OGH 2Ob563/87

OGH2Ob563/877.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Verlassenschaft nach dem am 31. Jänner 1986 verstorbenen Rudolf E***, vertreten durch den erbserklärten Erben Dipl.Ing. Rudolf E***, Ziviltechniker, 4040 Linz, Oberladtstraße 2a, vertreten durch Dr. Peter Wagner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Hildegard S***, Pensionistin, 4020 Linz, Linke Brückenstraße 10, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, wegen Herausgabe (Streitwert S 350.000,--), infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 28.Jänner 1987, GZ 6 R 21,22/87-31, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 2. Dezember 1986, GZ 9 Cg 413/86-18, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird in seinem abändernden Teil dahin abgeändert, daß die erstgerichtliche Entscheidung wiederhergestellt und der Antrag der gefährdeten Partei somit zur Gänze abgewiesen wird.

Die gefährdete Partei hat der Antragsgegnerin die mit S 9.923,10 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten S 902,10 Umsatzsteuer) sowie die mit S 11.901,45 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten S 1.081,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft nach dem am 31.1.1986 verstorbenen Rudolf E*** wurde vom Abhandlungsgericht dem auf Grund des Gesetzes erbserklärten Sohn Dipl.Ing. Rudolf E*** überlassen. Dieser brachte für die Verlassenschaft die vorliegende Klage auf Herausgabe der im einzelnen angeführten fünf Sparbücher durch die Beklagte sowie auf Rückstellung des aus diesen von der Beklagten im Jahre 1985 insgesamt abgehobenen Betrages von S 804.681,60 mit der Behauptung ein, das vom Erblasser der Beklagten ausgesetzte Legat betreffend diese Sparbücher sei mangels Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit des Genannten unwirksam, ebenso seine angebliche Zustimmung zu den Geldabhebungen.

Mit der Klage verband die klagende Verlassenschaft den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf

a) gerichtliche Hinterlegung und Sperre der im Besitz der Beklagten befindlichen fünf Sparbücher, b) der Gegnerin der gefährdeten Partei zu verbieten, über die Spareinlagen zu verfügen und den Banken als Drittschuldnern aufzutragen, aus den Einlagebüchern keine Auszahlungen vorzunehmen. Zur Begründung wurde auf das Klagsvorbringen verwiesen und vorgebracht: Die Beklagte verweigere die Herausgabe der mit ihr bekannten Losungswörtern versehenen Sparbücher und habe in dem den Erblasser betreffenden seinerzeitigen Sachwalterschaftsverfahren die Aufhebung der Sperre dieser Bücher beantragt. Über den Antrag des erbserklärten Erben auf Sperre der Sparbücher im Verlassenschaftsverfahren sei noch nicht entschieden worden. Wegen der in absehbarer Zeit erfolgenden Einantwortung sei zu befürchten, daß die Beklagte im Hinblick auf die zu ihren Gunsten bestehenden, wenngleich zufolge Testierunfähigkeit unwirksamen letztwilligen Verfügungen Abhebungen aus den Sparbüchern vornehmen werde, zumal sie zu Lebzeiten des Erblassers erwähnt habe, es wäre viel klüger, das Geld in Kanada anzulegen. Die Beklagte sei vermögenslos, da eine ihr gehörige Liegenschaftshälfte mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot belastet sei. Zur Bescheinigung dieses behaupteten Sachverhaltes berief sich die gefährdete Partei auf verschiedene Akten und Urkunden sowie auf die Einvernahme des erbserklärten Erben als Auskunftsperson.

Die Beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei beantragte die Abweisung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Der Erblasser sei im Zeitpunkt der Errichtung seiner Testamente vom 17.2.1982 und 1.2.1983, mit welchen er ohnehin den nunmehrigen erbserklärten Erben Dipl.Ing. Rudolf E*** zum Alleinerben eingesetzt habe, voll handlungs- und testierfähig gewesen, sodaß die in diesen zugunsten der Beklagten enthaltenen Vermächtnisse wirksam seien. Der Anspruch auf die Sparbücher sei wegen Vorliegens eines "bestimmten Vermächtnisses" mit dem Tode des Erblassers fällig und zu erfüllen gewesen. Die Beklagte habe niemals Gelder des Verstorbenen ohne gültigen Rechtstitel abgehoben, das Sparbuch mit dem Einlagestand von S 500.000,-- habe ihr der Erblasser rechtswirksam geschenkt. Von einer konkreten Gefährdung eines Anspruches der klagenden Partei könne keinesfalls die Rede sein. Die Beklagte habe gegen die Verlassenschaft eine Klage auf Einwilligung zur Freilassung der Sparbücher eingebracht und im Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters die Aufhebung der Sperre der Bücher beantragt, doch sei über diesen Antrag wegen des Todes des Betroffenen nicht mehr entschieden worden. Die gerichtliche Sperre bestehe daher weiterhin aufrecht und sei laut Auskunft des zuständigen Richters in das Verlassenschaftsverfahren übernommen worden. Die Beklagte beabsichtige nicht, die Sparbücher oder Gelder außer Landes zu bringen, habe niemals eine derartige Erklärung abgegeben und auch keinerlei Anstalten getroffen, Geld zu beheben, vielmehr habe sie die Bücher bei ihrem Rechtsanwalt deponiert. Die Frage eines altersbedingten Verlustes der Testier- und Geschäftsfähigkeit des Rudolf E*** könne nur in einem umfangreichen Beweisverfahren geklärt werden. Die Darlegungen zu den Klagsansprüchen in den bisherigen umfangreichen Schriftsätzen zeigten, daß der Sachverhalt zufolge seiner Vielfältigkeit und Unübersichtlichkeit trotz Prüfung der paraten Bescheinigungsmittel noch nicht annähernd rechtlich beurteilt werden könne, woraus ebenfalls die Unzulässigkeit der Erlassung einer einstweiligen Verfügung folge.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Es hielt folgenden Sachverhalt für bescheinigt:

Der Erblasser hatte im Jahre 1973 einen Notariatsakt betreffend Schenkungen auf den Todesfall unterzeichnet und am 17.2.1982 sowie 11.2.1983 letztwillige Verfügungen getroffen. Der Inhalt dieser beiden letzten ist nicht feststellbar, insbesondere nicht, ob diese eine Einsetzung des Dipl.Ing. Rudolf E*** als Erbe enthalten. Die Verfügung vom 11.2.1983 enthält unbestrittenermaßen ein Vermächtnis zugunsten der Beklagten hinsichtlich der am Todestag in der Wohnung des Erblassers vorhandenen Sparbücher. Im Notariatsakt vom Jahre 1973 hatte der Erblasser mit seinem Sohn Dipl.Ing. Rudolf E*** einen Schenkungsvertrag auf den Todesfall geschlossen, der sich auch auf zum Privatvermögen gehörende Werte erstreckte und auszugsweise folgenden Inhalt hatte:

"Weiters schenkt und übergibt Herr Rudolf E*** auf seinen Todesfall an seinen Sohn Herrn Dipl.Ing. Rudolf E*** folgende zu seinem Privatvermögen gehörende Werte:

1. sämtliche im Depot Nr.6689112 bei der Bank für Arbeit und Wirtschaft AG erliegenden Wertpapiere;

2. sein Sparbuch Nr.6435... die Sparbriefe Nr.104407...,

Nr.501300..., Nr.104406..., Nr.104.405.... und Nr.930.86 sowie alle

weiteren künftig noch bei der Bank für Arbeit und Wirtschaft AG anzulegenden Sparbriefe, sämtliche Werte jedoch nach Maßgabe der im Testament des Herrn Rudolf E*** vom 2.6.1972, errichtet in der Notariatskanzlei Dr. Gottfried Frußner in Linz, damit verknüpften Auflagen.

Drittens: Herr Dipl.Ing. Rudolf E*** nimmt diese Schenkung auf den Todesfall mit Dank an.

Viertens: Der Geschenkgeber verzichtet ausdrücklich und unwiderruflich darauf, diese Schenkung aus irgendeinem Grunde anzufechten oder zu widerrufen".

In der letzten Zeit vor seinem Tode hatte der Erblasser Rudolf E***, geboren am 11.11.1899, Anzeichen einer fortgeschrittenen Demenz auf hirnarteriosklerotischer und seniler atrophischer Grundlage mit Merkfähigkeitsstörungen, Erinnerungslücken und einer zeitweiligen Verwirrtheit und Desorientiertheit gezeigt. Er war leicht erschöpfbar, beeinflußbar und konnte sich kein ausgeprägtes Bild über Zusammenhänge machen. Er bedurfte daher eines einstweiligen Sachwalters und wurde ein solcher kurz vor seinem Tode vom Bezirksgericht Linz mit Beschluß 22 Sw 227/85-10 vom 26.11.1985 bestellt. Im Sachwalterschaftsverfahren wurden die klagsgegenständlichen Sparbücher mit Ausnahme jenes mit einem Einlagenstand von S 500.000,-- gesperrt. Eine Aufhebung dieser Sperre wird nicht vor der Einantwortung erfolgen. Das letztgenannte Buch wurde in der Folge durch Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes vom 15.10.1986 gesperrt. Es erscheint nicht ausreichend bescheinigt, daß der Erblasser bereits zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung vom 11.2.1983, also fast drei Jahre vor der im Sachwalterschaftsverfahren (am 11.12.1985) erfolgten Untersuchung durch Univ.Prof. Dr. Jarosch geschäfts- oder testierunfähig war. Dieser Sachverständige attestierte, daß der Beginn der Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen mit Sicherheit ein bis zwei Jahre zurückliege. In den letzten Jahren vor dem Tode des Erblassers wurden von den strittigen Sparbüchern durch die Beklagte teils nahmhafte Beträge abgehoben, so am 9.10.1985 S 100.000,-- vom Sparbuch VKB 60052115, von welchem in der Zeit vom 9.8.1985 bis 11.1.1986 insgesamt S 240.000,-- behoben wurden, weiters vom Sparbuch bei der B*** Nr.49620103550 am 28.10.1985 ein Betrag von S 130.000,--, wovon sich die Beklagte mit Willen des Verstorbenen einen PKW kaufte. Ob die Beklagte dabei "die Geschäftsunfähigkeit des Erblassers durchschaute und ausnützte", kann nicht festgestellt werden. Daß einem Laien die Geschäftsunfähigkeit des Erblassers mit Sicherheit erkennbar war, ist nicht ausreichend bescheinigt, zumal noch am 13.1.1985 etwa Dr. Wolkerstorfer bestätigte, keine wesentliche Einschränkung der Fähigkeit zur Willenserklärung oder eine sonstige wesentliche Einschränkung der geistigen Fähigkeiten erkannt zu haben. Die Beklagte kennt die Losungswörter für die streitgegenständlichen Sparbücher. Sie hat diese nicht selbst inne, sondern ihrem Rechtsanwalt Dr. Sieder übergeben, der zur Herausgabe der Sparbücher nur mit Zustimmung seiner Mandantin bereit ist, welche aber nicht vorliegt.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, der geltend gemachte Anspruch auf Ausfolgung der Sparbücher als Beweis- und Legitimationsurkunden stelle keinen Geldanspruch, sondern einen anderen Anspruch im Sinne des § 381 EO dar, weshalb für die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung die in dieser Gesetzesstelle normierten Voraussetzungen vorliegen müßten. Nach dem Inhalt des Notariatsaktes vom 27.7.1973 seien von diesem Schenkungsvertrag nur die künftig bei der Bank für Arbeit und Wirtschaft AG anzulegenden Werte, also nicht schlechthin alle Spareinlagen bei irgendwelchen Banken erfaßt, somit seien hier nur die zwei Sparbücher der B*** betroffen. Der Beschenkte auf den Todesfall sei Nachlaßgläubiger und gehe als solcher Vermächtnisnehmern vor. Diesbezüglich sei der Anspruch daher bescheinigt, weil die Frage der späteren Testierfähigkeit des Erblassers keine Rolle spiele. Hinsichtlich der anderen Sparbücher bestehe ein Anspruch der Verlassenschaft auf Herausgabe, weil die Beklagte selbst im Falle der Wirksamkeit des Legates nicht zur eigenmächtigen Besitzergreifung befugt gewesen sei. Im weiteren führte das Erstgericht jedoch aus, wegen der "in Frage gestellten Testierfähigkeit des Erblassers sei der Anspruch insoweit aber nicht bescheinigt". Abgesehen von der allenfalls durch eine Sicherheitsleistung zu ersetzenden Anspruchsbescheinigung mangle es nach den Umständen des Falles auch an der Bescheinigung einer konkreten Gefährdung. Zwar fehle nach dem bescheinigten Sachverhalt möglicherweise eine rechtswirksame Zustimmung des Verstorbenen zu Geldabhebungen durch die Beklagte, es könne aber nicht davon ausgegangen werden, daß die allfällige Geschäftsunfähigkeit des Erblassers von ihr ausgenützt worden sei. Wohl habe sie die Sparbücher nach dem Tode des Erblassers eigenmächtig an sich gebracht, in der Folge sich aber durch Einbringung der Klage auf Einwilligung zur Freilassung der Sparbücher wieder rechtsgetreu verhalten und schließlich die Sparbücher ihrem Rechtsanwalt übergeben. Diese seien zudem gerichtlich gesperrt, die im Sachwalterschaftsverfahren erfolgte Sperre werde nicht vor Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens aufgehoben werden. Mangels Bescheinigung, daß das Verlassenschaftsverfahren kurz vor dem Abschluß stehe, sei somit derzeit eine Gefährdung zu verneinen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der gefährdeten Partei teilweise Folge. Es erließ die beantragte einstweilige Verfügung insoweit, als b) zur Sicherung des Anspruches der gefährdeten Partei auf Herausgabe von fünf Sparbüchern, jedoch unbeschadet der Pfändungsverfügung des Finanzamtes Linz vom 14.1.1987 zu Steuernummer 231/7884, der Gegnerin der gefährdeten Partei verboten werde, über die zu lit a) des Antrages bezeichneten Spareinlagen (nämlich Nr.70035696 bei der OÖ.Volkskreditbank lautend auf "Walter" und Nr.60052115 lautend auf "Rudolf E***" sowie bei der B*** Nr.49620103526 lautend auf "Baumeister E***" und Nr.49620103550 lautend auf "Kremser" und bei der Bank für OÖ und Slbg. Nr.613-0539/17) zu verfügen, insbesondere diese Forderungen gänzlich oder teilweise einzuziehen; c) den genannten Kreditinstituten als Drittschuldner verboten werde, bis auf weitere gerichtliche Anordnung aus den oben bezeichneten Einlagebüchern Auszahlungen vorzunehmen oder sonst etwas zu unternehmen, was die Exekutionsführung auf diese Geldforderung vereiteln oder erheblich erschweren könnte. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, hinsichtlich des abgeänderten Teiles des erstgerichtlichen Beschlusses den Betrag von S 300.000,-- übersteige.

In seiner Entscheidungsbegründung führte das Rekursgericht zur Mängelrüge der gefährdeten Partei aus, es sei dieser zwar zuzugeben, daß sie zur Behauptung, die Antragsgegnerin habe Äußerungen gemacht, wonach Vermögenswerte am besten in Kanada anzulegen seien, Dipl.Ing. Rudolf E*** als Bescheinigungsmittel geführt habe. Eine solche Einvernahme sei aber dennoch nicht erforderlich, weil das Erstgericht ohenhin als bescheinigt erachtet habe, daß die Beklagte bis zur Übergabe der Sparbücher an ihren Rechtsvertreter Verfügungen getroffen habe, wozu sie wahrscheinlich nicht berechtigt gewesen sei. Da sie gegenüber dem Erben nur einen obligatorischen Übergabsanspruch habe, müßten sich die Sparbücher gesetzmäßigerweise im Besitze des zur Besorgung und Verwaltung ermächtigten Sohnes des Erblassers befinden. Der Anspruch auf Herausgabe sei daher bescheinigt. Die hinsichtlich dieser nunmehr in der Gewahrsame des Beklagtenvertreters befindlichen Bücher ergangene Pfändungsverfügung des Finanzamtes stehe einer Sperre "im Sinne der erlassenen einstweiligen Verfügung (vgl. hiezu § 381 Z 1 und 7 EO) nicht entgegen". Ob auch die im Sachwalterschaftsverfahren verfügte Sperre weiterhin aufrecht sei, erscheine unerheblich, denn im Hinblick auf den von der Beklagten im Verlassenschaftsverfahren gestellten Antrag auf Aufhebung der Sperre sei jedenfalls eine zusätzliche Absicherung gerechtfertigt. Im Sinne der Entscheidung RZ 1936, 126 könne zwar nach der Bestimmung des § 381 Z 1 EO nur die Herausgabe von Gegenständen verlangt werden, die sich in der Gewahrsame des Gegners der gefährdeten Partei befinden, doch dürfe man nicht soweit gehen, auch das Verfügungs- und Drittverbot mit der Begründung zu verweigern, das Sparguthaben werde ausschließlich durch das Sparbuch repräsentiert, dieses sei eine bewegliche Sache, sodaß darauf nur nach § 346 bzw. § 381 Z 1 EO Exekution geführt bzw. eine einstweilige Verfügung erlassen werden könne. In diesem Falle wäre gerade durch die Übergabe der Sparbücher an den Beklagtenvertreter eine objektive Gefährdung eingetreten, indem Sicherstellungsmaßnahmen vereitelt worden seien.

In ihrem Revisionsrekurs beantragt die Gegnerin der gefährdeten Partei die Abänderung der rekursgerichtlichen Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

In den Rechtsmittelausführungen wird zunächst die Unterlassung einer Einvernahme der Antragsgegnerin bemängelt, durch welche bescheinigt worden wäre, daß sie seit Jahren im Besitz der Sparbücher gewesen sei und Geldabhebungen nie ohne gültigen Rechtstitel vorgenommen habe. Noch weniger als der behandelnde Arzt Dr. Wolkerstorfer hätte sie eine Einschränkung der geistigen Fähigkeiten des Erblassers erkennen können. Der angefochtene Beschluß weiche insoweit von den bindenden erstgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen ab. Die rekursgerichtliche Entscheidung sei in der erstgerichtlichen Sachverhaltswiedergabe auch aktenwidrig, weil das Erstgericht nach dem Notariatsakt nur eine Einschränkung auf alle künftig noch bei der B*** anzulegenden Werte angenommen habe. Weiters auch darin, daß sie die Ausführung in der Klagebeantwortung übersehe, wonach sich die Sparbücher seit Jahren im Besitz der Beklagten befunden hätten. Vermächtnisgegenstände könnten auch schon zu Lebzeiten des Erblassers dem späteren Vermächtnisnehmer zur Innehabung übertragen werden. Da sämtliche Vermächtnisse bereits fällig seien, stehe der gefährdeten Partei ein Herausgabeanspruch nicht zu, vielmehr befinde sie sich in Erfüllungsverzug. Aus der rechtlichen Beurteilung des rekursgerichtlichen Beschlusses sei offenbar die Bewilligung einer Verfügung bzw. eines Drittverbotes nach § 381 iVm § 382 Z 7 EO zwecks Sicherung eines Herausgabeanspruches, also eines anderen Anspruches, zu entnehmen. Dem Herausgabeanspruch liege aber ein Sachverhalt zu Grunde, welcher zufolge seiner Vielfältigkeit und Unübersichtlichkeit trotz eingehender Prüfung der paraten Bescheinigungsmittel noch nicht annähernd rechtlich beurteilt werden könne. Überdies sei ein allfälliger Herausgabeanspruch im Verlassenschaftsverfahren geltend zu machen. Dies habe die klagende Partei auch getan, doch sei ihr diesbezüglicher Antrag vom Verlassenschaftsgericht mangels Vorliegens einer Gefahr im Sinne des § 45 AußStrG abgewiesen worden. Dazu, daß gemäß § 381 EO für die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung die Gefahr einer erheblichen Erschwerung oder Vereitlung der gerichtlichen Verfolgung usw. Voraussetzung sei, habe das Rekursgericht überhaupt nicht Stellung genommen. Die bloße Bestreitung eines Anspruches und die Verweigerung der Leistung (Herausgabe) erfülle noch keinesfalls das Erfordernis einer konkreten Gefährdung, was vom Erstgericht richtig erkannt worden sei. Selbst aus einer - bestrittenen - Äußerung, Geld besser in Kanada anzulegen, könne nicht auf eine Absicht, die Sparbücher oder das Geld außer Landes zu bringen, geschlossen werden. Die erlassene einstweilige Verfügung sei zur Erfüllung eines Sicherungszweckes auch nicht geboten, weil die Sparbücher ohnehin gerichtlich gesperrt und finanzamtlich gepfändet worden seien, wobei der Beklagten verboten sei, die Sparbücher an den Drittschuldner herauszugeben. Zudem befänden sie sich in Gewahrsame ihres Rechtsvertreters. Auch im Hinblick auf die von der Beklagten gegen die klagende Partei erhobene Klage auf Freilassung der Sparbücher sei die einstweilige Verfügung unzulässig. Das Rekursgericht habe bei seiner Annahme, auf ein Sparbuch könne gemäß §§ 346, 386 Z 1 EO Exekution geführt werden, die Judikatur vernachlässigt, wonach das Drittverbot zur Sicherung von Forderungen, wie sie im § 296 EO aufgezählt seien, ausgeschlossen erscheine. Solche Forderungen könnten ohne Besitz des Papiers nicht geltend gemacht werden. Ein Drittverbot auf ein Sparkassenbuch sei unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist gerechtfertigt.

Der von der Antragsgegnerin in ihrem Rechtsmittel geforderten eigenen Einvernahme bedurfte es aus rechtlichen Gründen nicht, aus dem gleichen Grunde ist auch auf die Frage einer angeblichen Aktenwidrigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht einzugehen. In den entscheidenden Belangen erweisen sich ihre Rechtsausführungen als zutreffend.

Da Dipl.Ing. Rudolf E*** die Gültigkeit der beiden letztwilligen Verfügungen seines Vaters vom 17.2.1982 und 11.2.1983 bestritten hat, war er im Sinne der zu § 808 ABGB ergangenen Judikatur selbst im Falle seiner Erbeinsetzung berechtigt, eine Erbserklärung auf Grund des Gesetzes abzugeben (SZ 17/168, SZ 23/148; EvBl1969/301; NZ 1977, 139; 2 Ob 655/86 ua) und nach Übertragung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an ihn die Klage auf Herausgabe der Sparbücher namens der Verlassenschaft einzubringen. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner in der Verlassenschaftssache nach Rudolf E*** gefällten Entscheidung 3 Ob 629/86 unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung (so weiters 6 Ob 548/78, 4 Ob 555,556/76) ausführte, war die Antragsgegnerin nicht zur eigenmächtigen Besitzergreifung hinsichtlich der fünf Sparbücher berechtigt, selbst wenn der Erblasser ihr diese gestattet hatte, da ein vermachtes Nachlaßstück bis zum Zustandekommen eines Verfügungsgeschäftes zwischen dem Nachlaß bzw. dem Erben und dem Vermächtnisnehmer vorerst der Verlassenschaft und nach der Einantwortung dem Erben gehört. Die Voraussetzungen für die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung liegen aber dennoch nicht vor:

Die Pfändung von Forderungen aus Einlagebüchern ist allein in § 296 EO bestimmt. Danach hat das Vollstreckungsorgan die Einlagebücher unter Aufnahme in das Pfändungsprotokoll an sich zu nehmen und bei Gericht zu erlegen. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes kommt demgemäß auch bei einstweiligen Verfügungen sowohl nach § 381 EO als auch nach § 382 EO die Erlassung eines Drittverbotes, welches im Verfügungsverbot an den Antragsgegner und in dem an den Dritten gerichteten Leistungsverbot besteht (Heller-Berger-Stix 2712; EvBl1958/369) nicht in Betracht (JBl 1936,60; EvBl1968/369; RZ 1968, 73 = HS 6.286; JBl 1978, 321; 2 Ob 597/83; EvBl1986/140; Heller-Berger-Stix 2.713, 2.737). Auch wenn sich das Sparbuch in der Gewahrsame eines Dritten befindet, ist nach § 296 EO vorzugehen. In diesem Falle kann aber auch die Exekution durch Pfändung und Verwertung des Anspruches auf Herausgabe des Sparbuches geführt werden, was insbesondere dann erforderlich erscheint, wenn der Dritte zur Herausgabe nicht bereit ist (JBl 1978, 321). Ein Drittverbot gegenüber Banken käme lediglich in Frage, wenn Sparbücher bei diesen in Form eines Wertpapierdepots hinterlegt, die Banken also Verwahrer wären (2 Ob 597/83). Die Abweisung des Begehrens auf "Hinterlegung und Sperre der im Besitz der beklagten Partei befindlichen Sparbücher" (Pkt.a) des Antrages) ist in Rechtskraft erwachsen und somit nicht mehr Verfahrensgegenstand. Im Hinblick auf die dargestellte, zur vollen Antragsabweisung führende Rechtslage muß auch auf den Umstand, daß durch das zuständige Finanzamt eine Pfändung der gegenständlichen Sparbücher im Sinne des § 367 Abs 1 AbgEO ohne tatsächliche Abnahme erfolgte (vgl. hiezu 1 Ob 17/83), nicht eingegangen werden. Verwiesen sei jedoch darauf, daß es vorliegendenfalls auch an der von der neueren Judikatur und Lehre (EvBl1964/371, EvBl1974/153, EvBl1981/188; SZ 49/11; SZ 55/78; 8 Ob 506/83, 2 Ob 622/85 ua.; Heller-Berger-Stix 2.722 f) auch bei Sicherung von Ansprüchen nach § 381 EO geforderten Bescheinigung einer konkreten Gefährdung des behaupteten Anspruches fehlen würde. Allein der Umstand, daß die Antragsgegnerin noch zu Lebzeiten des Rudolf E*** "erwähnt" haben soll, es wäre klüger, das Geld in Kanada anzulegen, könnte nämlich noch nicht eine konkrete Gefährdung des nunmehrigen Herausgabeanspruches der Verlassenschaft darstellen. Nach dem Tode des Rudolf E*** hat die Antragsgegnerin die ihr nach dem Inhalt der letztwilligen Verfügungen vermachten Sparbücher zwar an sich genommen, jedoch seither keinerlei Verhalten gesetzt - insbesondere keine Abhebungen vorgenommen - , aus welchem eine konkrete Gefährdung des Anspruches auf Herausgabe abzuleiten wäre. Die bloß abstrakt und theoretisch gegebene Möglichkeit einer im § 381 EO genannten Erschwerung, Vereitelung, Gewaltanwendung oder Herbeiführung eines unwiederbringlichen Schadens begründet grundsätzlich noch keine Anspruchsgefährdung (EvBl1981/188; 5 Ob 527/82, 5 Ob 746/82 ua). Es wird vielmehr das Vorliegen von Umständen gefordert, die ohne Bewilligung der einstweiligen Verfügung eine Beeinträchtigung des Anspruches oder des Anspruchsberechtigten als wahrscheinlich erscheinen lassen (8 Ob 541/87). Nach dem Verhalten der Antragsgegnerin sowie im Hinblick auf die Pfändung der Ansprüche durch das Finanzamt, die gerichtlichen Sperren, die Gewahrsame des Rechtsvertreters der Antragsgegnerin an den Sparbüchern sowie auch die auf Freilassung desselben gerichtete Klagsführung der Antragsgegnerin erscheint vorliegendenfalls eine Beeinträchtigung des Herausgabeanspruches der klagenden Verlassenschaft nicht wahrscheinlich.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und der erstgerichtliche Beschluß im abgeänderten Teil wiederherzustellen. Die Entscheidung über die Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO sowie §§ 78 und 402 EO.

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