Spruch:
Zur Frage der Haftung des Veranstalters eines Rennens gegenüber den Rennfahrern.
Entscheidung vom 7. Dezember 1961, 2 Ob 401/61.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Gatte der Erstklägerin und Vater der zweit- und drittklagenden Parteien hat am 21. April 1956 als Rennfahrer an einem vom erstbeklagten Motor-Rennklub im Wiener Stadion veranstalteten Speedway-Rennen teilgenommen und ist dabei so schwer verunglückt, daß er noch am selben Tag starb. Die drittbeklagte Partei hat das Wiener Stadion der erstbeklagten Partei für die bezeichnete Veranstaltung mietweise überlassen. Der zweitbeklagten Partei obliegt durch die Oberste Nationale Sportkommission die Erlassung der mit den internationalen Sportgesetzen im Einklang stehenden nationalen Sportgesetze sowie die Überwachung ihrer Einhaltung. Mit Bescheid vom 25. März 1955 hat der Wiener Magistrat gemäß § 11 des Wiener Theatergesetzes die Eignung der Stadion-Hauptkampfbahn zur Veranstaltung von Motorradrennen mit Solomaschinen unter bestimmten Voraussetzungen festgestellt.
Das im Zusammenhang mit dem Unfall gegen unbekannte Täter in der Richtung des Vergehens nach § 335 StG. eingeleitete Strafverfahren ist am 24. Mai 1956 gemäß § 90 StPO. eingestellt worden. Mit der Behauptung des Verschuldens am Tod ihres Ernährers begehrten die klagenden Parteien als dessen unterhaltsberechtigte Hinterbliebene Schadenersatz.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die für die Rennveranstaltung behördlich vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen seien durchgeführt worden; Vorschriften der internationalen und der für Österreich in Geltung befindlich gewesenen nationalen Sportgesetze seien nicht verletzt worden; dem vom Team ausgesprochenen Wunsch auf Anbringung zusätzlicher Strohballen sei entsprochen worden; in der Unterlassung der Anbringung eines die Rennbahn umgebenden Sicherheitszaunes und in der Unterlassung der vollständigen Verkleidung der Nischen unter den Differenzstiegen sei bei keiner der beklagten Parteien ein Verschulden zu erblicken.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Parteien nicht Folge.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Rechtsrüge kommt keine Berechtigung zu. Im erstgerichtlichen Verfahren haben die Kläger das Verschulden der Beklagten darin erblickt, daß diese nicht einmal die vom Magistrat Wien aufgetragenen Sicherungsmaßnahmen veranlaßt bzw. für deren Durchführung Sorge getragen hätten; das Verschulden der Beklagten bestehe darüber hinaus auch darin, daß sie die bei Speedway-Veranstaltungen international vorgesehenen und ihnen aus Theorie und Praxis bekannten Vorschriften ignoriert hätten. Nun ist das Erstgericht - mit Billigung der zweiten Instanz - zum Ergebnis gelangt, daß die behördlich vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen am 21. April 1956 durchgeführt und Vorschriften der damaligen internationalen und der für Österreich damals in Geltung gewesenen nationalen Sportgesetze nicht verletzt worden seien. Nunmehr machen die Revisionswerber geltend, daß es nicht genüge, daß die Aufträge des Magistrats eingehalten wurden und daß die internationalen und die österreichischen Sportgesetze keine ausdrücklichen Anordnungen hinsichtlich der für den Unfall vom 21. April 1956 notwendig gewesenen Schutzmaßnahmen enthielten; die besondere Gefährdung der Rennfahrer durch die Betonstiegen wäre für die Beklagten erkennbar gewesen, so daß diese auch ohne diesbezügliche Vorschrift Schutzmaßnahmen hätten veranlassen müssen.
Die Revisionswerber übersehen, daß der verunglückte Rennfahrer zur drittbeklagten Partei in keinem direkten Vertragsverhältnis gestanden ist, so daß deren Haftung gegenüber den Hinterbliebenen des am 21. April 1956 verunglückten Rennfahrers von vornherein nur unter dem Gesichtspunkt der Zuwiderhandlung gegen den Bescheid des Magistrats Wien vom 25. März 1955 (vgl. Wolff in Klang 2. Aufl. VI 82) in Betracht gekommen wäre (§ 1311 ABGB.); wenn nun auch nach dem Standpunkt der Revisionswerber ein Verstoß gegen die erwähnten obrigkeitlichen Anordnungen nicht eingetreten ist, dann ist die Revision bezüglich der genannten drittbeklagten Partei nicht einmal schlüssig.
Aber auch im Rahmen der vertraglichen Rechtsbeziehungen des Verunglückten zu den beiden anderen Beklagten kann es nur auf die Sorgfaltspflicht dieser Beklagten nach dein Stand vom 21. April 1956 ankommen und nicht auf die Unterlassung von Schutzmaßnahmen, die nach dem Stand späterer Sportgesetze erforderlich geworden wären; diesbezüglich ist es den Revisionswerbern versagt, über ihren eigenen Prozeßstandpunkt im erstinstanzlichen Verfahren hinauszugehen. Im übrigen hat das Berufungsgericht auf Grund der erstinstanzlichen Feststellungen zutreffend dargelegt, daß diese Beklagten von einer Haftung für die Unterlassung weiterer Schutzmaßnahmen loszuzählen seien, weil von den Organen dieser Beklagten gemeinsam mit den Rennfahrern die Bahn begangen und diesen die Möglichkeit gegeben worden sei, auf der Bahn zu trainieren, worauf die von den Rennteilnehmern geforderten weiteren Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden seien; von den Beklagten kann keine größere Voraussicht verlangt werden, als sie die mit derartigen Rennen vertrauten Fahrer hatten. Das Abkommen von der Bahn in der Geraden ist ja in der Regel nicht zu befürchten und vorliegendenfalls nur durch einen Zusammenstoß der Rennfahrer herbeigeführt worden.
Aus diesen Erwägungen ist die Haftung der Beklagten von den Vorinstanzen mit Recht abgelehnt worden und bedarf es keiner weiteren Feststellungen.
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