OGH 2Ob44/95

OGH2Ob44/958.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann S*****, vertreten durch Dr.Edwin Höller und Dr.Reinhold Lingner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei L***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Werner Weiss, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenientin H*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Prof.Dr.Alfred Haslinger, DDr.Heinz Mück, Dr.Peter Wagner, Dr.Walter Müller und Dr.Wolfgang Graziani-Weiss, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 15.Februar 1995, GZ 6 R 255/94-29, womit infolge Berufung der Nebenintervenientin das Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 30. September 1994, GZ 2 Cg 109/93k-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin enthalten S 1.014,40 USt) und der Nebenintervenientin die mit S 6.086,40 (darin enthalten S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 12.9.1990 durch einen im Betrieb der beklagten Partei verwendeten Hubstapler lebensgefährlich verletzt. Der Hubstapler wurde von Wolfgang T*****, der wie der Kläger im Auftrag der Firma Ing.R***** GesmbH & Co KG am Betriebsgelände der beklagten Partei tätig war, gelenkt.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle aus dem gegenständlichen Unfall resultierenden Folgen und Schäden im Umfang von einem Drittel mit der Begründung, daß jede im Werksgelände der beklagten Partei abgestellte Arbeitsmaschine jederzeit von jedermann in Betrieb genommen werden konnte. Konkret sei ein Hubstapler von Wolfgang T***** unbefugt in Betrieb genommen worden, dieser sei auch nicht im Besitz eines "Staplerführerscheines" und daher auch nicht berechtigt gewesen, diese Arbeitsmaschine zu benützen.

Die beklagte Partei habe nicht die geringsten Vorkehrungen getroffen, um eine Inbetriebnahme durch unbefugte Personen zu verhindern. Die Startschlüssel seien stets an sämtlichen Arbeitsmaschinen gesteckt; dieses Verhalten der beklagten Partei sei leichtsinnig und somit grob fahrlässig gewesen. Die beklagte Partei treffe somit am Zustandekommen des Unfalls ein Mitverschulden im Ausmaß von einem Drittel.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung, weil ihr kein Mitverschulden vorzuwerfen sei. Die Stapler seien nicht zur freien Benützung auf dem Betriebsgelände gestanden und die Schlüssel seien nur an qualifiziertes Personal ausgefolgt worden.

Die bei dem Unfall eingestürzte Schachtabdeckung sei ordnungsgemäß gewesen. Der Kläger und Wolfgang T***** seien ausschließlich unter dem Weisungsrecht ihres Arbeitgebers, der Firma Ing.R***** GesmbH & Co KG gestanden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Dabei wurden im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Im Betrieb der beklagten Partei werden mehrere Hubstapler verwendet. Die Arbeitnehmer und auch die bei der beklagten Partei beschäftigten "Leasingarbeitnehmer" dürfen nur dann ein derartiges Fahrzeug benützen, wenn sie der beklagten Partei die entsprechende Lenkerberechtigung vorweisen. Dann wird dem betreffenden Arbeitnehmer eine firmeninterne Berechtigung ausgestellt. Die Schlüssel für den Betrieb der Stapler werden prinzipiell nur an dafür berechtigte Personen ausgegeben. Es ist aber üblich, im Falle des Nichtgebrauches des jeweiligen Fahrzeuges den Schlüssel im Zündschloß stecken zu lassen, damit derjenige, der dann den Stapler benötigt, ihn sofort in Betrieb nehmen kann. Es kommt daher auch vor, daß Mitarbeiter der beklagten Partei einen Stapler benützen, ohne dafür die interne Firmenberechtigung zu haben. Dieser Wechsel der Fahrer auf den Hubstaplern kommt insbesonders deswegen zustande, weil ein bestimmter Hubstapler an mehreren Arbeitsplätzen eingesetzt werden muß.

Der Kläger und Wolfgang T***** waren in der Zeit von Juli bis September 1990 im Auftrag ihres Arbeitgebers am Betriebsgelände der beklagten Partei damit beschäftigt, Klimageräte zu installieren. Diese Geräte hatten ein Gewicht von etwa 300 kg und wurden in einem Zwischenlager am Betriebsgelände der beklagten Partei aufbewahrt. Zum Zwecke des Einbaus wurden diese Klimageräte dann von diesem Zwischenlager zum jeweiligen Installationsort mit Hubstaplern gebracht. Über Ersuchen des Klägers und des Zeugen T***** brachten anfangs die Staplerfahrer der beklagten Partei die Geräte zum Einsatzort. Es kam aber auch vor, daß der Zeuge T***** und der Kläger von sich aus einen freistehenden Hubstapler verwendeten, um die Geräte zu transportieren. Von ihrer Sicht sah es so aus, daß praktisch jeder bei der beklagten Partei Beschäftigte im Falle der Notwendigkeit sich eines Gabelstaplers bedienen könne. Der Zeuge T***** benützte bis zum Unfall auf dem Gelände der beklagten Partei etwa 12mal einen Stapler. Dem Kläger war aber bekannt, daß T***** nicht berechtigt war, den Stapler in Betrieb zu nehmen.

Am 12.9.1990 hatten der Kläger und T***** wieder ein Klimagerät zu transportieren. Ein Staplerfahrer überließ ihnen einen Stapler. T***** fuhr damit in einen Verbindungsgang zwischen zwei Hallen. Dort befand sich ein mit Holz abgedeckter und am Unfallstag nicht weiter abgesicherter Kabelschacht. Nachdem T***** mit dem Stapler etwa 9 m auf der Holzabdeckung zurückgelegt hatte, knackte diese. T***** hielt an und der Kläger legte für die Weiterfahrt eine Schaltafel auf die Abdeckung. Diese brach bei der Weiterfahrt jedoch ein, wodurch der Stapler kippte und den Kläger einklemmte. Der Kläger erlitt dadurch lebensgefährliche Verletzungen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Meinung, die beklagte Partei treffe ein Organisationsverschulden. Eine bloße Überprüfung, ob nur Berechtigte mit den Staplern fahren, sei aufgrund der Größe des Betriebes der beklagten Partei nicht möglich. Die Beklagte hätte daher die berechtigten Staplerfahrer anweisen müssen, die Schlüssel nach Gebrauch abzuziehen. Die mangelnde Abdeckung des Kabelschachtes sei der beklagten Partei hingegen nicht vorzuwerfen. Im Hinblick auf das Eigenverschulden des Klägers sei die Haftung der Beklagten im Ausmaß von einem Drittel angemessen.

Das von der Nebenintervenientin der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahingehend ab, daß es das Klagebegehren abwies. Der Wert des Entscheidungsgegenstandes wurde mit über 50.000,-- S bewertet, die ordentliche Revision wurde nicht für zulässig erklärt.

Zur Rechtsfrage wies das Berufungsgericht darauf hin, es sei niemals erörtert worden, ob der von T***** gelenkte Stapler ein Kraftfahrzeug im Sinne des EKHG sei. Diese Frage könne aber dahingestellt werden, weil der Schutzzweck des § 6 EKHG nicht darin erblickt werden könne, den Schwarzfahrer vor sich selbst zu schützen. Sowohl der Schwarzfahrer als auch der Teilnehmer an einer Schwarzfahrt handelten auf eigene Gefahr. Auch wenn der Kläger im vorliegenden Fall nicht selbst auf dem Stapler mitgefahren sei, sondern den Fahrer nur eingewiesen habe und ihm für die Weiterfahrt eine Schaltafel auf die Holzabdeckung gelegt habe, so sei der Kläger doch wegen des gemeinsam mit T***** ausgeführten Vorhabens als Teilnehmer an der Schwarzfahrt und nicht als geschützter Dritter anzusehen. Der Kläger und T***** hätten somit auf eigene Gefahr gehandelt. Wer aber selbst rechtswidrig handle und dabei zu Schaden komme, könne einen Schadenersatzanspruch nicht darauf gründen, daß ihn ein anderer von der rechtswidrigen Handlung hätte abhalten müssen.

Die mangelnde Absicherung des Schachtes sei nicht geeignet, eine Haftung der beklagten Partei herbeizuführen, weil die Absicherung nur auf das Vorhandensein der Grube aufmerksam machen sollte und keinesfalls als Garantie für die Befahrbarkeit einer hölzernen Schachtabdeckung verstanden werden dürfe.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei und deren Nebenintervenientin haben Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, weil es zur Frage, ob derjenige, der den unbefugten Benutzer eines Staplers einweist, als Teilnehmer an der Schwarzfahrt oder als geschützter Dritter anzusehen ist, an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt, sie ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, daß Arbeitnehmer zum Führen vom Staplern nur dann herangezogen werden dürften, wenn sie die notwendigen Fachkenntnisse im Sinne der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 6.6.1975 über den Nachweis der Fachkenntnisse für bestimmte Arbeiten besitzen. Gemäß § 9 Arbeitnehmerschutzgesetz sei der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitnehmer vor der erstmaligen Aufnahme der Tätigkeit im Betrieb auf die bestehenden Gefahren für Leben und Gesundheit in dem für sie in Betracht kommenden Umfang aufmerksam zu machen. Diese Vorschriften verpflichteten einen Arbeitgeber, dafür zu sorgen, daß nur die tatsächlich Berechtigten die am Betriebsgelände vorhandenen Maschinen in Betrieb nehmen können. Die beklagte Partei sei dieser ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, das Erstgericht habe zu Recht ein Organisationsverschulden angenommen. Daraus ergebe sich, daß die Beklagte gegen Schutznormen im Sinne des § 1311 ABGB verstoßen habe.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes liege auch kein echtes Handeln auf eigene Gefahr vor. Vielmehr seien nur die Voraussetzungen des "unechten Handelns auf eigene Gefahr" gegeben, weil der Kläger den Stapler nicht selbst gelenkt, sondern den Zeugen T***** lediglich eingewiesen habe. Der Kläger habe nicht im eigenen wirtschaftlichen Interesse gehandelt, sondern nur in Erfüllung eines Arbeitsauftrages und mittelbar damit auch im Interesse der beklagten Partei. Der Kläger sei auch nicht Teilnehmer an der Schwarzfahrt gewesen, weil er weder im oder auf dem von T***** gelenkten Stapler mitgefahren sei noch durch seine Tätigkeit die Fahrt erst ermöglicht habe. Die Tätigkeit des Klägers sei lediglich darin bestanden, den mit dem Hubstapler fahrenden Zeugen T***** einzuweisen. Durch diese Tätigkeit werde der Kläger keinesfalls zum Teilnehmer an der Schwarzfahrt.

Schließlich habe die beklagte Partei die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung niemals erhoben.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, daß die Frage, ob das EKHG auf den gegenständichen Unfall mit dem Stapler Anwendung findet, unerörtert bleiben kann, weil jedenfalls ein Handeln des Beklagten auf eigene Gefahr vorliegt. Von einem solchen wird dann gesprochen, wenn sich jemand einer ihm bekannten oder zumindest erkennbaren Gefahr, die ein anderer geschaffen hat, aussetzt (Koziol, Haftpflichtrecht I2, 96); es ist dann anzunehmen, wenn der Verletzte erkannt hat, daß er sich in eine besondere Gefahrenlage begibt, die über die normale Gefährlichkeit hinausgeht (ZVR 1959/98). Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ZVR 1962/22; ZVR 1983/201; SZ 53/151; ZVR 1992/69; ZVR 1995/41), daß das gegen den Halter gerichtete Begehren eines bei einer Schwarzfahrt verletzten Fahrzeuginsassen rechtsmißbräuchlich ist, wenn dem Verletzten die Tatsache der unberechtigten Inbetriebnahme durch den Lenker bekannt war. Dabei handelt es sich aber, wie die Lehre zutreffend ausführt (Koziol, aaO, II2 538 FN 162; Reischauer in Rummel2, Rz 59 zu § 1295), nicht um unzulässige Rechtsausübung, weil das Ersatzbegehren in der Regel etwas anderes bezweckt, als den anderen zu schädigen. Vielmehr liegt echtes Handeln auf eigene Gefahr vor (vgl. auch Hans Stoll, Handeln auf eigene Gefahr, 53 f). Dies führt dazu, daß der Halter des Kraftfahrzeuges dem gegenüber, der an der Schwarzfahrt in Kenntnis der Tatsache der unberechtigten Inbetriebnahme durch den Lenker teilgenommen hat, nicht haftet; die Pflicht zur Verhinderung von Schwarzfahrten besteht nämlich nicht gegenüber Personen, die sich wissentlich an einer Schwarzfahrt beteiligen (Hans Stoll, aaO, 54).

Richtig ist zwar, daß der Kläger im vorliegenden Fall nicht auf dem Stapler gefahren ist, sondern den Fahrer des Staplers eingewiesen hat. Doch haben der Kläger und Wolfgang T***** gemeinsam den Stapler benutzt, um das Klimagerät zu transportieren; dabei übernahm Wolfgang T***** die Rolle des Lenkers und der Kläger die Rolle des Einweisers. Die beiden handelten im gemeinsamen Interesse, das Klimagerät vom Zwischenlager zum Aufstellungsort zu bringen; in diesem Sinne hat sich der Kläger an der Schwarzfahrt des Wolfgang T***** beteiligt und bestand daher im Sinne der Ausführungen von Hans Stoll, aaO, ihm gegenüber keine Pflicht zur Verhinderung von Schwarzfahrten.

Das Berufungsgericht ist daher zu Recht von einem echten Handeln auf eigene Gefahr ausgegangen und hat aus diesem Grunde das Klagebegehren abgewiesen. Dieser Abweisungsgrund kommt sowohl zum Tragen, wenn man von der Anwendbarkeit des EKHG ausgeht als auch dann, wenn man dies verneint. Wenngleich von der beklagten Partei nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erhoben worden ist, hat sie doch geltend gemacht, der Kläger und T***** hätten den Stapler unbefugt benutzt. Das Berufungsgericht konnte daher, ohne über das Vorbringen der beklagten Partei hinauszugehen, aufgrund der unbefugten Benutzung das Klagebegehren wegen Handelns auf eigene Gefahr abweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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