Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 10.506,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.751,10 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei, eine in Italien ansässige, aus fünf Gesellschaften bestehende Holding-Gesellschaft, zu deren Geschäftstätigkeiten unter anderem auch Exporte von Kastanien nach Österreich zählen, lieferte im Herbst 1984 bzw. Winter 1984/85 dem Beklagten, einem in Österreich ansässigen Unternehmer, welcher sich in den Jahren 1981 bis 1985 unter anderem auch mit dem Import von Kastanien im Wege über die Klägerin befaßte, in mehreren Etappen Kastanien und stellte hiefür Rechnungen aus, die vom Beklagten bis auf den Klagsbetrag bezahlt wurden. Diesbezüglich verweigert der Beklagte die Zahlung, weil die gelieferte Ware mangelhaft gewesen sein soll. Die klagende Partei bestreitet dies und wendet überdies ein, daß der Beklagte die Ware jedenfalls nicht ordnungsgemäß beanstandet habe.
Hiezu stellte das Erstgericht fest, daß die klagende Partei dem Beklagten u.a. am 13., 18. und 24.Oktober 1984 Kastanien geliefert hatte. Der Beklagte beanstandete diese Lieferungen am 2.November 1984 in einem Telex. Hierauf nahm die klagende Partei am 3.November 1984 einen Teil der letzten Lieferung, der mangelhaft war, zurück und stellte diesen Teil auch nicht in Rechnung.
Die Kastanien wurden zwar wie üblich in Italien vom italienischen Institut für Außenhandel stichprobenweise kontrolliert. Es kann aber vorkommen, daß dennoch mangelhafte Ware die Grenze passiert, weil es bei Edelkastanien Krankheiten gibt, die man von außen nicht erkennt. Dieser Mangel zeigt sich erst zum Zeitpunkt des Verbratens. Zwischen der Auslieferung der Ware bis zum Zeitpunkt des Verbratens sollen höchstens zwei Wochen vergehen. Marktüblich ist, die Kastanien nach der Lieferung probeweise aufzuschneiden. Dadurch kann man grundsätzlich einmal offene Mängel erkennen. Diese muß man dann innerhalb von 24 Stunden dem Lieferanten gegenüber rügen. Versteckte Mängel, das sind Krankheiten zwischen Schale und Frucht, wie Schimmelbildung, zeigen sich erst beim Braten. Diese Mängel können erst dann wahrgenommen und gerügt werden, wenn die entsprechende Rückmeldung vom Verbrater erfolgt. Der Beklagte hätte jedenfalls die Verpflichtung gehabt, die offenen Mängel sofort nach Lieferung wahrzunehmen. Dazu hätte er die einzelnen Säcke öffnen müssen, was er nicht getan hat. Er ließ vielmehr die Säcke verschlossen und wartete die Proberöstungen ab, wodurch mehr als 24 Stunden vergingen.
Die Unterinstanzen gaben dem Klagebegehren in der Hauptsache (und einem Teil des Zinsenbegehrens) statt, weil der Beklagte jedenfalls nicht rechtzeitig gerügt habe.
Hinsichtlich des anzuwendenden Rechtes meinte das Berufungsgericht, gemäß § 36 IPRG sei auf den vorliegenden Fall italienisches Recht anzuwenden. Eine Prüfung der auf diesen Versendungskauf grundsätzlich anzuwendenden Bestimmungen des italienischen Zivilgesetzbuches (Art. 1511 iVm 1495 cod civ) zeige, daß Art. 1495 leg cit einen Gesetzesvorbehalt in Ansehung einer von einem anderen Gesetz festgesetzten Frist enthalte. Da es sich um einen internationalen Warenkauf handle, sei auf den vorliegenden Fall das von Italien ratifizierte Haager Abkommen über ein einheitliches Kaufrecht vom 1.Juli 1964 (EKR) anzuwenden, das abweichend von Art. 1495 cod civ keine achttägige Prüfungsfrist vorsehe, sondern verlange, daß die Ware "promptly" gerügt werde, was nicht geschehen sei.
Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil nach seiner Meinung die Frage des Verhältnisses zwischen dem EKR und dem Codice Civile, also die Möglichkeit einer Verdrängung des letzteren durch das erstere, vom Obersten Gerichtshof bisher nicht geklärt worden sei.
Gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im voll klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO a.F.), im Ergebnis aber nicht berechtigt.
Der Beklagte macht in seiner Revision - soweit sie sich mit dem Sachproblem beschäftigt und nicht nur über die gesellschaftspolitische Ordnung der Oststaaten reflektiert - nur geltend, es sei unrichtig, daß die Bestimmungen des EKR dem innerstaatlichen italienischen Recht vorrangig seien, weil ein völkerrechtlicher Vertrag niemals einen Dritten, der nicht Vertragspartner sei, binden könne. Solle eine solche Auslegung des § 36 IPRG rechtens sein, rege er die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes wegen Zweifel an der Verfassungskonformität dieser Bestimmung an.
Zur Frage der Anwendbarkeit der Regelungen nach dem EKR als innerstaatliches italienisches Recht hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach Stellung genommen (RdW 1986, 145 sowie ausführlich in 6 Ob 511/84 und 6 Ob 631, 632/86), sodaß insoweit kein Grund zur Zulassung einer Revision durch das Berufungsgericht bestanden hätte. Das Berufungsgericht hat aber - wie noch zu zeigen sein wird - bei der Beurteilung dieses Falles den Vorbehalt Italiens i.S. des Art. IV des EKR übersehen. Da der Oberste Gerichtshof auf Grund einer ordnungsgemäß ausgeführten Revision von Amts wegen auch andere als die im Berufungsurteil und in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO a.F. zu prüfen hat (Petrasch, ÖJZ 1983, 178) und eine solche hier vorliegt, weil das Berufungsgericht in einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, handelt es sich um eine zwar zulässige, aber im Ergebnis nicht berechtigte Revision. Die Anwendung italienischen Rechtes kraft Verweisung nach § 36 IPRG wird vom Revisionswerber nicht mehr in Zweifel gezogen. Das fremde Recht ist gemäß § 3 IPRG wie in seinem ursprünglichen Anwendungsbereich anzuwenden (6 Ob 631, 632/86). Ob es sich hiebei um ein rein innerstaatliches fremdes Recht oder um Vertragsrecht handelt, das rite in das fremde Recht als innerstaatliche Norm übernommen wurde, ist gleichgültig. Italien hat das Haager Abkommen über ein einheitliches Kaufrecht vom 1.Juli 1964 (EKR) ratifiziert, ohne einen Vorbehalt iS des Art. III dahin zu erklären, daß dieses nur dann gelten solle, wenn beide Kaufvertragsparteien ihre Niederlassung im Gebiete verschiedener Vertragspartnerstaaten hätten, weshalb dieses Übereinkommen als italienisches Recht bereits dann angewendet werden kann, wenn bloß ein Geschäftspartner - hier also die klagende Partei als Verkäuferin - einem Vertragsstaat (hier Italien) angehört (vgl. Riese, RabelsR 1965, 97; v Caemmerer, ebendort 141 ua.).
Dagegen bestehen - wie sich aus den bereits zitierten E. 6 Ob 511/84 und 6 Ob 631, 632/86 und im übrigen auch aus dem von Österreich ratifizierten, aber auf den vorliegenden Fall noch nicht anwendbaren, ähnlich konstruierten U*** (BGBl. 96/1988) ergibt - keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Wie der Oberste Gerichtshof bereits in den E. 6 Ob 511/84 und 6 Ob 631, 632/86 ausführlich dargelegt hat, führt die Anwendung des italienischen Rechtes gemäß § 36 IPRG im Zusammenhalt mit dem Haager Übereinkommen vom 15.Juni 1955 betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen anzuwendende Recht (HaagerKauf-IPR) grundsätzlich zur Anwendung des Haager Übereinkommens vom 1.Juli 1964 zur Einführung eines einheitlichen Gesetzes über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKR) (vgl. Dölle, Komm. zum Einheitskaufrecht, RN 12 f. und 18 vor Art. 1 bis 8 ua.). Dies deshalb, weil Italien zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhaltes noch Vertragsstaat der beiden genannten Übereinkommen war (es wurde von Italien zum 31.Dezember 1987 gekündigt, vgl. Palandt, BGB48, 478), nach Art. 3 des Haager-Kauf-IPR das Recht des Verkäuferlandes maßgebend ist, und auch die Voraussetzungen der Art. 1 bis 7 EKR gegeben sind, insbesondere ein Kaufvertrag im Sinn des Art. 1 Abs 1 EKR vorliegt und kein Ausschluß der Anwendung des EKR im Sinn des Art. 3 EKR behauptet wurde oder hervorgekommen ist. Da Italien als Vertragsstaat des Haager-Kauf-IPR vom Vorbehalt des Art. IV EKR Gebrauch gemacht hat, gehen die Regeln des Haager-Kauf-IPR jenen des EKR vor (Dölle, aaO RN 13; vgl. auch Riese, aaO 97; v Caemmerer, aaO 142). Nach Art. 4 des Haager-Kauf-IPR werden unter anderem die Modalitäten der Untersuchung sowie die Rüge gesondert angeknüpft und dem Recht des Lieferortes unterworfen, so daß diesbezüglich nicht die Vorschriften des EKR, sondern jene des Lieferortes maßgeblich sind (Zweigert-Drobnig, RabelsZ 1965, 157 f.). Insofern wird durch das HaagerKauf-IPR auf österreichisches Recht - der Lieferort liegt in Österreich - zurückverwiesen, was möglich ist (vgl. Jayme in FS-Beitzke 544 ff.).
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Frage, wann und wie die Ware zu untersuchen und dann welche Mängelanzeigen zu machen waren, nicht, wie das Berufungsgericht meinte, nach EKR, sondern nach österreichischem Recht zu beurteilen ist, während für die übrigen Fragen italienisches Recht, insbesondere das den Codice Civile verdrängende EKR anzuwenden ist (6 Ob 511/84; 6 Ob 631, 632/86).
Damit ist aber im Ergebnis für den Beklagten nichts gewonnen. Er hat nicht nur nicht "promptly" iS des EKR, sondern auch nicht "unverzüglich" iS des § 377 HGB gerügt.
Nach den getroffenen Feststellungen ist es branchenüblich - und hierauf kommt es bei der Art und Weise der Untersuchungs- und Rügepflicht an (SZ 53/63; EvBl 1981/125 ua) -, die Kastanien nach Lieferung probeweise aufzuschneiden und die daraus erkennbaren offenen Mängel binnen 24 Stunden zu rügen. Dies hat aber der Beklagte nicht getan, sondern auf die Proberöstungen seiner Abnehmer gewartet. Ein Händler, der die zur Weiterveräußerung bestimmten Waren bis zu ihrer Weiterveräußerung auch nicht stichprobenweise (8 Ob 513/80 ua.) besichtigt, begibt sich bei einer solchen Geschäftsabwicklung der rechtlichen Möglichkeit, die Waren gegebenenfalls rechtzeitig zu beanstanden (SZ 43/53; vgl. auch SZ 53/164 ua.). Das Unterlassen einer branchenüblichen zumutbaren Untersuchung führt zur Genehmigung der Ware (6 Ob 599/80 ua.). Da der Beklagte die Lieferungen vom 13. und 18.Oktober 1984 - den mangelhaften Teil der Lieferung vom 24.Oktober 1984 hat die klagende Partei ohnedies zurückgenommen erstmals am 2.November 1984 rügte und die Rüge somit verspätet ist, hat er sich seiner allfälligen Gewährleistungsansprüche begeben und muß somit den noch offenen Kaufpreis bezahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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