Normen
ABGB §1325
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §11
ABGB §1325
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §11
Spruch:
Der Rückgriffs- und Ausgleichsanspruch nach § 11 EKHG. setzt zwar eine gesetzliche Haftung der Beteiligten für Schadenersatz voraus; in dieser Hinsicht kommt aber nicht nur das EKHG., sondern auch das ABGB. in Betracht, sodaß § 11 EKHG. heranzuziehen ist, auch wenn das Begehren zum Teil Schmerzengeld betrifft, wofür nach EKHG. an sich keine Haftung besteht
Entscheidung vom 13. Jänner 1966, 2 Ob 427/65
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien
Text
Der Kläger hat als Mopedfahrer (samt Sozius Peter B.) am 31. August 1961 auf der Bundesstraße 17 einen Verkehrsunfall erlitten, als sein Fahrzeug vom PKW des Beklagten (Lenker war der Beklagte) im Gemeindegebiete von V. in der Höhe der Einmundung der O.-Straße niedergestoßen wurde. Das gegen den Kläger wegen dieses Verkehrsunfalls eingeleitete Strafverfahren ist gemäß § 90 StPO. eingestellt worden. Der Beklagte aber ist von der Anklage wegen Übertretung nach § 335 StG. gemäß § 259 Z. 3 StPO. - rechtskräftig - freigesprochen worden. Nunmehr macht der Kläger Schadenersatzansprüche wegen der Unfallsfolgen aus dessen Alleinverschulden geltend. Nach dem letzten Stande des erstgerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte ein Mitverschulden im Ausmaß von 20% am Unfalle vom 31. August 1961 anerkannt und zugleich compensando eine Gegenforderung eingewendet (nämlich 80% der von ihm an den Mitfahrer des Klägers aus diesem Unfalle erbrachten Ersatzleistungen).
Mit Urteil vom 11. Mai 1965 hat das Erstgericht ausgesprochen, daß die Forderung des Klägers mit 10.969.68 S zu Recht und die Gegenforderung des Beklagten mit 2292 S zu Recht bestehe; demnach ist der Beklagte zur Zahlung des Betrages von 8677.68 S s. A. an den Kläger verurteilt worden; das Mehrbegehren puncto 5034.42 S s. A. ist abgewiesen worden. Das Erstgericht erachtete die Aufteilung des Schadens im Verhältnis von 1 zu 4 zu Lasten des Beklagten für angemessen; bei der Berechnung war das Erstgericht von der Klagsforderung in der Höhe von 13.712.10 S und von der Gegenforderung in der Höhe von 11.464 S ausgegangen.
Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers nicht Folge gegeben; der Berufung des Beklagten aber hat es teilweise Folge gegeben und in Abänderung des Ersturteils ausgesprochen, daß der Klagsanspruch mit dem Betrage von 9141.40 S zu Recht, die Gegenforderung des Beklagten aber mit dem Betrage von 3821.33 S zu Recht bestehe; demgemäß ist der Beklagte zur Zahlung des Betrages von 5320.07 S s. A. an den Kläger verurteilt und das Mehrbegehren puncto 8392.03 S s. A. abgewiesen worden. Das Berufungsgericht war zur Schadensaufteilung im Verhältnisse von 1 zu 2 zu Lasten des Beklagten gekommen, woraus sich bei den unverändert gebliebenen Grundbeträgen die Entscheidung der Berufungsinstanz ergibt.
Der Oberste Gerichtshof gab keiner der beiden Revisionen Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Beide Vorinstanzen haben ein verkehrswidriges Verhalten beider Parteien für gegeben erachtet, nämlich die Einhaltung einer für die Verhältnisse übermäßigen Fahrgeschwindigkeit (§ 20 (1) StVO. 1960) durch den Beklagten und einen Verstoß des Klägers gegen die Bestimmungen des § 11 (1) dieses Gesetzes über den Wechsel des Fahrstreifens; während aber das Erstgericht den Schaden im Verhältnisse von 1 zu 4 zu Lasten des Beklagten aufgeteilt hatte, erachtete die Berufungsinstanz die Aufteilung im Verhältnisse von 1 zu 2 zuungunsten des Beklagten für gerechtfertigt. Dagegen nehmen beide Revisionswerber Stellung. Der Kläger vertritt wie im vorausgegangenen Verfahren primär die Auffassung, daß ihm der Beklagte zur Gänze ersatzpflichtig sei, während der Beklagte zwar seine Haftung zugesteht, jedoch nur im Verhältnisse von 1 zu 4 zu Lasten des Klägers. Der von den Revisionswerbern gerügte Rechtsirrtum in der Anwendung der Bestimmungen des § 11 EKHG. liegt aber nicht vor. Denn der Kläger muß dafür einstehen, daß er durch den von ihm vorgenommenen Wechsel des Fahrstreifens den nachfolgenden Verkehr (Walter H. und in der Folge auch den Beklagten) behindert hat. Der Beklagte aber wendet sich zu Unrecht gegen die Anwendung des § 11 EKHG., denn der Rückgriffs- und Ausgleichsanspruch nach dieser Vorschrift setzt zwar eine gesetzliche Haftung der Beteiligten für Schadenersatz voraus; in dieser Hinsicht kommen aber nicht nur die Bestimmungen des EKHG., sondern auch die allgemeinen Vorschriften des ABGB. über unerlaubte Handlungen in Betracht, sodaß sich die Berufungsinstanz zutreffend auf § 11 EKHG. bezogen hat, auch wenn das Begehren des Klägers zum Teil Schmerzengeld betrifft, wofür im EKHG. an sich keine Haftung besteht. Der Beklagte verkennt auch die Bedeutung seines Verstoßes gegen die Schutznorm des § 20 (1) StVO. 1960, wenn er die Schadensaufteilung der Berufungsinstanz als rechtsirrig rügt. Er hatte doch bei seiner Fahrgeschwindigkeit von rund 115 km/h von vornherein einen zu geringen Abstand vom Kraftwagen seines Bruders eingehalten (50 bis 60 m bei einem Anhalteweg von etwas über 115 m), sodaß er bei jedem Zwischenfall, der seinen Vordermann betraf, Gefahren für die anderen Straßenbenützer herbeiführen mußte; unter diesem Gesichtspunkte muß sein Verhalten beurteilt werden, zumal er bei Erkennbarkeit der Gefahr laut den obigen Feststellungen die rechtzeitige Reaktion unterlassen hat. Bei diesen Umständen erachtet das Revisionsgericht die vom Berufungssenate vorgenommene Schadensaufteilung im Verhältnisse von 1 zu 2 zu Lasten des Beklagten für gerechtfertigt.
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