OGH 8Ob506/83

OGH8Ob506/8317.2.1983

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Zehetner und Dr. Huber als Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Rainer S*****, vertreten durch Dr. Bernt Strickner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei Verlassenschaft nach Dr. Ekkehard S*****, zuletzt wohnhaft gewesen in *****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator, Dr. Hansjörg Mader, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen einstweiliger Verfügung, infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 17. Dezember 1982, GZ 1 R 280/82-16, womit der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. August 1982, GZ 14 Cg 412/82-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der gefährdete Kläger hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist der eheliche Sohn des am 17. Dezember 1979 verstorbenen Rechtsanwaltes Dr. Ekkehard S*****. Das Verlassenschaftsverfahren ist beim Bezirksgericht Innsbruck anhängig (3 A 378/80). Die Witwe des Verstorbenen, hat auf Grund des erblasserischen Testamentes die Erbserklärung abgegeben. Das vom Kläger erhobene Klagebegehren, auf Grund des Gesetzes stünde ihm das Erbrecht zum Nachlass seines Vaters zu, wurde rechtskräftig abgewiesen.

Der Kläger begehrte mit der vorliegenden Klage, die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes an den 100/1000-Anteilen seines Vaters an der Liegenschaft in M*****, Folio IV, Parzelle (Mappale) 724, samt dem damit untrennbar verbundenen Wohnungseigentum an der Wohnung top Nr 11 zu Gunsten des Klägers einzuwilligen. Diese Garconniere sei ihm von seinem Vater noch zu dessen Lebzeiten geschenkt und auch tatsächlich übergeben worden. Die Beklagte bestreite nun sein Eigentumsrecht daran, habe ihn im Laufe des Verlassenschaftsverfahrens durch Anbringung eines neuen Schlosses aus dieser Wohnung ausgesperrt und verweigere nun die Herausgabe der Schlüssel oder den Wiedereinbau des früheren Schlosses. Da er die streitgegenständliche Garconniere seit ihrer Übergabe ständig selbst oder durch Bekannte gegen Entgelt zu Ferienzwecken verwendet habe, entstehe ihm dadurch, dass ihm die Garconniere nun nicht mehr zur Verfügung stehe, ein unwiederbringlicher Schaden. Darüber hinaus bestehe auch die Gefahr, dass die Alleinerbin nach Einantwortung die Garconniere veräußere und der Kläger dann mit seinem Klagebegehren nicht mehr durchdringen könne. In der Klage beantragte der Kläger weiters die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, dass die beklagte Partei schuldig sei, dem Kläger sämtliche Schlüssel für das neu eingebaute Schloss auszuhändigen oder das alte Schloss wieder einzubauen, und sich in Zukunft bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreites jeder Verfügung rechtlicher oder tatsächlicher Natur zu enthalten.

Die Beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei bestritt das Klagebegehren und beantragte die Abweisung des Antrages auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung, weil die Voraussetzungen für deren Erlassung schon auf Grund des Vorbringens in der Klage nicht gegeben seien. Der Kläger habe weder die gemäß § 381 EO erforderliche Vereitelung oder Erschwerung der gerichtlichen Verwirklichung des geltend gemachten Anspruches noch die Verhütung drohender Gewalt oder die Gefahr eines drohenden unwiederbringlichen Schadens behauptet. Die Tatsache, dass der Kläger die Garconniere nicht benützen und auch Bekannten nicht zur Verfügung stellen könne, stelle keinen schutzwürdigen unwiederbringlichen Schaden dar. Es sei auch die behauptete Gefahr der Veräußerung der Garconniere nicht gegeben, weil die Verlassenschaft noch nicht eingeantwortet worden sei, der künftigen Alleinerbin daher noch kein Verfügungsrecht darüber zustehe. Da die behauptete Schenkung nach intalienischem Recht zu beurteilen sei und eine solche nach intalienischem Recht mittels öffentlicher Urkunde erfolgen müsse, was hier aber nicht geschehen sei, könne der behauptete Anspruch nicht auf die mündliche Schenkung gestützt werden. Vorsichtshalber erklärte die Beklagte, von ihrem in Art 182 codico civile normierten Recht, die vom Kläger behauptete Schenkung zu widerrufen, hiemit Gebrauch zu machen. Das Erstgericht verbot der Beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei zur Sicherung des behaupteten Anspruches der klagenden und gefährdeten Partei auf Einwilligung der Beklagten zur Einverleibung des Eigentumsrechtes an den Anteilen des Dr. Ekkehard S***** an der genannten Liegenschaft, diese Liegenschaft zu verkaufen, zu verpfänden oder zu belasten, wobei es der klagenden Partei auftrug, der Beklagten für alle durch das verfügte Verbot bewirkte Nachteile durch gerichtlichen Erlag von 40.000 S Sicherheit zu leisten und noch aussprach, dass diese einstweilige Verfügung für die Dauer dieses Rechtsstreites gelte und vor dem Nachweis des Erlages der aufgetragenen Sicherheitsleistung die einstweilige Verfügung der Beklagten nicht zugestellt werde. Das Mehrbegehren, der Gegnerin der gefährdeten Partei aufzutragen, die Schlüssel für das neu eingebaute Schloss zur vorerwähnten Wohnung auszuhändigen oder das alte Schloss einzubauen und sich jeglicher Verfügung rechtlicher oder tatsächlicher Art zu enthalten, wies es ab.

Das Erstgericht nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Im April 1977 bot Dr. Ekkehard S***** in seiner Rechtsanwaltskanzlei in Innsbruck dem Kläger die Schenkung der in Rede stehenden und in seinem Eigentum befindlichen Liegenschaft an. Der Kläger nahm diese Schenkung an. Die Schenkung wurde nur mündlich vereinbart, eine Urkunde wurde hierüber nicht errichtet. Gleichzeitig übergab Dr. Ekkehard S***** dem Kläger Urkunden hinsichtlich dieser Liegenschaft, nämlich einen Grundbuchsbeschluss, einen Plan, den Kaufvertrag, verschiedene Rechnungsbelege und ähnliche Unterlagen und folgte ihm auch einen Schlüssel der Wohnung aus. Der Kläger übergab diese Urkunden später wieder seinem Vater zur Verwahrung. Bis zu dieser Schenkung hat der Kläger diese Liegenschaft samt der damit verbundenen Eigentumswohnung nie benutzt. Nach der Schenkung begaben sich der Kläger und sein Vater nach M*****, bei welcher Gelegenheit dieser ihm die Eigentumswohnung übergab. Er wies ihn in die Wohnung ein. Dr. S***** überließ die Liegenschaft seinem Sohn zur Nutzung, der sie in der Folgezeit auch selbst laufend benützte, oder anderen Personen zur Benützung. Einen Schlüssel behielt sich Dr. Ekkehard S***** selbst zurück, um auch gelegentlich die Wohnung benützen zu können, womit der Kläger einverstanden war. Dr. S***** benützte die Wohnung in der Folgezeit bis zu seinem Tod aber nur etwa zweimal. Dr. Ekkehard S***** hat bis zu seinem Tod den laufenden Aufwand für die Liegenschaft zu Gunsten des Klägers getragen. Auch nach dem Tod seines Vaters benützte der Kläger die Liegenschaft weiter, bis der Verlassenschaftskurator im Frühjahr 1982 ein neues Schloss an der Eingangstüre anbringen ließ. Dadurch wurde dem Kläger jeglicher Zutritt zur Wohnung und jegliche Nutzung der Liegenschaft verwehrt. Der Verlassenschaftskurator verweigert dem Kläger in Bestreitung seines Eigentums jegliche Verfügung über die Liegenschaft und weigert sich auch, dem Kläger einen zum ausgewechselten Schloss passenden Schlüssel auszuhändigen.

Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, dass der Schenkungsvertrag österreichischem Recht unterliege, weil er zwischen Inländern im Inland abgeschlossen worden sei; der bloß mündliche aber mit wirklicher Übergabe der Sache geschlossene Schenkungsvertrag sei damit gültig. Der Kläger habe daher zu Recht einen bescheinigten Anspruch auf Einwilligung der Beklagten zur Einverleibung seines Eigentumsrechtes erlangt, den er gegen die Verlassenschaft geltend machen könne. Die Gefährdung des Anspruches sei durch das Verhalten der Beklagten augenfällig. Der Kläger begehre daher zu Recht die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Zur Sicherung des Eigentumsrechtes des Klägers genüge aber das erlassene Veräußerungs- und Belastungsverbot. Weil der Kläger seinen Anspruch jedoch nicht in unbedenklicher Weise, etwa durch Vorlage einer beglaubtigten Urkunde habe bescheinigen können, sei ihm eine den Umständen angemessene Sicherheitsleistung aufzuerlegen. Die gefährdete Partei hat die ihr aufgetragene Sicherheitsleistung am 3. 9. 1982 bei Gericht erlegt.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Beklagten Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass es den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung zur Gänze abwies. Es billigte den vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt, erachtete die im Rekurs vorgetragenen Einwendungen des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und des Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses als nicht berechtigt und vertrat die Ansicht, dass für den Bereich des Provisorialverfahrens unvorgreiflich der künftigen Sachverhaltsfeststellung im Hauptprozess davon ausgegangen werden könne, dass Anhaltspunkte für einen gültig zustande gekommenen Schenkungsvertrag vorlägen und ein völliger Mangel einer Anspruchsbescheinigung nicht gegeben sei. Das vom Erstgericht gewählte Sicherungsmittel sei auch zur Sicherung des geltend gemachten Anspruches geeignet, weil der Anspruch der gefährdeten Partei auf Einräumung des Eigentumes an der Liegenschaft gerichtet sei, der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung sei jedoch mangels Gefährundungsbescheinigung nicht berechtigt. Nach dem Bescheinigungsergebnis habe der Vertreter der Beklagten eine Handlung gesetzt, durch die dem Kläger die weitere Benützung der Wohnung unmöglich gemacht worden sei. Damit sei aber nur der auch im Rechtsstreit eingenommene Standpunkt manifestiert worden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Übergabe des Eigentumsrechtes nicht zukomme, aber nicht zum Ausdruck gebracht worden, dass von der Beklagten Schritte unternommen würden, um die Liegenschaft anderweitig zu veräußern und auf diese Weise den geltend gemachten Anspruch zu vereiteln. Eine anspruchsgefährdende Handlung in diesem Sinne, dass von der Beklagten Anstalten getroffen worden seien, die Liegenschaft zu veräußern, zu verpfänden oder sonst zu belasten, sei darin nicht zu sehen. Die von der Judikatur geforderten konkreten Gefährdungsmomente seien also nicht gegeben. Dass die einstweilige Verfügung zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheine, könne ebenfalls nicht gesagt werden, weil selbst durch die eigenmächtige Verschaffung des Besitzes an der Wohnung der hier geltend gemachte Anspruch auf Übertragung des Eigentumsrechtes nicht gefährdet werde. Mangels Gefährdungsbescheinigung sei somit der Rekurs berechtigt und der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung zur Gänze abzuweisen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei, der nicht berechtigt ist. Der Kläger wendet sich in seinem Rechtsmittel gegen die Ansicht des Rekursgerichtes das Vorliegen konkreter Gefährdungsmomente sei nicht bescheinigt worden. Die objektive Vereitelung oder Erschwerung der Rechtsverfolgung ergebe sich schon daraus, dass die Wohnung in Italien liege und nicht überprüft werden könne, ob die erbserklärte Erbin, die Beklagte oder sonst unbefugte Personen, die im Besitz der entsprechenden Papiere seien, über die Liegenschaft verfügten oder in Italien ein Rechtsgeschäft darüber abschlössen. Offensichtlich seien derartige Bestrebungen auch im Gange, denn sonst wäre es nicht notwendig gewesen, das Schloss austauschen zu lassen. Die konkrete Gefährdung ergebe sich schon auf Grund des Umstandes, dass gegen die einstweilige Verfügung Rechtsmittel (der von der erbserklärten Erbin als Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten erhobene Rekurs wurde vom Gericht zweiter Instanz als unzulässig zurückgewiesen) ergriffen worden seien, insbesondere deshalb, weil darin der Standpunkt vertreten worden sei, dass die einstweilige Verfügung nicht in Vollzug gesetzt werden könne, die begehrte einstweilige Verfügung für sie daher keine Beschwer darstellen könne. Dem kann nicht gefolgt werden.

Dem Revisionsrekurswerber ist zuzugeben, dass in der früheren Rechtsprechung die Auffassung vertreten wurde, die in § 381 Z 1 EO geforderte objektive Gefährdung sei schon dann gegeben, wenn eine Vereitelung oder erhebliche Erschwerung der Rechtsverfolgung abstrakt drohe (SZ 28/215, SZ 33/78 ua). Das Rekursgericht verwies aber zutreffend darauf, dass sich in der jüngeren und nunmehr bereits gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Übereinstimmung mit Heller-Berger-Stix (Kommentar zur EO4 III 2723 und die dort angeführte Judikatur; ferner JBl 1979, 323 und EvBl 1981/188 S 547 uva) die Auffassung durchgesetzt hat, es sei eine konkrete Gefährdung des Anspruches, die nicht schon in der bloßen Weigerung des Gegners, den behaupteten Anspruch zu erfüllen, liegen könne, erforderlich; nicht schon die lediglich abstrakte und theoretisch denkbare Möglichkeit des Eintrittes einer der in der Vorschrift des § 381 Z 1 und 2 EO bezeichneten Gefahren reicht also zur Anordnung einer einstweiligen Verfügung aus, vielmehr wird das Vorliegen konkreter Umstände gefordert, die ohne Bewilligung der einstweiligen Anordnung eine Beeinträchtigung des Anspruches (oder des Anspruchsberechtigten) nach der Lebenserfahrung als wahrscheinlich erkennen lassen (so insbesondere 5 Ob 527/82 und 5 Ob 616/82). Das Rekursgericht hat demnach zu Recht das Vorhandensein konkreter Ansatzpunkte für die Annahme einer Gefährdung des Anspruches verneint, die vom gefährdeten Kläger darin erblickt wurden, dass die Beklagte das Schloss der Eigentumswohnung ändern ließ, den nun klagsweise geltend gemachten Anspruch des Klägers bestritt und ebenso wie die erbserklärte Testamentserbin Rechtsmittel gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung erhob. Die aus diesen Umständen abgeleitete Annahme des gefährdeten Klägers, es sei die allfällige Veräußerung der Eigentumswohnung oder ihre Belastung zu befürchten, geht in der Tat über abstrakte und rein theoretisch denkbare Erwägungen nicht hinaus.

Da die mangelnde Gefahrenbescheinigung - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - durch Sicherheitsleistung nicht ersetzbar ist (SZ 42/135 uva), erweist sich die angefochtene Entscheidung als richtig, weshalb der Revisionsrekurs des gefährdeten Klägers erfolglos bleiben muss.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 402, 78 EO und den §§ 40 und 50 ZPO.

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