OGH 2Ob59/18t

OGH2Ob59/18t28.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach R* G*, verstorben am * 2015, zuletzt wohnhaft in *, oder in *, über den Revisionsrekurs der Antragsteller 1. J* D*, 2. G* G*, 3. M* G*, 4. Ing. U* G*, 5. C* M*, 6. G* N*, 7. Y* N*, 8. E* S*, und 9. M* G*, alle vertreten durch Dr. Ulrike Christine Walter, Rechtsanwältin in Kötschach-Mauthen, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Jänner 2018, GZ 42 R 268/17y‑77, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 27. März 2017, GZ 8 A 32/16v‑22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E124730

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriftsätze selbst zu tragen.

 

Begründung:

R* G* war italienische Staatsbürgerin und verstarb unverheiratet sowie kinderlos am 24. 10. 2015 in Rom. Ihre nächsten Verwandten sind – soweit bekannt – Cousins und Cousinen sowie Großcousins und Großcousinen in der väterlichen Linie. Der Wert des Vermögens der Verstorbenen beläuft sich auf über zwei Millionen Euro.

Mit Dekret vom 10. 12. 2015, veröffentlicht in der Gazetta Ufficiale am 31. 12. 2015, bestellte das Tribunale ordinario di Roma eine italienische Rechtsanwältin zur Kuratorin für den ruhenden Nachlass. Am 24. 2. 2016 fand in der Kanzlei der Kuratorin ein Treffen statt, an welchem jedoch nur einige Angehörige der Verstorbenen teilnahmen.

Ebenfalls am 24. 2. 2016 ersuchte der nach der Verteilungsordnung in Österreich zuständige Gerichtskommissär das Erstgericht unter Vorlage einer italienischen Sterbeurkunde sowie einer Auskunft aus dem Zentralen Melderegister, die einen Wohnsitz in Wien auswies, um die Einleitung des Verlassenschaftsverfahrens. Mit Schreiben vom 21. 4. 2016 verständigte er die Kuratorin in Italien, dass die Zuständigkeit zur Abhandlung in Österreich beansprucht werde.

Am 2. 5. 2016 gaben vier Cousins und Cousinen der Verstorbenen sowie eine Großcousine (in der Folge: italienische Erben) in Rom vor einem Notar eine Erbannahmeerklärung unter Vorbehalt der Inventarserrichtung ab.

Mit Beschluss des Tribunale ordinario di Roma vom 17. 6. 2016 wurde der Tätigkeitsbericht der Kuratorin vom 26. 5. 2016 genehmigt, deren Vergütung zu Lasten der gemeinschaftlich haftenden Erben, die in Italien die Erbannahmeerklärung abgegeben hatten, bestimmt und die Kuratorin ermächtigt, alle Einkünfte aus der Erbschaft sowie alle in ihrem Besitz befindlichen Sachen, Unterlagen oder Dokumente, welche die Erbschaft betreffen, an die genannten fünf Erben zu übergeben. Schließlich wurde der ruhende Nachlass der Verstorbenen als abgeschlossen und die Funktion der Kuratorin als beendet erklärt.

Bereits mit Schriftsatz vom 7. 6. 2016 hatten andere neun Großcousins und Großcousinen (in der Folge: Antragsteller) im österreichischen Verfahren ihre Absicht erklärt, die Erbschaft nach der Erblasserin anzunehmen und diverse Anträge gestellt. Mit Schriftsatz vom 4. 8. 2016 gaben sie bedingte Erbantrittserklärungen zum gesamten Nachlass ab. Dazu brachten sie zusammengefasst vor, die Verstorbene habe ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Wien gehabt. Dies ergebe sich aus dem Hinweis in der italienischen Sterbeurkunde „residente a Wien (AUSTRIA)“, ferner aus dem Umstand, dass die Verstorbene in Rom im Register der im Ausland wohnhaften/ansässigen Italiener mit Wohnsitz in * eingetragen sei, und schließlich daraus, dass sie diese Wohnung käuflich erworben habe, während ihr die Immobilien in Italien im Wege der Erbfolge zugekommen seien. Nach der EuErbVO sei daher die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte gegeben und österreichisches Erbrecht anzuwenden. Auch sehe die italienische Rechtsordnung kein dem österreichischen Verlassenschaftsverfahren entsprechendes, von Amts wegen einzuleitendes „gerichtliches“ Abhandlungsverfahren vor. Gemäß Art 484 Codice Civile sei die Annahme der Erbschaft mit Vorbehalt der Inventarserrichtung von einem Notar oder Kanzleibeamten, in dessen Sprengel die Erbfolge eröffnet worden sei, aufzunehmen und sodann in das bei eben diesem Gericht geführte Register einzutragen. Die in Italien bestellte Kuratorin sei nach der Annahme der Erbschaft vor dem italienischen Notar gemäß Art 532 Codice Civile aus ihrem Amt ausgeschieden und das Kuratorenverfahren vor dem Tribunale di Roma sei beendet. Damit sei lediglich das Verlassenschaftsverfahren in Österreich anhängig und ergäben sich keine Anhaltspunkte für einen Zuständigkeitskonflikt und die Notwendigkeit eines Vorgehens nach Art 17 EuErbVO. Die Erblasserin sei zum Zeitpunkt des Todes Alleineigentümerin der genannten Eigentumswohnung in Wien und – näher genannter – Immobilien in Italien gewesen und habe über mehrere Bankkonten in Italien, Österreich und der Schweiz verfügt.

Mit Schriftsatz vom 18. 11. 2016 replizierten die Antragsteller auf eine Eingabe eines der italienischen Erben vom 28. 10. 2016 an den Gerichtskommissär, die erst am 11. 4. 2017 (somit nach Beschlussfassung des Erstgerichts) nach Aufforderung durch den Gerichtskommissär im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht und zum Verlassenschaftsakt genommen wurde. In dieser Replik bezweifeln die Antragsteller die Richtigkeit bzw Aussagekraft der vom italienischen Erben vorgelegten Dokumente betreffend den gewöhnlichen Aufenthalt der Erblasserin zum Todeszeitpunkt in Rom und führen näher aus, dass es sich beim italienischen Kuratorenverfahren um kein Abhandlungsverfahren handle. Eine allfällige Rechtsanhängigkeit im Sinn der EuErbVO habe in Italien erst ab der Abgabe der Erbannahmeerklärung vor dem italienischen Notar bestanden, weshalb das dann zuerst angerufene österreichische Gericht die Zuständigkeitsentscheidung zu treffen habe.

Das Erstgericht sprach seine (internationale) Zuständigkeit für die Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens aus. Eine den Voraussetzungen des Art 14 EuErbVO genügende Anrufung eines Gerichts sei in Italien nicht erfolgt, weil die bestellte Kuratorin die Verlassenschaft lediglich verwaltet habe und weder Gericht noch sonstige Behörde oder Angehörige von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen iSd Art 3 Abs 2 EuErbVO gewesen sei. Die Erblasserin habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt ihres Todes in * gehabt, weshalb die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte gegeben sei. Mit einem weiteren Beschluss bestellte es zur Wahrung der Interessen der Verlassenschaft einen Verlassenschaftskurator.

Das Rekursgerichtgab den Rekursen dreier italienischer Erbansprecher gegen die Zuständigkeitsentscheidung Folge und wies die Anträge auf Durchführung eines Verlassenschaftsverfahrens in Österreich mangels inländischer Gerichtsbarkeit ab (Pkt 1). Den Beschluss auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators behob es ersatzlos (Pkt 2). Es bestünden Bedenken gegen die gerügte Feststellung des Erstgerichts über den letzten gewöhnlichen Aufenthalt der Verstorbenen in Österreich. In Italien sei in der Erbschaftssache aber ohnehin ein nach italienischem Recht abschließendes Verfahren im Sinne der EuErbVO durchgeführt worden, das mit der Bestellung der Nachlasskuratorin noch vor dem österreichischen Verfahren eingeleitet worden sei. Das italienische Gericht habe im Wege der Genehmigung des Tätigkeitsberichts der Nachlasskuratorin mit Beschluss auch über das Inventar und die Ausfolgung des Nachlassvermögens an jene Erben entschieden, die bereits eine Annahmeerklärung abgegeben gehabt hätten. Da dieses Verfahren bereits abgeschlossen sei, müsse über die Aussetzung des österreichischen Verfahrens nicht mehr entschieden werden, sondern es sei sofort die Unzuständigkeit des später angerufenen Erstgerichts wahrzunehmen.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage der Qualifizierung des in Italien in dieser Verlassenschaftssache durchgeführten Verfahrens iSd Art 17 EuErbVO zu.

Nur gegen Pkt 1. dieser Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Abänderungsantrag auszusprechen, dass das Verlassenschaftsverfahren in Österreich durchzuführen sei. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die drei italienischen Erben beantragen in ihren Revisionsrekursbeantwortungen, den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist mangels einschlägiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zulässig; er ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Für die österreichische internationale Zuständigkeit in Verlassenschaftssachen ist seit ihrem Inkrafttreten am 17. 8. 2015 die EuErbVO maßgeblich. Diese hat ein für die Mitgliedstaaten zwingendes Zuständigkeitsregime ausschließlicher Zuständigkeiten geschaffen (Deixler-Hübner in Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO [2015] Vor Art 4 ff Rz 13 mwN). Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich nach ihrem Art 1 und ErwGr 9 auf alle zivilrechtlichen Aspekte der Rechtsnachfolge von Todes wegen. Diese Zuständigkeitskonzentration gilt für streitige und nicht streitige Erbverfahren, bezieht sich aber nur auf „Entscheidungen von Gerichten“ (Deixler-Hübner in Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO Vor Art 4 ff Rz 24 mwN).

2. Tragende Begründung der Entscheidung des Rekursgerichts ist, dass auch in Italien ein „Gericht“ iSd EuErbVO tätig geworden sei und deshalb auch ein „anzuerkennendes“ Verfahren über die Rechtsnachfolge von Todes wegen iSd EuErbVO vorliege. Dem kann nicht gefolgt werden:

2.1. Grundlage der Entscheidung des Rekursgerichts war Art 17 EuErbVO. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

(1) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Verfahren wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.

(2) Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig.

 

Wann ein Gericht als angerufen im Sinn dieser Bestimmung gilt, ergibt sich aus Art 14 EuErbVO. Maßgebend ist danach bei auf Antrag einzuleitenden Verfahren – nach dem Vorbild von Art 30 EuGVVO 2001 – der erste nach dem anwendbaren Verfahrensrecht vom Kläger oder Antragsteller zu setzende Schritt im Zusammenhang mit dem verfahrenseinleitenden Schriftstück (Einreichung bei Gericht oder Übergabe an das Zustellorgan), bei von Amts wegen einzuleitenden Verfahren hingegen der Einleitungsbeschluss oder, wenn ein solcher nicht zu fassen ist, die „Eintragung“ der Sache beim Gericht.

2.2. Im vorliegenden Fall war in Bezug auf den Nachlass der Erblasserin jedenfalls am 10. 12. 2015 ein italienisches Verfahren anhängig (Bestellung der Kuratorin), während ein solches Verfahren in Österreich erstmals am 24. 2. 2016 bei Gericht eingetragen wurde. Das Erstgericht war damit jedenfalls das später angerufene Gericht. Es hätte daher nach Art 17 Abs 1 EuErbVO prüfen müssen, ob (a) die Verfahren „denselben Anspruch“ betrafen und (b) zwischen „denselben“ Parteien „anhängig“ waren. Bei der Bejahung dieser Fragen hätte es die in Art 17 EuErbVO vorgesehenen Schritte setzen müssen.

2.3. Allerdings wurde das italienische Verfahren mit dem Beschluss des Tribunale ordinario di Roma vom 17. 6. 2016 beendet. Seit diesem Zeitpunkt gab es kein italienisches Verfahren, das zu den Folgen des Art 17 EuErbVO führen konnte. Diese Bestimmung war daher bei Fassung des erstinstanzlichen Beschlusses (27. 3. 2017) nicht mehr anwendbar. Vielmehr ist nun zu fragen, ob (a) die österreichischen Gerichte für das hier anhängige Verlassverfahren international zuständig sind und (b) ob eine anzuerkennende Entscheidung eines italienischen Gerichts einem solchen Verfahren entgegensteht. Wie auch nach nationalem Recht (Mayr in Fasching/Konecny³ § 233 ZPO Rz 36) wird daher die Frage der Streitanhängigkeit nach Abschluss eines der konkurrierenden Verfahren durch die Frage der Rechtskraftwirkung der dort ergangenen Entscheidung abgelöst (McGuire, Verfahrenskoordination und Verfahrensunterbrechung im Europäischen Prozessrecht [2004] 109, 198 f; Schlosser/Hess, EU‑Zivilprozessrecht4 [2015] Art 29 EuGVVO Rz 15).

3. Aus verfahrensökonomischen Gründen ist zunächst diese Frage zu prüfen. Ein österreichisches Verfahren wäre unzulässig, wenn ihm die Einmaligkeitswirkung einer anzuerkennenden italienischen Entscheidung entgegenstünde. Maßgebend ist daher, ob die Entscheidung des Tribunale ordinario di Roma vom 17. 6. 2016 oder allenfalls Maßnahmen der Kuratorin (a) iSd EuErbVO anzuerkennen sind und (b) im Fall der Anerkennung Wirkungen entfalten, die ein österreichisches Verfahren ausschließen. Dazu ist Folgendes zu erwägen:

3.1. Nach Art 39 Abs 1 EuErbVO werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf (Ipso-iure-Anerkennung). Unter „Entscheidung“ ist nach Art 3 Abs 1 lit g EuErbVO „jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats in einer Erbsache erlassene Entscheidung ungeachtet ihrer Bezeichnung [...]“ zu verstehen. Der für diese Definition maßgebende Begriff „Gericht“ wird in Art 3 Abs 2 EuErbVO wie folgt definiert:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Begriff 'Gericht' jedes Gericht und alle sonstigen Behörden und Angehörigen von Rechtsberufen mit Zuständigkeiten in Erbsachen, die gerichtliche Funktionen ausüben oder in Ausübung einer Befugnisübertragung durch ein Gericht oder unter der Aufsicht eines Gerichts handeln, sofern diese anderen Behörden und Angehörigen von Rechtsberufen ihre Unparteilichkeit und das Recht der Parteien auf rechtliches Gehör gewährleisten und ihre Entscheidungen nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sie tätig sind,

a) vor einem Gericht angefochten oder von einem Gericht nachgeprüft werden können und

b) vergleichbare Rechtskraft und Rechtswirkung haben wie eine Entscheidung eines Gerichts in der gleichen Sache.“

3.2. Rechtliche Konsequenz der Qualifikation einer Behörde oder einer Person als „Gericht“ ist – neben der Bindung an die Zuständigkeitsvorschriften der EuErbVO – die Anerkennung und gegebenenfalls Vollstreckung der von diesen gesetzten Maßnahmen nach den Art 39 ff EuErbVO. Ist die Behörde oder Person demgegenüber nicht als Gericht zu qualifizieren, richtet sich die Wirksamkeit der von ihnen gesetzten Maßnahmen nach jenem Recht, das von den Kollisionsnormen des Kapitels III der EuErbVO berufen wird (Deixler-Hübner in Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO [2015] Art 3 Rz 41 f mwN; Traar in Burgstaller et al, IZVR, Die EU-Erbrechtsverordnung [2016], Art 3 Rz 27); allenfalls kann eine von einer solchen Person oder Stelle errichtete Urkunde als öffentliche Urkunde iSv Art 3 Abs 1 lit i EuErbVO zu qualifizieren sein.

3.3. Auf dieser Grundlage können auch „Angehörige von Rechtsberufen“ als „Gericht“ qualifiziert werden. Auf die hier tätig gewordene Kuratorin trifft das aber keinesfalls zu.

(a) Einerseits haben die Mitgliedstaaten nach Art 3 Abs 2 EuErbVO der Kommission die in dieser Bestimmung genannten „sonstigen Behörden und Angehörigen von Rechtsberufen“ mitzuteilen, wobei die Kommission nach Art 79 Abs 1 EuErbVO eine Liste zu erstellen hat (vgl Traar in Burgstaller et al, EU‑Erbrechtsverordnung Art 3 Rz 26). Italien hat insoweit, wie sich aus den Informationen im Europäischen Justizportal ergibt (https://beta.e-justice.Europa . eu/380/DE/succession?ITALY&member=1), eine Leermeldung erstattet.

(b) Andererseits ist auch in der Sache nicht erkennbar, dass die Kuratorin nach italienischem Recht Entscheidungen treffen könnte und die Bedingungen des Art 3 Abs 2 EuErbVO erfüllte: Der Kurator wird vom örtlich zuständigen Gericht (tribunale) bestellt (Art 528 Abs 1 Codice civile [CC]). Er ist nicht Vertreter der präsumtiven Erben (Hausmann/Trabucchi in Ferid/Firsching/Dörner/ Hausmann, Internationales Erbrecht, Italien [2014], Rz 564; vgl auch Reiß, Internationales Erbrecht. Italien3 [2014] Rz 409). Vielmehr hat er den Nachlass – auf seine Erhaltung beschränkt – zu verwalten und ein Inventar zu errichten. Seine Zuständigkeit umfasst nach Art 529 ff CC auch das Betreiben von Forderungen des Nachlasses und die Stellungnahme zu gegen ihn geltend gemachten Ansprüchen, sowie – nach gerichtlicher Genehmigung – die Erfüllung von Erbschaftsschulden und unwidersprochenen Vermächtnissen (Eccher in Eccher/Schurr/Christandl, Handbuch Italienisches Zivilrecht [2009] Rz 6/195; Christandl, Der italienisch-österreichische Erbfall, NZ 2017, 201 [213]; Hausmann/Trabucchi in Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Italien, Rz 564; Reiß, Internationales Erbrecht. Italien, Rz 409 f). Er untersteht gerichtlicher Aufsicht (Art 782 Codice di Procedura Civile). Damit unterscheidet er sich nicht wesentlich von einem Verlasskurator nach österreichischem Recht, der selbstverständlich nicht als Gericht iSd EuErbVO anzusehen ist (vgl Frodl/Kieweler, Historische Entwicklung und Anwendungsbereich der Verordnung, in Rechberger/Zöchling-Jud, Die EU-Erbrechtsverordnung in Österreich [2015] Rz 74).

3.4. Damit verbleibt die Frage, ob die – an sich jedenfalls anerkennungsfähige – Entscheidung des Tribunale ordinario di Roma vom 17. 6. 2016 Wirkungen entfaltet, die einem österreichischen Verlassverfahren entgegenstehen.

(a) Anerkennung bedeutet (auch) im Anwendungsbereich der EuErbVO Wirkungserstreckung (K. Binder in Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO Art 39 Rz 21 mwN; zur entsprechenden Problematik in [anderen] Zivil- und in Handelssachen EuGH C-145/86 , Hoffmann/Krieg; C‑456/11 , Gothaer Allgemeine Versicherung AG). Die italienische Entscheidung hat daher in Österreich – ohne dass es eines konstitutiven Anerkennungsverfahrens bedürfte – dieselben Wirkungen wie in Italien. Wären diese Wirkungen einem Einantwortungsbeschluss vergleichbar, stünde dies einer österreichischen Abhandlung entgegen. Erbansprecher wären dann – österreichische Zuständigkeit vorausgesetzt – auf die Erbschaftsklage verwiesen.

(b) Das italienische Erbrecht kennt kein dem österreichischen Recht vergleichbares Verlassverfahren und selbst einen (bloß deklarativen) „Erbschein“ nur in den vormals österreichischen Regionen (Eccher in Eccher/Schurr/Christandl, Handbuch Rz 6/191; Christandl, NZ 2017, 213). Die Erbschaft wird nach Art 459 CC durch die Annahme (accettazione), ein einseitiges, nicht empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft, erworben (Hausmann/Trabucchi in Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Italien Rz 568; Christandl, NZ 2017, 213; Eccher in Eccher/Schurr/Christandl, Handbuch Rz 6/196). Die Erbschaft kann nach Art 474, 475 CC ausdrücklich in einer öffentlichen oder privaten Urkunde oder stillschweigend (dann ohne Vorbehalt der Inventarserrichtung) angenommen werden. Letztere besteht nach Art 476 CC in der Vornahme von Rechtshandlungen, die notwendigerweise den Willen des Berufenen zur Annahme der Erbschaft voraussetzen (Eccher in Eccher/Schurr/Christandl, Handbuch Rz 6/202; Christandl, NZ 2017, 214), wie dem Verfügen über Nachlassgegenstände (Cubeddu Wiedemann/Wiedemann in Süß, Erbrecht in Europa [2015] Rz 216). Wurde die Erbschaft noch nicht angenommen und sind die Berufenen noch nicht im Besitz der Nachlassgegenstände, kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen einen Kurator für den Nachlass (curatore dell‘eredità giacente) bestellen, der damit in den Zustand des „ruhenden Nachlasses“ (eredità giacente) tritt (Art 528 ff CC; vgl Reiß, Internationales Erbrecht. Italien³ Rz 407; Eccher in Eccher/Schurr/Christandl, Handbuch Rz 6/195; Christandl, NZ 2017, 213; Hausmann/Trabucchi in Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Italien Rz 564). Dessen Befugnisse enden allerdings mit der Annahme der Erbschaft (Art 532 CC). Seine Tätigkeit bezieht sich daher nicht auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen, sondern auf die Bewahrung des Nachlasses bis zum Vollzug dieses Übergangs auf anderem Weg (Reiß, Internationales Erbrecht. Italien Rz 409).

(c) Auf dieser Grundlage entfaltet aber auch der Beschluss des Tribunale ordinario di Roma vom 17. 6. 2016 keine Wirkungen, die einem österreichischen Verlassverfahren entgegenstünden. Er betraf ausschließlich Maßnahmen der Kuratorin in Bezug auf den von ihr verwahrten Nachlass (bzw die von ihr verwahrten Nachlassteile); sein Gegenstand war gerade nicht eine der österreichischen Einantwortung vergleichbare konstitutive (wenngleich durch Erbschaftsklage korrigierbare) Regelung des Erbschaftserwerbs. Denn dieser Erwerb erfolgt nach italienischem Recht, wie dargestellt, durch ausdrückliche oder schlüssige Annahme der Erbschaft, also nicht aufgrund gerichtlicher Entscheidung, sondern durch privatautonome Erklärung.

4. Weder Maßnahmen der Kuratorin noch die Entscheidung des Tribunale ordinario di Roma stehen daher einer österreichischen Abhandlung entgegen. Damit stellt sich die Frage der internationalen Zuständigkeit. Dafür ist der gewöhnliche Aufenthalt der Erblasserin im Todeszeitpunkt maßgebend (Art 4 EuErbVO; vgl jüngst 2 Ob 124/18a mwN). Die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichts hielt das Rekursgericht zu Recht für nicht ausreichend. Um weitere Feststellungen im Sinn der Vorgaben des Rekursgerichts zu ermöglichen, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben, und die Sache ist zur neuerlichen Entscheidung über die internationale Zuständigkeit an das Erstgericht zurückzuverweisen. Sollte das Erstgericht aufgrund ergänzter Feststellungen einen letzten gewöhnlichen Aufenthalt der Erblasserin in Österreich bejahen, wäre der Nachlass hier abzuhandeln. In diesem Fall wäre (vorbehaltlich einer allfälligen Rechtswahl iSv Art 22 EuErbVO) auch der Erbschaftserwerb nach österreichischem Recht zu beurteilen (Art 21 iVm Art 23 Abs 1 lit e EuErbVO). In Italien aufgrund italienischen Rechts abgegebene Erklärungen einzelner Erbansprecher könnten daher mangels Anwendbarkeit dieses Rechts keine Wirkungen entfalten.

5. Ein Kostenersatz findet im vorliegenden Verfahren nach § 185 AußStrG nicht statt.

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