Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die mj. Zwillinge Melanie und Gerhard V***** leben in Pflege und Erziehung bei ihrer Mutter. Der unterhaltspflichtige Vater der Minderjährigen wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 14. 1.1994 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von je S 2.650,-, insgesamt sohin von S 5.300,- verpflichtet (ON 4). Ein gegen eine monatlich S 2.000,- übersteigende Unterhaltsverpflichtung gerichteter Rekurs des Vaters blieb ergebnislos, weil er der Ladung zum Unterhaltsantrag der Kinder nicht Folge geleistet habe und auf seinermals im Rekurs erstattetes Vorbringen, sein dem Unterhaltsantrag zugrunde liegendes Einkommen sei viel zu hoch angenommen worden, nicht Bedacht genommen werden könne (ON 13). Aufgrund dieses Titels wurden den Kindern mit den Beschlüssen vom 27. 6. 1994 Unterhaltsvorschüsse von je S 2.650,-- gewährt (ON 17 und 18). Die dem Vater am 7. 7. 1994 zugestellten Gleichschriften dieser Beschlüsse enthalten den in nicht besonders auffälliger Schriftart bzw Schriftgröße an der linken unteren Stelle des Formulars (AußStrForm 180/2) plazierten Hinweis:
"Der Unterhaltsschuldner, der gesetzliche Vater des Kindes (§ 9 UVG) und derjenige, der das Kind pflegt und erzieht, haben dem Gericht unverzüglich den Eintritt jedes Grundes für die Herabsetzung oder Einstellung der Vorschüsse mitzuteilen (§ 21 UVG); sie werden auf ihre allfällige Ersatzpflicht (§ 22 UVG) aufmerksam gemacht". Auf der Rückseite finden sich in oranger Schrift gedruckte Hinweise über die Mitteilungspflicht in Unterhaltsvorschußsachen. Darunter werden unter anderem als Gründe für die Herabsetzung oder Einstellung der Vorschüsse die Verminderung oder Verlust der Fähigkeit des Unterhaltsschuldners, für den Unterhalt des Kindes aufzukommen (Arbeitslosigkeit, länger dauernde Krankheit, Verlust des erwerbsbringenden Vermögens, länger dauernde Haft, jede Verminderung des Einkommens des Unterhaltsschuldners) angeführt.
Anläßlich eines Unterhaltserhöhungsantrages der Kinder (ON 20) vom 14. 5. 1996 sprach der Vater am 4. 5. 1996 bei Gericht vor und gab bekannt, in den Jahren 1994 und 1995 wiederholt Arbeitslosengeld, Notstandshilfe bzw. Krankengeld bezogen zu haben. Er sei beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend gemeldet und habe regelmäßig dort vorgesprochen. Er ersuche das Gericht, die Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw der Krankenstände und die dazu erhaltenen Auszahlungen zu eruieren und stellte einen Unterhaltsherabsetzungsantrag in Aussicht. Nach Einholung von Auskünften bei der Wiener Gebietskrankenkasse sowie beim Arbeitsmarktservice (ON 24 und 25) stellte der Vater am 23. 8. 1996 (ON 27) den Antrag, seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern ab 1. 1. 1995 herabzusetzen. Nach Einholung weiterer Gehaltsauskünfte bzw Auskünfte über den Bezug von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe stimmte der Unterhaltssachwalter der Kinder dem Unterhaltsherabsetzungsantrag zu. Mit Beschluß vom 19. 12. 1996 setzte das Erstgericht den vom Vater zu leistenden Unterhalt ab 1. 1. 1995 bis auf weiters auf je S 2.000,-- insgesamt auf S 4.000,- herab. Gleichzeitig wurden die Unterhaltsvorschüsse für die Zeit vom 1.1. 1995 bis 31. 4. 1997 auf monatlich je S 2.000,- abgeändert.
Die vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien namens der Republik Österreich gestellten Anträge, die Kinder, den gesetzlichen Vertreter, die Pflegeperson und den Unterhaltsschuldner zum Rückersatz zuviel bezahlter Unterhaltsvorschüsse in Höhe von je S 15.600,- zu verpflichten, wurden mit Beschluß des Erstgerichtes vom 14. 8. 1997 abgewiesen (ON 51). Er ist hinsichtlich der Kinder, des Vertreters und der Mutter in Rechtskraft erwachsen. Der Vater habe zwar seine Mitteilungspflicht objektiv verletzt, eine ihm aufzuerlegende Rückersatzverpflichtung würde aber den laufenden Unterhalt des Kindes gefährden.
Das Rekursgericht gab dem vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien namens der Republik Österreich erhobenen Rekurs mit dem Antrag, allein den Vater als Unterhaltsschuldner zur Rückzahlung von S 15.600,- (pro Kind) zu verpflichten, nicht Folge. Es erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Gemäß § 22 Abs 2 UVG entfalle die Rückersatzverpflichtung, wenn durch sie der laufende Unterhalt des Kindes gefährdet werde.
Dagegen richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, mit dem Antrag, den Unterhaltsschuldner zum Rückersatz von (je) S 15.600,- zu verpflichten.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Auf die in der Rekursentscheidung aufgeworfene Frage, ob durch die Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zum Rückersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse der laufende Unterhalt des Kindes gefährdet wäre und sohin die Ausnahmebestimmung des § 22 Abs 2 UVG zum Tragen kommt, ist nicht weiter einzugehen, weil im konkreten Fall eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht durch den Vater nicht vorliegt. Dies wäre aber nach § 22 Abs 1 letzter Satz Voraussetzung zur Geltendmachung der Rückersatzpflicht. Der Oberste Gerichtshof hat zu § 22 Abs 2 UVG in der Entscheidung 7 Ob 346/97a (ÖA 1999, 43), unter Hinweis auf Knoll (UVG, § 22 Rz 8) bereits ausgeführt, daß das Außerachtlassen der zugekommenen Rechtsbelehrung grundsätzlich als grobe Fahrlässigkeit zu werten ist und die Rückersatzpflicht des Unterhaltsschuldners begründet, wenn er es unterlassen hat, seine geänderten Einkommensverhältnisse dem Gericht mitzuteilen. Diese Rechtsauffassung ist aber dahingehend zu ergänzen, daß jedenfalls auch die Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung des Vorliegens grober Fahrlässigkeit heranzuziehen sind, weil auch eine - wie hier - objektive Verletzung der Mitteilungspflicht nicht immer bedeutet, daß sie sie auch subjektiv schwer vorwerfbar wäre.
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung dann vor, wenn der Schaden als wahrscheinlich vorhersehbar war, wenn das Versehen mit Rücksicht auf seine Schwere oder Häufigkeit nur bei besonderer Nachlässigkeit und nur bei besonders nachlässigen oder leichtsinnigen Menschen vorkommt (vgl JBl 1980, 209 unter Berufung auf Ent, Das Unterhaltsvorschußgesetz, ÖJZ 1977,510). Insbesondere dürfen die Sorgfaltspflichten nicht überspannt werden. Die Kenntnis der aktuellen Unterhaltsspruchpraxis kann bei Nichtjuristen nicht verlangt werden (vgl Neumayr in Schwimann, ABGB2 § 22 UVG Rz 24): Im allgemeinen und gebräuchlichen Sinn kann grobe Fahrlässigkeit bei Verletzung der Mitteilungspflicht nur angenommen werden, wenn (auch für einen einfachen Menschen) die hohe Wahrscheinlichkeit der Unrechtmäßigkeit des Bezugs einsichtig ist und von ihm daher eine Bekanntgabe an das Gericht erwartet werden kann, etwa weil es plötzlich zu einer Überalimentation aufgrund von Mehrbezug gleichgelagerter staatlicher Geldleistungen kommt. Eine solche Gewißheit muß aber beim Unterhaltsschuldner trotz Erhalts einer deutlichen Rechtsbelehrung nicht immer gegeben sein. Die Tatsache einer solchen Rechtsbelehrung mit dem Gewährungsbeschluß reicht somit allein nicht aus, grobe Fahrlässigkeit bei Verletzung der Mitteilungspflicht zu begründen (Neumayr aaO).
Im vorliegenden Fall kann eine Verletzung der Mitteilungspflicht durch den Unterhaltsschuldner lediglich im strittigen Zeitraum 1. 1. 1995 bis 14. 6. 1996 vorliegen, weil er zu letzterem Zeitpunkt seine Einkommensverhältnisse dem Gericht bekannt gegeben hat. In diesem strittigen Zeitraum bezog er zwar wiederholt Notstandshilfe und Arbeitslosengeld; andererseits war er einige Zeit auch (als Installateur) beschäftigt. Zudem war sich der Unterhaltsschuldner über die Höhe des den Kindern gebührenden Unterhalts nicht im klaren. Besondere Umstände, die eine grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht annehmen ließen, sind dem Akteninhalt daher nicht zu entnehmen.
Dem Revisionsrekurs war daher aus den dargelegten Gründen nicht Folge zu geben.
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