Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck wurde festgestellt, daß die beklagten Parteien dem Kläger für alle künftigen Schäden, die diesem aufgrund des Unfalls vom 31.7.1989 in Erpfendorf, Tirol, noch entstehen sollten, zur Gänze und zur ungeteilten Hand Schadenersatz zu leisten haben, die zweitbeklagte Partei jedoch nur im Rahmen des Versicherungsvertrages, wie er am Unfallstag für den PKW der Erstbeklagten bestanden hat.
Der Kläger begehrt die Verurteilung der beklagten Parteien zur Zahlung von S 500.000 sA aus dem Titel des Ersatzes des Wertes von Eigenleistungen, die er unfallsbedingt bei der beabsichtigten Errichtung eines Eigenheimes nicht mehr erbringen könne. Ursprünglich habe er den Bau eines Hauses in Ziegelbauweise geplant gehabt und hätte dabei einen großen Teil der Arbeiten selbst verrichten bzw die Bauführung auch in Eigenregie durchführen können. Wegen der Unfallsfolgen sei nunmehr die Errichtung eines Fertigteilhauses vorgesehen, das voraussichtlich S 3,547.280 kosten werde. Der Kläger hätte bei der Wahl der Ziegelbauweise zumindest einen Wertanteil von S 500.000 durch eigene Tätigkeit schaffen können. Bei dieser Bauweise hätte sein Schwager "auf Gegenseitigkeit" geholfen; der Kläger hätte diese Arbeitsleistungen des Schwagers durch entsprechende Mithilfe bei dessen Hausbau rückvergüten müssen, weshalb auch die Arbeitsleistungen des Schwagers voll anrechenbar seien. Als Rechtstitel für den begehrten Schadenersatz werde Verdienstentgang geltend gemacht.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, ein ersatzpflichtiger Schaden sei dem Kläger noch nicht erwachsen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen ab. Es vertrat die Auffassung, bisher sei das Entstehen von Baukosten beim Kläger zu verneinen, weil er mit einem Hausbau auf eigene Rechnung noch gar nicht begonnen habe. Er begehre vielmehr einen von ihm behaupteten hypothetischen zukünftigen Schaden, welcher aber in seinem Vermögen noch nicht real eingetreten sei. Der wirkliche Schadenseintritt sei jedoch unabdingbare Voraussetzung, um überhaupt einen Anspruch auf Naturalherstellung im Sinne des § 1323 ABGB begehren zu können. Dieser Anspruchsvoraussetzung könne sich der Kläger auch nicht unter Hinweis auf eine Vorschußpflicht des Schädigers entziehen, weil auch eine solche nur für die Wiederherstellungskosten eines bereits real eingetretenen Schadens gelte.
Das Gericht zweiter Instanz hob infolge Berufung des Klägers das erstgerichtliche Urteil auf, trug dem Erstgericht die Verfahrensergänzung und eine neuerliche Entscheidung auf und sah den Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO für zulässig an. Der Schadensbegriff des § 1293 erster Satz ABGB umfasse nur den konkreten Schaden, weshalb eine bloß theoretische Möglichkeit eines künftigen Schadenseintrittes nicht ausreiche. Dabei werde aber vom Erstgericht übersehen, daß die Sonderregelung des § 1325 ABGB im Falle einer Körperverletzung und der dadurch eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit des Verletzten auch den künftig entgehenden Verdienst als ersatzfähig normiere. Nach der Rechtsprechung sei dieser Verdienstentgang der Ausfall dessen, was dem Verletzten durch die Minderung seiner Erwerbsfähigkeit entgehe. Darunter falle nicht nur die Tätigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses oder die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit, sondern jede Tätigkeit, durch die der Verletzte für sich selbst Vermögen schaffe, so zB der Bau eines Hauses auf eigenem Grund (SZ 50/77) oder der Bau eines dem Verletzten und dessen Ehegattin gehörenden Hauses (EFSlg 41.111). Dem Vorbringen des Klägers sei zu entnehmen, daß dieser als Rechtstitel für seinen Schadenersatzanspruch unter anderem auch konkreten Verdienstentgang geltend mache. Bei der Berechnung sei mit Hilfe der Differenzmethode festzustellen, welche Einkommensverringerung infolge der Körperverletzung konkret eintrete, es werde also eine wirkliche Vermögenseinbuße berücksichtigt (ZVR 1985/11). Dabei sei darauf Bedacht zu nehmen, welchen Verdienst der Geschädigte ohne Unfall bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge voraussichtlich erzielt hätte (ZVR 1979/232; ZVR 1987/113). Welches Einkommen der Geschädigte bei Ausnützung einer Erwerbsfähigkeit ohne die Unfallsfolgen erzielt hätte, könne nur aufgrund hypothetischer Feststellungen über einen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Geschehensablauf beurteilt werden (ZVR 1979/232; ZVR 1987/113; ZVR 1988/130; Reischauer in Rummel2 Rz 23 f zu § 1325). Der Ersatz für Verdienstentgang könne unter Umständen auch durch einen Kapitalsbetrag zugesprochen werden, insbesondere wenn hiefür ein wichtiger, vom Kläger zu behauptender und zu beweisender Grund vorliege, und nur, wenn eine solche Abfindung dem Ersatzpflichtigen auch wirtschaftlich zumutbar sei. Die Zumutbarkeit sei insbesondere bei Deckung durch eine Versicherung gegeben. Die Beweislast für die Voraussetzungen der Kapitalsabfindung trage der Geschädigte. Es sei auch diesbezüglich eine Wahrscheinlichkeitsberechnung vorzunehmen.
Die Prüfung des Parteivorbringens unter Heranziehung der dargelegten Rechtsgrundsätze ergebe, daß das Erstgericht das Klagebegehren zu Unrecht ohne Aufnahme von Beweisen abgewiesen habe. Im fortgesetzten Verfahren werde zunächst das bisherige Tatsachenvorbringen der Streitteile mit diesen zu erörtern sein, auch werde den Prozeßparteien die Möglichkeit einzuräumen sein, ihre Tatsachenbehauptungen zum nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Geschehensablauf zu ergänzen und zu präzisieren. Dabei werde es Aufgabe des Klägers sein, seine Tatsachenbehauptungen zu seinen Hausbauplänen, wie sie ohne den streitgegenständlichen Unfall bestanden hätten, in bezug auf den chronologischen Ablauf, den Umfang, die Kosten sowie auf die Wertschöpfung durch seine eigene Arbeit (einschließlich der "Naturalrestitution" beim Hausbau seines Schwagers) zu konkretisieren. Ebenso sei das Tatsachenvorbringen zum Begehren auf Abgeltung des Verdienstentganges durch einen Kapitalbetrag ergänzungsbedürftig.
Die Behauptungs- und Beweislast für den unfallskausalen Verdienstentgang in Form des Wegfalls der Möglichkeiten des Klägers, an der Wertschöpfung beim Hausbau mitzuwirken, treffe grundsätzlich den Kläger, während es den beklagten Parteien offenstehe, zu behaupten und zu beweisen, daß der Geschädigte (Kläger) durch zumutbare Maßnahmen im Sinn der gebotenen Schadenminderungspflicht die Schadenshöhe hätte verringern können.
Der Rekurs sei zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorgefunden worden sei, ob der unfallsbedingte Ausfall der Wertschöpfungsmöglichkeit des Geschädigten beim beabsichtigten Hausbau einen wichtigen Grund für die Abgeltung des Verdienstentgangs in Form einer Kapitalabfindung darstelle.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den zweitinstanzlichen Aufhebungsbeschluß gerichtete Rekurs der beklagten Parteien ist nicht berechtigt:
Wer jemanden an seinem Körper verletzt, hat dem Verletzten den entgangenen oder, wenn dieser zum Erwerb unfähig wird, auch den künftig entgehenden Verdienst zu ersetzen (§ 1325 ABGB). Verdienst ist jeder Arbeitserfolg, durch den Werte (Arbeitsentgelt, Dienst- oder Arbeitsleistung bzw Vermögenswerte) verschafft werden. Dazu zählen nach Rechtsprechung und Lehre (Reischauer in Rummel2 Rz 24 zu § 1325 mwN) auch der Bau eines Hauses auf eigenem Grund (SZ 50/77) oder der Bau eines gemeinsamen Hauses durch Ehegatten (EFSlg 41.111). Nach der als zutreffend anzusehenden Auffassung Reischauers (aaO) liegt Verdienst auch in der "reinen Arbeitsleistung", die etwa im Betrieb des Ehegatten oder im Haushalt unentgeltlich (in oder ohne Erfüllung einer Arbeitspflicht) erbracht wird, weil der solcherart Arbeitende den Wert seiner Arbeit verdient und gleichzeitig mit der Arbeit weitergibt. Wird nun diese Verfügbarkeit der individuellen Arbeitskraft des Verletzten unfallskausal beeinträchtigt, so stellt der entgehende Wert der Arbeitskraft einen Verdienstentgang dar, für dessen Bemessung zumeist die Kosten einer entsprechenden Ersatzkraft heranzuziehen sein wird (Reischauer aaO Rz 38 mwN). Schon in der mangelnden Verfügbarkeit und Verwendbarkeit der eigenen Arbeitskraft des Verletzten liegt dessen Verdienstentgang.
Aus diesen Überlegungen folgt, daß der Schaden infolge Verdienstentgangs (hier des Klägers) bereits durch den Verlust oder die Beeinträchtigung der Arbeitskraft in allen Bereichen, in welchen er nach dem - vom Verletzten zu behauptenden und zu beweisenden - gewöhnlichen Lauf der Dinge seine Arbeitskraft ohne den Unfall und dessen Folgen eingesetzt hätte, entstand.
Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes und der beklagten Parteien verfolgt der Kläger mit der vorliegenden Klage nicht etwa den Ersatz eines erst künftig möglicherweise eintretenden Schadens, sondern den Ersatz seines zufolge Arbeitskraftbeeinträchtigung bereits eingetretenen positiven Schadens (Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 2/42 mwN), der in der eingeschränkten Einsetzbarkeit des Klägers (seiner Arbeitskraft) beim gemeinsam mit der Ehegattin geplanten Bau eines Hauses besteht. Nach den Klagsbehauptungen kann auch entgegen der Auffassung der beklagten Parteien keine Rede davon sein, daß der Kläger mit der vorliegenden Klage gleichsam (mutwillig), wie er etwa auch eine Karriere als Berufsboxer oder Pilot anstreben und die dabei erzielbaren Verdienste geltend machen könnte, einen in Wahrheit gar nicht in der (Lebens-)Planung vorgesehenen Hausbau (teil-)finanzieren will. Vielmehr hat er behauptet und wird er im fortgesetzten Verfahren auch zu beweisen haben, daß er jedenfalls einen Eigenhausbau geplant und dazu seine eigene Arbeitskraft - dies auch im Wege über die Mithilfe von Verwandten, denen er "zurückgearbeitet" hätte - mit dem in der Klage angeführten Wert eingesetzt hätte. Von einem in Wahrheit gar nicht beabsichtigten Bauvorhaben, das erst nach dem Unfall und "möglicherweise wegen der Haftung der beklagten Parteien" in Angriff genommen worden wäre, kann dann keine Rede sein.
Nach Durchführung der vom Berufungsgericht zutreffend für notwendig erachteten Verfahrensergänzungen durch weitere Erörterungen und allfällige Ergänzung des jeweiligen Vorbringens und erst aufgrund der sodann zu treffenden Feststellungen wird die Sache abschließend beurteilt werden können.
Daß allerdings sodann ein dem Kläger allenfalls gebührender Verdienstentgangsbetrag als Kapitalsbetrag zuzusprechen sein wird, kann wohl nicht zweifelhaft sein, zumal eine andere Art des Zuspruchs einer derartigen Schadenersatzleistung nicht vorstellbar erscheint.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des zweitinstanzlichen Beschlusses.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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