der Beklagte habe einen Sohn gleichen Namens, der vor einigen Jahren an derselben Anschrift wie der Beklagte gewohnt habe. Sollte die Klage Karl P***** jun. zugestellt worden sein, so beantrage der Kläger, die Klage Karl P***** sen. zuzustellen (ON 3).

Dem Kläger sei nicht bekannt gewesen, daß auch Karl P***** jun. in 1020 Wien, E*****straße 237 b, wohne und daß Karl Pfeifer sen. Pensionist sei (ON 4).

Karl P***** jun. beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Er habe weder mit dem Kläger noch mit dessen Mutter jemals irgendwelche Geschäfte getätigt und auch kein Sparbuch übernommen. Er habe kein Anerkenntnis abgegeben (ON 2).

Karl P***** jun. sei am 17.1953 geboren, er wohne an der in der Klagebeantwortung angegebenen Anschrift, sei Privater, und zwar Laienschauspieler. Der Vater des Beklagten, Karl P***** sen., sei Pensionist. Dieser wohne im selben Haus, aber in einer anderen Wohnung. Der Beklagte beantrage, die Klagszustellung für nichtig zu erklären und ihm Kostenersatz zuzuerkennen. Der Kläger habe die nichtige Zustellung durch unrichtige und unzureichende Angaben verschuldet (ON 4).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren und (mit Beschluß) den Antrag des Klägers ab, die Klage Karl P***** sen. zuzustellen. Die Bezeichnung des Beklagten in der Klage treffe sowohl auf Karl P***** sen. als auch auf Karl P***** jun. zu. Das Gericht habe davon ausgehen können, daß sich das Klagebegehren gegen Karl P***** jun. richte. Dieser sei durch die Zustellung der Klage Partei geworden. Eine rechtmäßige Zustellung an Karl P***** sen. sei demnach ausgeschlossen. Das gleiche gelte für eine Berichtigung der Parteienbezeichnung; dadurch wäre an die Stelle des bisherigen Beklagten ein anderes Rechtssubjekt getreten.

Es komme nicht darauf an, ob den Kläger ein Verschulden treffe. Der Kläger habe die Adresse des Beklagten nicht genau angegeben. Auch die Berufsbezeichnung "Privater" sei nur für eine oberflächliche Identifizierung geeignet. Die Bezeichnung treffe sowohl auf Karl P***** sen. als auch auf Karl P***** jun. zu. Von einem Versehen des Zustellorgans könne keine Rede sein. Karl P***** jun. habe vom Inhalt der Klage erst nach deren Erhalt Kenntnis nehmen können. Auch ihn treffe kein Verschulden. Da der Kläger vorgebracht habe, gegen Karl P***** jun. keinerlei Ansprüche zu besitzen, sei das gegen diesen gerichtete Klagebegehren abzuweisen gewesen.

Das Gericht zweiter Instanz gab Berufung und Rekurs nicht Folge. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig und der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei.

Die Klagszustellung sei nicht fehlerhaft gewesen, weil die in der Klage angeführten Identifikationsmerkmale auch auf Karl P***** jun. zuträfen. Auch aus der Klagserzählung ergebe sich kein Anhaltspunkt, daß Karl P***** (jun.) nicht der vom Kläger gemeinte Beklagte sei. In einem solchen Fall schlage die Lehre zwei Lösungen vor: Entweder habe das Gericht die Identität des Beklagten in einem Zwischenstreit zu prüfen und das Verfahren gegebenenfalls für nichtig zu erklären oder der in Anspruch genommene werde Partei und das Klagebegehren sei, werde der Mangel der passiven Klagslegitimation eingewandt, abzuweisen. Die zweite, auch von Fasching (II 114) vertretene Lösung sei vorzuziehen. Sie ermögliche es, die Parteistellung nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Die Frage, in welcher Form ein gegen eine mit dem Beklagten namensgleiche, aber vom Kläger nicht gemeinte Person geführtes Verfahren zu beenden sei, bleibe in der höchstgerichtlichen Judikatur offen. In dem der E SZ 33/129 zugrunde liegenden Fall habe sich schon aus dem Inhalt der Klage ergeben, daß nur der im Vorverfahren Beklagte, Johann A. jun., als Beklagter gemeint sein haben könne. SZ 26/227 bejahe die Rekurslegitimation und den Kostenersatzanspruch eines namensgleichen Prozeßfremden bei der Wiederaufnahme eines unterbrochenen Verfahrens. Auf die Frage der Beendigung des Verfahrens gegen einen Prozeßfremden gehe diese E nicht ein. Der E EvBl 1970/231 sei zu entnehmen, daß der Kommanditgesellschaft, der die Klage zu Unrecht zugestellt worden sei, im weiteren Verfahren der Einwand der mangelnden Passivlegitimation offengestanden wäre. Das Erstgericht sei zutreffend davon ausgegangen, daß Karl P***** jun. Partei geworden sei. Die mit der Klagsabweisung verbundenen Kostenfolgen seien gerechtfertigt. Der Kläger müsse den Beklagten bereits in der Klage derart genau bezeichnen, daß der Zusteller in der Lage sei, den Beklagten auch unter mehreren namensgleichen Personen eindeutig festzustellen. Der Kläger hätte durch eine genaue Berufsbezeichnung, durch Angabe der Türnummer und durch den Zusatz "senior" eine unzweifelhafte Zuordnung der Klage ermöglichen können. Hätte das Erstgericht das Verfahren gegen Karl P***** jun. für nichtig erklärt, so wären die Verfahrenskosten gemäß § 51 Abs 1 ZPO ebenfalls dem Kläger auferlegt worden. Er habe die Einleitung des Verfahrens gegen Karl P***** jun. durch seine ungenauen Angaben in der Klage verschuldet.

Diese Entscheidung bekämpft der Kläger mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, das angefochtene Urteil und das Urteil des Gerichtes erster Instanz aufzuheben und die Rechtssache an die erste Instanz, hilfsweise an das Berufungsgericht, zurückzuverweisen. In eventu wird beantragt, auszusprechen, daß Karl P***** jun. nicht Partei des Rechtsstreites sei und daß dem Gericht erster Instanz die Fortsetzung des Verfahrens gegen Karl P***** sen. aufgetragen werde.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der Revision war wahrzunehmen, daß das Verfahren an einer nicht geltend gemachten Nichtigkeit leidet.

Der Kläger hat den Beklagten in der Klage mit "Karl P*****, Privater, 1200 Wien, E*****straße 237 b" bezeichnet. An der angegebenen Anschrift (die richtig 1020 Wien lautet), wenn auch in verschiedenen Wohnungen, wohnen Karl P***** jun. und Karl P***** sen. Karl P***** jun. ist Laienschauspieler, Karl P***** sen. Pensionist. In der Klagserzählung wird behauptet, daß die Mutter des Klägers "dem Beklagten" ein Überbringersparbuch übergeben und daß dieser es widmungswidrig verwendet habe.

Bei der Beurteilung, wer Partei eines Verfahrens ist, kommt es nicht darauf an, wer als Kläger auftreten wollte und wer als Beklagter in Anspruch genommen werden sollte, sondern Partei ist derjenige, dessen Parteistellung sich aus Vorbringen und Begehren der Klage klar und

deutlich ergibt (RZ 1977/102 = GesRZ 1977, 30 = IndS 1977 H 6/1073;

EvBl 1973/281; siehe auch ÖBl 1985, 82 = RdW 1985, 213). Dazu sind

nicht nur die gemäß § 226 Abs 3, § 75 Z 1 ZPO vorgeschriebenen Angaben im Kopf des Schriftsatzes heranzuziehen, sondern es ist der gesamte Inhalt der Klagsschrift auszulegen (8 Ob 14/92).

Die Angaben im Kopf der Klage treffen sowohl auf Karl P***** sen. als auch auf Karl P***** jun. zu; sowohl ein Pensionist als auch ein Laienschauspieler kann als "Privater" bezeichnet werden. Der Klagserzählung ist nicht zu entnehmen, ob das Sparbuch Karl P***** jun. oder Karl P***** sen. übergeben worden war. Es geht daraus aber hervor, daß der Kläger jene Person klagen wollte, dem seine Mutter das Sparbuch gegeben hatte.

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß der in das Verfahren hineingezogenen verfahrensfremden Person ein Rechtsmittelrecht zusteht (SZ 33/129; SZ 26/227; EvBl 1970/231; 3 Ob 14/85). Nicht eindeutig geklärt erscheint, wie das gegen eine solche Person geführte Verfahren zu beenden ist.

Die Lehre vertritt dazu zwei Auffassungen (Fasching, ZPR2, Rz 326 f):

Fasching (ZPR2 Rz 326 f) meint, die zuletzt genannte Lösung sei vorzuziehen. Ein "Identitätsstreit" könnte nur praeter legem geführt werden. Das kontradiktorische Verfahren in der Hauptsache biete mehr Richtigkeitsgarantien.

Die Auffassung Faschings, der in Anspruch Genommene sei Partei geworden, kann nur für jene Fälle gelten, in denen sämtliche Klagsangaben (auch) auf die Partei zutreffen, der die Klage zugestellt wurde. Im Regelfall besteht die Rechtsbeziehung, auf die sich die Klage stützt, nur zwischen dem Kläger und einer der namensgleichen Personen. Durch ihre Darstellung in der Klagserzählung wird der Wille des Klägers objektiviert und damit für die Bestimmung maßgebend, wer Partei geworden ist. Der in Anspruch Genommene ist eine "Quasi-Partei" (siehe 3 Ob 14/85). Die ihm gegenüber gesetzten Prozeßhandlungen sind nichtig, weil sie, bezogen auf die wirkliche Partei, gegen § 477 Abs 1 Z 4 ZPO verstoßen. Die Identität des in das Verfahren Hineingezogenen ist, ebenso wie das Vorliegen anderer Nichtigkeitsgründe, von Amts wegen zu prüfen (siehe § 473 Abs 2 ZPO).

Der "Identitätsstreit" ist in der Regel kein "Streit". Bestreitet der Kläger die Behauptung des in Anspruch Genommenen, nicht der richtige Beklagte zu sein, so stellt er damit klar, daß sich die Klage ohnedies gegen denjenigen richtet, dem sie zugestellt wurde. Im weiteren Verfahren ist dann dessen Sachlegitimation zu prüfen. Ist aber auch der Kläger der Auffassung, daß die Klage einem Falschen zugestellt wurde, dann und nur dann liegt ein "Identitätsstreit" vor, der aber durch das übereinstimmende Vorbringen beider Parteien sofort geklärt ist.

Im vorliegenden Fall läßt der Kläger keinen Zweifel daran, daß sich sein Anspruch gegen Karl P***** sen. richtet. Er wollte und mußte die Klage gegen Karl P***** sen. einbringen, weil, seiner Behauptung nach, diesem das Sparbuch übergeben worden war.

Auch in dem der E SZ 33/129 zugrunde liegenden Fall war der (Wiederaufnahms)Klage zu entnehmen, gegen wen sie gerichtet war. Beklagter konnte nur Johann A. jun. sein, weil dieser, und nicht Johann A. sen., Partei des Vorprozesses gewesen war. Es wurde daher ausgesprochen, daß durch die Zustellung der Klage an Johnn A. sen. zwischen diesem und dem Kläger nur ein unechtes Prozeßverhältnis entstanden war.

Das Berufungsgericht verweist zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung auf die E EvBl 1970/231. Diese Entscheidung betrifft jedoch einen anders gelagerten Sachverhalt. Der "Z & Co, Realitätenvermittlung und Gebäudeverwaltung", einer Kommanditgesellschaft, war der gegen die "Z & Co, Realitäten- und Kreditvermittlungsgesellschaft mbH" erlassene Wechselzahlungsauftrag zugestellt worden. Der Kommanditgesellschaft wurde das Recht zugestanden, den Beschluß, mit dem die Zustellung des Wechselzahlungsauftrages verfügt wurde, zu bekämpfen. In seinen weiteren, für die Entscheidung nicht mehr relevanten Ausführungen meint der Oberste Gerichtshof, der Kommanditgesellschaft wäre im weiteren Verfahren der Einwand der mangelnden passiven Sachlegitimation offengestanden. Dabei wird außer acht gelassen, daß sich Wechselklage und Wechselzahlungsauftrag gegen die GesmbH und damit gegen ein von der Kommanditgesellschaft verschiedenes Rechtssubjekt richteten. Der Wechselzahlungsauftrag und ein allenfalls ergehendes Urteil hätten nicht gegen die Kommanditgesellschaft vollstreckt werden können. Es besteht daher auch kein Grund, in einem solchen Fall den Einwand der mangelnden Sachlegitimation einzuräumen.

Auch diese Entscheidung führt aber nicht aus, daß der in Anspruch Genommene nur den Einwand der mangelnden Sachlegitimation erheben könnte. Eine solche Beschränkung zwänge den Kläger, ein zweites Mal zu klagen; dem in Anspruch Genommenen brächte sie in Fällen wie dem vorliegenden keinen Vorteil. Es ist daher sachgerecht, das gegen den in Anspruch Genommenen geführte Verfahren einschließlich Klagszustellung für nichtig zu erklären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 51 Abs 1 ZPO. Der Kläger hätte durch genauere Angaben zur Beschäftigung und zur Anschrift des Beklagten sowie allenfalls durch den Zusatz "senior" verhindern können, daß die Klage Karl P***** jun. zugestellt wurde. Ihm ist daher als Verschulden anzulasten, daß Karl P***** jun. in das Verfahren hineingezogen wurde und die gegen ihngesetzten Prozeßhandlungen nichtig sind.

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