OGH 2Ob549/95

OGH2Ob549/9529.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann R*****, vertreten durch Dr.Alfred Thewanger, Dr.Helmut Lenz und Dr.Günther Grassner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Barabara B*****, vertreten durch Dr.Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, 2.) Maria L*****, 3.) Leopold B*****, beide vertreten durch Dr.Martin Schloßgangl und Mag.Thomas Christl, Rechtsanwälte in Steyr, 4.) Franz B***** und 5.) Florian B*****, beide vertreten durch Dr.Josef Lechner und Dr.Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, wegen Abtretung einer Verlassenschaft, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14.März 1995, GZ 4 R 266/94‑128, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 5.September 1994, GZ 4 Cg 280/93x‑118, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0020OB00549.950.0629.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit S 9.135,‑- (darin enthalten USt von S 1.522,50, keine Barauslagen) und den zweit‑ bis fünftbeklagten Parteien die mit je S 5.024,50 (darin enthalten USt von S 837,37, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Mit Beschluß vom 2.6.1986 wurde der Nachlaß nach dem am 25.10.1985 verstorbenen Leopold B***** den Beklagten, welche sich aufgrund des Gesetzes zu Erben erklärt hatten, eingeantwortet und zwar der erstbeklagten Witwe zu einem Drittel und den zweit‑ bis fünftbeklagten Kindern zu je einem Sechstel. Aufgrund eines zwischen den Beklagten abgeschlossenen Erbübereinkommens übernahm der Drittbeklagte den gesamten Nachlaß mit allen Aktiven und Passiven und wurde sein Eigentum auf den Nachlaßliegenschaften verbüchert.

In der Folge erhielt der Kläger ein am 17.11.1986 in S***** zur Post gegebenes Schriftstück welches wie folgt lautet:

"Testament

Ich Leopold B***** vermache nach reiflicher Überlegung und im Besitze meiner geistigen Kräfte, ohne Zwang oder Beeinflussung meinen Besitz in G***** Post P*****, zur Gänze meinen Vetter Hermann R***** in E*****, bei dem ich bereits 5 Jahre wohne und eine gute Unterkunft, Verpflegung und Beträuung habe.

Damit enterbe ich meine ganze Familie, meine Frau B*****, die Tochter Maria L***** sowie meine drei Söhne, Leopold, Franz und Florian. Das deswegen, weil meine Familie mich hat entmündigen lassen ohne schweren Grund, die wieder aufgehoben wurde.

Somit darf der Besitz nie wieder an meine Familienangehörigen gehen.

Das Haus muss nach meinem Tode bis zum folgenden Jahresende geräumt werden und es darf keine dieser Personen weiter im Haus wohnen.

Mein Frau ist selbst Hausbesitzerin in G***** und hat dort ihre Wohnung.

Der Erbe hat keinerlei Verpflichtung gegenüber meiner Familie. Sollte meine Frau Schulden gemacht haben, so sind diese auch von ihr zu bezahlen.

Mein Vetter Hermann muß die von mir gemachten Schulden bei der Volksbank V***** tragen.

Eine Rechnung ist noch bei Dr.Manfred N***** offen. Die anderen Schulden habe ich mit dem Geld von der A***** Volksbank abgedeckt.

Mein Vetter Hermann muss für Arztkosten, die Begräbniskosten und einer normalen Grabstätte als Erbe aufkommen.

Eine Person habe ich beauftragt das Testament erst nach frühestens 10 Monate nach meinem Ableben, meinen Vetter Hermann R***** senden zu lassen.

10.Oktober 1985, Leopold B*****."

Unter Berufung auf dieses Testament begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten, ihm die ihnen rechtskräftig eingeantwortete Verlassenschaft nach Leopold B***** im Ausmaß der übernommenen Erbquoten abzutreten.

Die Beklagten wendeten ein, das Testament, auf das sich der Kläger berufe, sei nicht echt; überdies habe dem Erblasser die Testierfähigkeit gefehlt. Das Testament enthalte keine Erbseinsetzung und stelle nur ein Vermächtnis dar. Da der gesamte Nachlaß vom Drittbeklagten übernommen worden sei, seien die erst‑, zweit‑, viert‑ und fünftbeklagten Parteien nicht passiv zur Klage legitimiert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren kostenpflichtig ab, weil dem Kläger der ihm gemäß § 312 Abs 2 ZPO obliegende Beweis der Echtheit des Testaments nicht gelungen sei; überdies habe es dem Erblasser zur Zeit des angeblichen Testamentsdatums an der Testierfähigkeit gefehlt.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend wurden vom Erstgericht im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Daß das Testament vom 10.10.1985 von Leopold B***** eigenhändig geschrieben oder unterschrieben worden ist, konnte nicht festgestellt werden. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, wer das Kuvert, in welchem dem Kläger das Testament übermittelt wurde, beschriftete und zur Post gab. Vom Kläger wurde es nicht beschriftet.

Leopold B***** war am 10.10.1985 nicht mehr frei in seiner Willensbildung, er unterlag einer überhöhten Beeinflußbarkeit und erfaßte nicht mehr die volle Tragweite seiner Entscheidungen.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,‑- übersteige und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Das Berufungsgericht schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß den Kläger die Beweislast für die Echtheit des Testaments treffe, an. Wohl habe der Oberste Gerichtshof in SZ 59/175 (= NZ 1987, 281) ausgesprochen, daß im Erbrechtsstreit den gesetzlichen Erben, der die Ungültigkeit des anscheinend eigenhändig geschrieben und unterschriebenen Testaments geltend mache, weil dieses nicht von der Hand des Erblassers stamme, hiefür die Beweislast treffe. Diese Ansicht könne aber nicht in gleicher Weise für die Frage der Beweislast im Erbschaftsprozeß gelten. In diesem müsse der Kläger sein Erbrecht beweisen, während der beklagte Besitzer der Erbschaft zur Angabe seines Titels nach § 323 ABGB nicht aufgefordert werden könne. Habe aber der Kläger sein Erbrecht zu beweisen, bestehe kein Grund von der in § 311 Abs 2 (richtig: 312 Abs 2) ZPO aufgestellten Regelung der Beweislast für die bestrittene Echtheit einer Urkunde abzuweichen.

Die Beweisrüge zur negativen Feststellung, es sei nicht feststellbar, daß das Testament von Leopold B***** eigenhändig geschrieben und unterschrieben wurde, erachtete das Berufungsgericht als unbegründet.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, da es eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, wer im Erbschaftsprozeß die Echtheit‑ bzw Unechtheit des Testaments zu beweisen habe, nicht gebe.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei mit den Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die zweit‑ bis fünftbeklagten Parteien haben Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht aufgezeigten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger vertritt in seinem Rechtsmittel die Ansicht, die Beweislast für die Unechtheit des Testamentes treffe die Beklagten. Dies habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 59/175 eindeutig ausgesprochen. Aus § 126 AußStrG ergebe sich, daß ein in gehöriger äußerer Form errichtetes Testament den Anscheinsbeweis dafür liefere, daß die Formerfordernisse eingehalten wurden. Da das Erstgericht nicht feststellen habe können, daß Leopold B***** das Testament selbst geschrieben und unterzeichnet habe und auch der Beweis einer Fälschung nicht erbracht worden sei, sei vom Vorliegen eines in gehöriger äußerer Form errichteten Testamentes auszugehen. Es wäre sohin dem Klagebegehren stattzugeben gewesen, da auch die Testierfähigkeit gegeben war.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 312 Abs 2 ZPO hat die bestrittene Echtheit einer Privaturkunde oder einer auf derselben befindlichen Namensunterschrift derjenige zu beweisen, der die Urkunde als Beweismittel gebrauchen will. Bei Bestreitung der Echtheit der Namensunterschrift ‑ so wie sie im vorliegenden Fall erfolgte ‑ trifft die Beweislast für deren Echtheit denjenigen, der sich auf diese Urkunde stützt, das ist im vorliegenden Fall der Kläger (EvBl 1992/69; 8 Ob 156/90; 1 Ob 602/93). Richtig ist, daß in der in einem Erbrechtsstreit ergangenen Entscheidung SZ 59/175 ausgeführt wurde, daß ein Testament, das in gehöriger äußerer Form errichtet ist, auch im Prozeß den Anscheinsbeweis dafür begründe, daß die Formerfordernisse eingehalten wurden. Nun sind zwar im vorliegenden Fall tatsächlich die äußeren Formerfordernisse eines eigenhändigen Testamentes eingehalten, doch sagt dies nichts darüber aus, ob die Urkunde tatsächlich vom Erblasser stammt. Aus dem Umstand, daß eine Urkunde vorliegt, deren äußere Form einem Testament entspricht, kann nicht der Schluß gezogen werden, die Urkunde stamme tatsächlich von dem, dessen Namen sie als Unterschrift aufweist. Es gibt keinen typischen Erfahrungszusammenhang (siehe Fasching, LB2, Rz 894; Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 22 Vor § 266) wonach eine Privaturkunde, die eine bestimmte Namensunterschrift aufweist, tatsächlich von dieser Person errichtet und unterfertigt wurde. Die in der Entscheidung SZ 59/175 vertretene Rechtsansicht, es treffe den gesetzlichen Erben, der die Ungültigkeit des anscheinend eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testamentes geltend mache, die Beweislast hiefür, gründet sich auch auf die Bestimmung des § 126 Abs 1 AußStrG, wonach dem gesetzlichen Erben die Klägerrolle gegen den Testamentserben, der eine der äußeren Form nach nicht schon zweifelhafte schriftliche letztwillige Verfügung für sich hat, zuzuteilen ist. § 126 Abs 1 AußStrG findet aber im vorliegenden Erbschaftsprozeß keine Anwendung, so daß hier die Beweislastregel des § 312 Abs 2 ZPO gilt. Da dem Kläger der Nachweis, daß das Testament vom 10.10.1985 tatsächlich vom Erblasser ge‑ und unterschrieben wurde, nicht erbracht wurde, haben die Vorinstanzen seine Erbschaftsklage zu Recht abgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Unrichtig ist die diesbezüglich von der zweit‑ und drittbeklagten Partei vertretene Ansicht, alle Beklagten bildeten eine einheitliche Streitpartei. Die Wirkungder Entscheidung erstreckt sich weder kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses noch kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen (§ 14 ZPO).

 

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