Spruch:
Ein Ersatzanspruch wegen Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit setzt in der Regel voraus, daß der Verletzte zur Zeit der Verletzung im Erwerbe stand, ist aber auch gegeben, wenn angenommen werden muß, daß der Verletzte Erwerb gesucht und gefunden hätte.
Entscheidung vom 24. Oktober 1952, 2 Ob 431/52.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger machte gegen den Beklagten, der ihn am 15. Juni 1947 schwer verletzt hatte, Schadenersatzansprüche geltend und begehrte u. a. den Ersatz des Verdienstes, den er als Handelsangestellter in den seiner Verletzung nachfolgenden 3 1/2 Jahren gehabt hätte. Der Kläger hatte mit Rücksicht darauf, daß er infolge einer Kriegsverletzung in der Ausübung seines früheren Berufes (landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter) um 25% beschränkt war, im Jahre 1946 eine Handelsschule besucht und hatte die Absicht, sich dem kaufmännischen Beruf zu widmen.
Das Erstgericht hat dem Kläger den Betrag von 17.255 S als Verdienstentgang zugesprochen.
Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Urteil bestätigt.
Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Beklagten nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zunächst bekämpft die Revision die "Rechtsansicht" des Berufungsgerichtes, daß sich der Kläger ohne die Körperverletzung dem kaufmännischen Beruf zugewendet hätte, da der Kläger in der Zeit von der Absolvierung der Handelsschule bis zur Verletzung nichts getan habe, um einen Dienstplatz als kaufmännischer Angestellter zu erhalten. Der Schluß der Unterinstanzen von Tatsachen (Herabsetzung der Verwendbarkeit als landwirtschaftlicher Arbeiter durch die Kriegsverletzung, kaufmännische Ausbildung) auf die Absicht des Klägers, Handelsangestellter zu werden, ist als Tatsachenfeststellung im Revisionsverfahren nicht überprüfbar (vgl. die bei Stagel - Michlmayr zu § 498 ZPO. unter B a 3 angeführten Entscheidungen), dasselbe gilt von der Feststellung, daß der Kläger diese Absicht ausgeführt hätte und auch ausführen hätte können. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß dem Kläger sohin durch seine Verletzung der Verdienst eines Handelsangestellten entgangen ist bzw. noch entgehen wird, widerspricht überdies weder der allgemeinen Lebenserfahrung noch den Denkgesetzen. Die in dieser Richtung von der Revision vorgetragene Bekämpfung des zweitinstanzlichen Urteiles versucht in unzulässiger Weise, die für die Revisionsinstanz nicht mehr veränderliche Tatsachengrundlage zu erschüttern. Die rechtliche Beurteilung der zweiten Instanz erscheint zutreffend. Denn wenn ein Ersatzanspruch wegen Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit auch in der Regel voraussetzt, daß der Verletzte zur Zeit der Verletzung im Erwerbe stand, ist dieser Ersatzanspruch doch auch gegeben, wenn angenommen werden muß, der Verletzte hätte Erwerb gesucht und gefunden (so 2 Ob 3/52).
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