OGH 2Ob435/49

OGH2Ob435/4926.10.1949

SZ 22/163

Normen

EheG §49
EheG §60
Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §76
Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §77
ZPO §187
ZPO §404
ZPO §482
ZPO §503 Z3
ZPO §503 Z4
ZPO §513
EheG §49
EheG §60
Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §76
Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §77
ZPO §187
ZPO §404
ZPO §482
ZPO §503 Z3
ZPO §503 Z4
ZPO §513

 

Spruch:

Wenn beide Ehegatten mit Klage und Widerklage, gestützt auf § 49 EheG., die Scheidung angestrebt haben, das Prozeßgericht jedoch beide Klagebegehren abgewiesen hat, kann der Ehegatte, der das Urteil unangefochten gelassen hat, die auf Grund der Berufung des anderen Teiles ergangene Entscheidung der zweiten Instanz, mit der die Ehe aus seinem Verschulden geschieden worden ist, sofern er nicht im Berufungsverfahren einen Mitverschuldensantrag gestellt hat, aus dem Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. nur in der Richtung bekämpfen, daß er die Abweisung des gegnerischen Klagebegehrens beantragt.

Im Revisionsverfahren kann ein Mitverschuldensantrag nicht mehr gestellt werden.

Entscheidung vom 26. Oktober 1949, 2 Ob 435/49.

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Das Prozeßgericht hat sowohl das Begehren der Klägerin als auch das des Beklagten in seiner Widerklage auf Scheidung der Ehe gemäß § 49 EheG. abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat auf Grund der Berufung des Widerklägers - die Klägerin hat eine Berufung nicht eingebracht und im Berufungsverfahren auch keinen Mitverschuldensantrag gestellt - die Ehe aus dem alleinigen Verschulden der Klägerin für geschieden erklärt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin, die die Abänderung des berufungsgerichtlichen Urteiles lediglich in eine Scheidung aus beiderseitigem Verschulden, allenfalls die Aufhebung des Urteiles und die Rückverweisung der Sache an die erste Instanz anstrebte, keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision bekämpft die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, es könne ein Mitverschulden des Beklagten nicht mehr ausgesprochen werden, weil die Klägerin gegen den ihre Klage abweisenden Teil des erstrichterlichen Erkenntnisses kein Rechtsmittel angebracht habe, und darum eine neuerliche und selbständige Würdigung der dem Beklagten vorgeworfenen Eheverfehlungen unter dem Gesichtspunkt eines diesem anzulastenden Verschuldens nicht stattfinden.

Wohl trifft es zu, daß das Berufungsgericht seinem Urteil, in welchem das Ergebnis der Überprüfung des Urteils erster Instanz zum Ausdruck kommt, nicht nur die Ergebnisse des Berufungsverfahrens, sondern auch die des erstrichterlichen Verfahrens zugrunde zu legen hat, so daß der Revisionsgrund des § 503 Z. 3 ZPO. vorliegt, wenn entscheidende, in den Akten erster Instanz enthaltene Tatsachen unberücksichtigt geblieben sind. Dieser Fall liegt hier deswegen nicht vor, weil das Verfahren über die Klage, das ja nur gemäß § 187 Abs. 1 ZPO. mit jenem über die Widerklage zu gemeinsamer Verhandlung zu verbinden und gemäß § 404 Abs. 2 ZPO. mit gemeinsamem Urteil zu beenden war, durch die Rechtskraft des die Klage abweisenden Urteiles, gegen das die Klägerin kein Rechtsmittel ergriffen hatte, beendet war. Das Verfahren vor dem Berufungsgericht hatte sich daher nur mehr mit der gegen den zweiten, die Widerklage erledigenden Teil des gemeinschaftlichen Urteiles ergriffenen Berufung des Beklagten und Widerklägers zu befassen und das Berufungsurteil sich darüber auszusprechen, ob die von der Widerklage behaupteten Eheverfehlungen der Klägerin vorliegen und einen Scheidungsgrund im Sinn des § 49 EheG. begrunden. Dies hat das Berufungsgericht getan, und wenn es dabei entgegen dem Erstgericht bei im wesentlichen unveränderten Beweisergebnissen den Sachverhalt rechtlich abweichend beurteilte und in dem Verhalten der Klägerin schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG. erblickte, hätte die Klägerin mit dem Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. nur diese Rechtsauffassung bekämpfen und die Abweisung der Widerklage begehren können. Gerade dies tut sie aber nicht; sie läßt vielmehr ausdrücklich den Scheidungsausspruch unangefochten und bekämpft nur den Verschuldensausspruch, indem sie gemäß § 60 EheG. einen Mitverschuldensantrag stellt. Damit setzt sie sich in Widerspruch mit verfahrensrechtlichen Grundsätzen des Ehegesetzes. Denn in der Revisionsinstanz können weder neue Tatsachen außerhalb der §§ 513, 482 ZPO. vorgebracht noch neue Klagegrunde geltend gemacht noch kann hier erst ein Mitverschuldensantrag gestellt werden. Die Klägerin hätte das ihre Klage abweisende Urteil entweder mit Berufung bekämpfen oder doch wenigstens bei der Berufungsverhandlung, an der sie sich beteiligte, einen Mitverschuldensantrag gemäß § 60 EheG. stellen müssen. Ihr Einwand, ihre Anträge seien nie zurückgezogen worden, ist also unzutreffend. Sie wurden zwar nicht zurückgezogen, aber durch rechtskräftiges Urteil erster Instanz erledigt, ohne daß zumindest in der Verschuldensfrage in zweiter Instanz ein Mitverschuldensantrag gestellt worden wäre. Von Amts wegen aber konnte das Berufungsgericht zufolge § 77 der 1. DVzEheG. nur ehefreundliche Tatsachen berücksichtigen (vgl. dazu Novak, Die Amtswegigkeit im österreichischen Eheverfahren und ihre Grenzen, Wien 1949, S. 99 ff.). Das übrige Tatsachenmaterial war infolge rechtskräftiger Abweisung des Klagebegehrens nicht mehr zu beachten, soweit es nicht zufolge eines gestellten Mitverschuldensantrages der Klägerin bei der Prüfung der Verschuldensfrage in Betracht gekommen wäre. Für das Berufungsgericht bestand daher nur mehr die Möglichkeit einer Abweisung der Widerklage, wenn es auf Grund der Aktenlage zur Überzeugung gekommen wäre, daß der Widerkläger selbst Verfehlungen begangen habe, die nach ihrer Art, insbesondere wegen des Zusammenhanges der Eheverfehlungen der Widerbeklagten mit seinem eigenen Verschulden, sein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht rechtfertigen. Diesen Ausnahmefall hat das Berufungsgericht in seiner Entscheidung ausdrücklich als nicht gegeben erachtet.

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