European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00042.89.0329.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Begründung:
Am 11. Oktober 1984 ereignete sich auf der Westautobahn A 1, Wiener Richtungsfahrbahn, bei Kilometer 156,558, Gemeindegebiet Enns, ein Verkehrsunfall, an dem Ludwig K* mit seinem LKW Marke VW 291/D; behördliches Kennzeichen O-*, zum Unfallszeitpunkt haftpflichtversichert bei der Klägerin, Gustav M* mit seinem PKW Marke BMW 316, behördliches Kennzeichen N *, Anton K* mit seinem PKW Marke Datsun Cherry, behördliches Kennzeichen O-*, und der Erstbeklagte mit seinem PKW Marke Ford Sierra, behördliches Kennzeichen N *, haftpflichtversichert bei der Zweitbeklagten, beteiligt waren. Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Enns vom 8. Dezember 1984, 2 U 513/84, wurde Ludwig K* wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB rechtskräftig verurteilt. Es wurde ihm zur Last gelegt, daß er unter Außerachtlassung der für den Autobahn-Straßenverkehr besonders gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit den auf dem linken Fahrstreifen verkehrsbedingt angehaltenen PKW (des Anton K*) zu spät bemerkte und dadurch auf den von Gustav M* gelenkten PKW auffuhr, wodurch dessen Insasse Karl H* eine Nasenprellung und einen Bruch des Nasenbeins, verbunden mit einer die Dauer von 3, jedoch 24 Tage nicht übersteigenden Schädigung der Gesundheit erlitten hat. Die Klägerin leistete als Haftpflichtversicherer des Ludwig K* an den Geschädigten Gustav M* sowie dessen Insassen und an den Geschädigten Anton K* insgesamt S 179.550.
Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin von den Beklagten den Ersatz von 50 % der an die Geschädigten erbrachten Leistungen mit der Begründung, der Erstbeklagte habe den Unfall mitverschuldet. Der Erstbeklagte sei nämlich auf das vor ihm verkehrsbedingt anhaltende Fahrzeug des Anton K* infolge Unaufmerksamkeit bzw eines zu geringen Sicherheitsabstandes mit großer Wucht aufgefahren. Der hinter dem Erstbeklagten fahrende Gustav M* habe sein Fahrzeug gerade noch kontaktfrei hinter dem PKW des Erstbeklagten zum Stillstand bringen können. Das Verschulden des Erstbeklagten liege darin, daß er wegen seines wuchtigen Auffahrens auf das vor ihm anhaltende Fahrzeug eine beträchtliche Bremswegverkürzung zu vertreten habe.
Die Beklagten bestritten das Klagebegehren lediglich dem Grunde nach und wendeten ein, das Alleinverschulden im Verhältnis der Streitteile treffe Ludwig K*, der infolge überhöhter Geschwindigkeit, eines zu geringen Folgeabstandes und verspäteter Reaktion auf das kollisionsfrei hinter dem PKW des Erstbeklagten angehaltene Fahrzeug des Gustav M* aufgefahren sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:
Am Unfallstag bewegte sich auf der Westautobahn eine aufgelockerte Kolonne auf dem Überholstreifen der Wiener Richtungsfahrbahn mit einer Geschwindigkeit von rund 80 km/h. Anton K* mußte seinen PKW verkehrsbedingt anhalten. Der hinter ihm nachfahrende Rene O* lenkte seinen PKW Marke Alfa Romeo, behördliches Kennzeichen O-*, nach rechts auf den rechten Fahrstreifen, um einen Auffahrunfall zu vermeiden. Hinter O* fuhr der Erstbeklagte, der, als er die Situation erkannte, sein Fahrzeug voll abbremste und nach rechts auszuweichen versuchte. Er konnte aber nicht mehr verhindern, daß er mit verminderter Geschwindigkeit mit dem Vorderteil seines Fahrzeuges auf das rechte Heck des Fahrzeugs des Anton K* auffuhr. Hinter dem Erstbeklagten fuhr Gustav M* mit seinem PKW Marke BMW, der, als der Erstbeklagte sein Fahrzeug abbremste, ebenfalls ein Bremsmanöver einleitete und seinen PKW etwa 1 bis 1,5 m hinter dem PKW des Erstbeklagten zum Stillstand brachte. In unmittelbarer Folge stieß Ludwig K* mit seinem LKW mit einer Geschwindigkeit von 75 bis 80 km/h, ohne vorher gebremst zu haben, gegen das Heck des BMW von Gustav M*, wodurch dieser wiederum auf das Heck des vor ihm befindlichen PKWs des Erstbeklagten stieß. Der PKW des Erstbeklagten wurde dadurch nach rechts versetzt und kam auf dem Pannenstreifen zum Stillstand. Der PKW M*s stieß in der Folge auch noch gegen die linke Fahrzeugtüre des PKWs des Anton K*, wodurch an diesem Fahrzeug ein Schaden in der Höhe von S 40.014 entstand. Ludwig K* war vor der Kollision schon längere Zeit auf der Überholspur gefahren und hatte das vor ihm anhaltende Fahrzeug übersehen. Die im PKW des Gustav M* mitfahrenden Ing. Franz H* und Karl H* wurden jeweils leicht verletzt. Der Fahrzeugschaden des Anton K* wurde von der Klägerin nur in jenem Ausmaß befriedigt, als er auf den Anstoß durch den LKW des Ludwig K* verursacht wurde (= S 40.414).
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß der Erstbeklagte zwar durch sein Auffahren auf den PKW des Anton K* ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten gesetzt habe, daß aber durch den Umstand, daß der hinter ihm nachfahrende Gustav M* sein Fahrzeug kollisionsfrei zum Stillstand bringen habe können, eine Unterbrechung des Kausalzusammenhanges eingetreten sei und daher das Verhalten des Erstbeklagten nicht mehr als ursächlich für das Auffahren des Ludwig K* auf den PKW des Gustav M* qualifiziert werden könne. Da somit die von der Klägerin geleisteten Ersatzbeträge durch das schuldhafte Verhalten ihres Versicherungsnehmers K* vor der Kollision noch ein Bremsmanöver eingeleitet habe oder nicht. Er habe jedenfalls gegen § 18 Abs 1 StVO verstoßen.
Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos; das Berufungsgericht erklärte die Revision für nicht zulässig und führte aus, der Gesetzgeber habe gegen die Gefahr des Auffahrens eine doppelte Sicherung vorgesehen, einerseits durch die Verpflichtung des Nachfahrenden, einen angemessenen Sicherheitsabstand zum Vorderfahrzeug einzuhalten (§ 18 Abs 1 StVO), andererseits durch die Verpflichtung des Voranfahrenden, nicht jäh und für den Lenker eines nachfahrenden Fahrzeuges überraschend abzubremsen. Der Schutzzweck der Bestimmung des § 21 Abs 1 StVO beschränkte sich weder seinem Wortlaut ("wenn andere Straßenbenützer dadurch gefährdet oder behindert werden") noch seinem Sinne nach auf den Schutz des unmittelbar nachfolgenden Fahrzeuges und dessen Insassen (ZVR 1977/236). Insofern zitiere daher die Berufung den Schutzzweck der Bestimmung des § 21 StVO richtig. Es werde auch die Adäquität der Verursachung zu bejahren sein. Nach Lehre und Rechtsprechung (Adäquanztheorie) sei jede Bedingung als Ursache im Rechtssinn anzusehen, die für diesen Verlauf typisch und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zur Herbeiführung des Erfolges geeignet sei (vgl Koziol Haftpflichtrecht2 I, 144 ff; ZVR 1970/176). Es liege nicht außerhalb jeglicher menschlicher Erfahrung, sondern entspreche vielmehr dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge, daß jähes Abbremsen eines voranfahrenden Fahrzeuges auch zum Auffahren von hintereinander fahrenden Fahrzeugen führen könne, die nicht unmittelbar hinter dem abbremsenden Fahrzeug fahren. Vorliegendenfalls fehle aber der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Abbremsen des Erstbeklagten und dem Auffahren des Ludwig K* auf den unmittelbar vor ihm fahrenden PKW des Gustav M* und ein Verschulden des Erstbeklagten im Verhältnis zu Ludwig K*. Die Berufung übersehe nämlich, daß der Lenker eines Fahrzeuges zum jähen und überraschenden Abbremsen verpflichtet sei, wenn es die Verkehrssicherheit erfordere. Im vorliegenden Fall sei der Erstbeklagte verpflichtet gewesen, auf das verkehrsbedingte Anhalten des PKW des Anton K* auf der Überholspur unverzüglich zu reagieren, sei es auch durch eine jähe Bremsung. Daß die Vollbremsung dem Erstbeklagten ein kontaktfreies Anhalten hinter dem PKW des Anton K* nicht ermöglichte, sei entweder auf einen Aufmerksamkeitsfehler des Erstbeklagten oder auf einen zu geringen Tiefenabstand im Sinn des § 18 Abs 1 StVO des Erstbeklagten zum PKW des Anton K* zurückzuführen. Diesem gegenüber habe der Erstbeklagte insoweit ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten zu vertreten. Die von der Berufung dem Erstbeklagten vorgeworfene Bremswegverkürzung im Verhältnis zum nachkommenden Ludwig K* sei dem Erstbeklagen jedoch nicht anzulasten, der K* "geradezu durch sein Auffahren auf den PKW des Anton K* die größtmögliche Anhaltestrecke eingeräumt habe". In dem Umstand, daß der Erstbeklagte gegenüber Ludwig K* keinen Verstoß nach § 21 Abs 1 StVO zu vertreten habe, liege der Unterschied zu den Sachverhalten, die der von der Berufung zitierten Rechtsprechung zugrundeliegen, in welchen der Lenker des "ersten" Fahrzeuges einer Kolonne gegen die zitierte Gesetzesstelle verstoßen habe. Am Verschulden des Ludwig K* würde sich auch nichts ändern, wenn man davon ausgingen, wie dies die Berufung in ihrer Tatsachenrüge anstrebe, daß K* nicht ungebremst aufgefahren sei, da das Auffahren des K* auf den kontaktfrei hinter dem Erstbeklagten zum Stillstand gebrachten PKW des M* unstrittig sei. Ebensowenig wäre für den Standpunkt der Klägerin etwas gewonnen, wenn sich durch die Einvernahme des Zeugen B* und des Erstbeklagten sowie auf Grund einer fotogrammetrischen Auswertung der Spuren - die Berufung rüge das Unterbleiben dieser beantragen Beweismittel als Verfahrensmangel - eine andere als vom Erstgericht festgestellte Ausgangs- und Kollisionsgeschwindigkeit für den LKW K* ergeben würde, da der vom Erstgericht festgestellte Geschehensablauf grundsätzlich unstrittig sei. Eine Bremsverkürzung habe der Erstbeklagte gegenüber Ludwig K*, wie bereits dargelegt, nicht zu vertreten. Soweit sich die Berufung darauf berufe, daß der LKW K*s mit einer Ladung von 1 t beladen gewesen sei und daher der Anhalteweg für K* länger gewesen sei als für M*, sei ihr entgegenzuhalten, daß ein sich daraus ergebender längerer Bremsweg nicht vom Erstbeklagten, sondern von Ludwig K* zu vertreten sei, zumal der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs‑ und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen habe (§ 20 StVO).
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die außerordentliche Revision der Klägerin aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf "Aufhebung" (gemeint offenbar Abänderung) im Sinne der Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Oberste Gerichtshof hat gemäß § 508a Abs 2 ZPO den Beklagten die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt. Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO) und im Sinne ihres Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Die Klägerin führt in ihrem Rechtsmittel aus, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung ZVR 1982/232 ausgesprochen, daß ein Verstoß nach § 21 Abs 1 StVO auch dann vorliege, wenn sich ein Fahrzeuglenker durch seine erhebliche Unaufmerksamkeit und beträchtliche Reaktionsverzögerung verschuldet in eine Situation gebracht habe, die eine plötzliche starke Bremsung seines Fahrzeuges, durch die dann weitere Auffahrunfälle verursacht werden, erforderlich machte. Der genannten Entscheidung liege ein Sachverhalt zugrunde, wo einem KFZ-Lenker ein Verstoß gegen § 21 Abs 1 StVO angelastet wurde, obwohl er nicht das "erste Fahrzeug" einer Kolonne gewesen sei. Dies bedeute, daß ein Verstoß nach § 21 Abs 1 StVO auch dann vorliege, wenn ein jähes und überraschendes Abbremsmanöver zwar aufgrund der Verkehrssicherheit erforderlich war, der Abbremsende jedoch aufgrund seiner Unaufmerksamkeit, Reaktionsverzögerung oder überhöhten Geschwindigkeit eine derartige Situation heraufbeschworen habe. Im vorliegenden Fall sei das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, daß der Erstbeklagte im Verhältnis zu dem vor ihm fahrenden Anton K* einen Aufmerksamkeitsfehler oder einen zu geringen Tiefenabstand iSd § 18 Abs 1 StVO zu vertreten habe. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes wirke dieses rechtswidrige und schuldhafte Verhalten jedoch nicht gegenüber Ludwig K*. Diese Auffassung stehe jedoch im Widerspruch zu der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ZVR 1982/232, welche sehr wohl eine Verschuldensteilung zwischen dem gegen § 18 Abs 1 StVO verstoßenden und jäh abbremsenden Fahrzeuglenker und den nachkommenden und auffahrenden Fahrzeuglenker vorgenommen habe. Das Berufungsgericht habe daher zu Unrecht unter Hinweis auf die zitierte "einhellige" oberstgerichtliche Judikatur die Revision nicht zugelassen. Das Berufungsgericht gehe wohl von einer eingetretenen Bremswegverkürzung durch den PKW des Erstbeklagten aus, sei jedoch in rechtlicher Sicht der Auffassung, daß diese der Erstbeklagte gegenüber Ludwig K* nicht zu vertreten habe. Aus der Entscheidung ZVR 1982/232 gehe jedoch hervor, daß eine derartige Bremswegverkürzung, durch welche ein Auffahrunfall mitverursacht wurde, sehr wohl vom Erstbeklagten zu vertreten sei. Wesentlich sei, daß der Erstbeklagte aufgrund eines zu geringen Sicherheitsabstandes zu dem vor ihm fahrenden PKW K*s oder zufolge einer Reaktionsverspätung eine Situation herbeigeführt habe, die ihn genötigt habe, ein jähes und für die nachkommenden PKWs überraschendes Bremsmanöver durchzuführen. Dieses Verschulden wirke nicht nur gegenüber dem vor dem Erstbeklagten fahrenden PKW-Lenker, sondern wohl auch gegenüber den nachkommenden Fahrzeuglenkern. Hätte der Erstbeklagte sich nicht aufgrund des zu geringen Sicherheitsabstandes oder der verspäteten Reaktion in eine derartige Situation versetzt, die ihn zu einer Notbremsung nötigte, so hätten die nachkommenden Kraftfahrzeuglenker mehr Zeit gehabt, sich auf das notwendige Bremsmanöver rechtzeitig einzustellen. Das jähe und für den nachfolgenden Kraftfahrzeuglenker überraschende Bremsmanöver sei daher im Zusammenhang mit dem festgestellten mangelnden Sicherheitsabstand bzw Reaktionsverzug des Erstbeklagten rechtswidrig auch in bezug auf die nachkommenden Fahrzeuglenker. Sofern § 21 Abs 1 2. Halbsatz bestimme, daß ein jähes und überraschendes Abbremsen dann nicht rechtswidrig sei, wenn es die Verkehrssicherheit erfordere, so könne dies wohl nur demjenigen zugute kommen, der sich nicht schuldhaft und rechtswidrig in eine derartige Situation versetzt habe. In der Entscheidung ZVR 1982/232 sei eine Verschuldensteilung von 2 : 3 zu Lasten desjenigen angenommen worden, der sich aufgrund der Einhaltung eines zu geringen Sicherheitsabstandes oder eines Aufmerksamkeitsfehlers in eine derartige Situation versetzt habe, die es notwendig machte, eine Notbremsung durchzuführen, was wiederum dazu führte, daß der nachkommende PKW auffuhr. Die Untergerichte hätten daher im klagsgegenständlichen Fall zumindest eine Verschuldensteilung von 1 : 1 annehmen und demzufolge dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgeben müssen. Sollte der Oberste Gerichtshof jedoch zum Ergebnis kommen, daß hinsichtlich der Bremswegverkürzung der Sachverhalt noch nicht eindeutig geklärt sei, liege jedenfalls ein sekundärer Verfahrensmangel vor, zumal ja die Untergerichte deshalb diesbezüglich keine exakten Feststellungen getroffen hätten.
Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, daß der Gesetzgeber gegen die Gefahr des Auffahrens eine doppelte Sicherung vorgesehen hat, einerseits durch die Verpflichtung des Nachfahrenden, einen angemessenen Sicherheitsabstand zum Vorderfahrzeug einzuhalten (§ 18 Abs 1 StVO), anderseits durch die Verpflichtung des Voranfahrenden, nicht jäh und für den Lenker eines nachfahrenden Fahrzeuges überraschend abzubremsen. Der Schutzzweck der Bestimmung des § 21 Abs 1 StVO beschränkt sich weder seinem Wortlaut ("wenn andere Straßenbenützer dadurch gefährdet oder behindert werden") noch seinem Sinne nach auf den Schutz des unmittelbar nachfolgenden Fahrzeuges und dessen Insassen. Jähes Abbremsen des voranfahrenden Fahrzeuges löst besonders im Stadtverkehr und bei Kolonnenfahren nicht nur die Gefahr des Auffahrens für das unmittelbar nachfolgende Fahrzeug, sondern auch für die diesem nachkommenden Fahrzeuge aus (ZVR 1977/236, ZVR 1980/129, ZVR 1983/29 ua). Ebenso hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß sich der Zweck des § 18 Abs 1 StVO weder seinem Wortlaut noch seinem Sinn nach nur auf das vordere Fahrzeug und dessen Insassen erstreckt (vgl ZVR 1972/42 ua). Das Berufungsgericht hat auch mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen werden kann, den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem jähen Abbremsen des Fahrzeuges des Erstbeklagten und dem Auffahren des LKWs des Klägers auf den vor ihm zum Stillstand gebrachten PKW des Gustav M* bejaht, wobei das rechtzeitige Anhalten des zuletzt genannten PKWs hinter dem PKW des Erstbeklagten entgegen der Auffassung des Erstgerichts keineswegs eine Unterbrechung des Kausalzusammenhanges bewirkte (vgl hiezu ebenfalls ZVR 1977/236 ua). Das Berufungsgericht vertrat aber darüber hinaus die Auffassung, es fehle der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Abbremsen des Erstbeklagten und dem Auffahren des Ludwig K* auf den unmittelbar vor ihm fahrenden PKW des Gustav M* und ein Verschulden des Erstbeklagten im Verhältnis zu Ludwig K*. Die Berufung übersehe nämlich, daß der Lenker eines Fahrzeuges zum jähen und überraschenden Abbremsen verpflichtet sei, wenn es die Verkehrssicherheit erfordere. Im vorliegenden Fall sei der Erstbeklagte verpflichtet gewesen, auf das verkehrsbedingte Anhalten des PKW des Anton K* auf der Überholspur unverzüglich zu reagieren, sei es auch durch eine jähe Bremsung. Daß die Vollbremsung dem Erstbeklagten ein kontaktfreies Anhalten hinter dem PKW des Anton K* nicht ermöglichte, sei entweder auf einen Aufmerksamkeitsfehler des Erstbeklagten oder auf einen zu geringen Tiefenabstand im Sinn des § 18 Abs 1 StVO des Erstbeklagten zum PKW des Anton K* zurückzuführen. Diesem gegenüber habe der Erstbeklagte insoweit ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten zu vertreten. Die von der Berufung dem Erstbeklagten vorgeworfene Bremswegverkürzung im Verhältnis zum nachkommenden Ludwig K* sei dem Erstbeklagten jedoch nicht anzulasten, dem er "geradezu durch sein Auffahren auf den PKW des Anton K* die größtmögliche Anhaltestrecke eingeräumt habe".
Wie der Oberste Gerichtshof ausgesprochen hat (ZVR 1982/232, 8 Ob 118/82 ua), kann von der Notwendigkeit einer "verkehrsbedingten" Bremsung dann nicht die Rede sein, wenn sich der Lenker durch einen Aufmerksamkeitsfehler oder einen zu geringen Tiefenabstand zum voranfahrenden Fahrzeug, somit verschuldet in eine Situation gebracht hat, die dann eine jähe Bremsung erforderlich machte. Gerade das war aber, wie das Berufungsgericht, ja selbst richtig erkannte, hinsichtlich des Verhaltens des Erstbeklagten auf die verkehrsbedingte Bremsung des von Anton K* gelenkten PKWs der Fall. Mit seiner Auffassung, es mangle am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem jähen Bremsen des Erstbeklagten und dem Auffahren des LKW des Klägers auf den PKW des Gustav M*, weicht daher das Berufungsgericht von der oben angeführten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ab. Dasselbe gilt von der Auffassung des Berufungsgerichtes, eine Bremswegverkürzung im Verhältnis zum nachkommenden LKW des Klägers sei dem Erstbeklagten nicht als Verschulden anzulasten, weil er dem Kläger durch sein Auffahren auf den PKW des Anton K* "geradezu die größtmögliche Anhaltestrecke eingeräumt habe". Wie der Oberste Gerichtshof in den nichtveröffentlichten Entscheidungen 8 Ob 91/83 und 8 Ob 118/82 ausgesprochen hat, fällt dem Lenker, der entweder infolge eines zu geringen Tiefenabstandes oder infolge einer verspäteten Reaktion auf das vor ihm fahrende Fahrzeug aufgefahren ist, ein Verstoß gegen § 18 Abs 1 StVO zur Last. Dieser hat dadurch aber auch die Anhaltewege nachfolgender Fahrzeuglenker jedenfalls um jene Strecke verkürzt, innerhalb welcher er ohne den Anstoß an das vor ihm befindliche Fahrzeug seinen PKW hätte anhalten können. Dieselbe Strecke wäre nämlich den nachfolgenden Fahrzeuglenkern als weiterer Bremsweg zur Verfügung gestanden, was eine weitere Geschwindigkeitsverminderung dieser Fahrzeuge und damit voraussichtlich zumindest eine Verringerung des Schadens bewirkt hätte. Auch mit seiner Ansicht, dem Erstbeklagten könne gegenüber dem Kläger kein Verschulden angelastet werden, weil er dessen Bremsweg nicht verkürzt habe, weicht somit das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ab. Es liegt damit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vor, so daß die Revision ungeachtet des für das Revisionsgericht nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 3 ZPO zulässig ist. Das Rechtsmittel ist auch im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt. Zur Beurteilung des Verschuldens des Erstbeklagten im Verhältnis zu dem den Kläger treffenden Verschulden an dem Auffahrunfall bedarf es nämlich ergänzender Feststellungen über den Unfallshergang, insbesondere über die durch das Auffahren des Erstbeklagten auf dem PKW des Anton K* für den Kläger bewirkte Bremswegverkürzung, durch geeignete Beweiserhebungen, etwa über die Ausgangs- und Kollisionsgeschwindigkeit des LKWs des Klägers, wobei auch eine Ergänzung des Sachverständigengutachtens wohl nicht zu vermeiden sein wird.
Der Revision war daher Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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