Spruch:
1.) Der Rekurs der klagenden Partei gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes (Punkt 2 der angefochtenen Entscheidung) wird zurückgewiesen.
2.) Im übrigen wird der Revision Folge gegeben. Das angefochtene Urteil, das in seinem klagsstattgebenden Teil und hinsichtlich der Abweisung des Begehrens auf Zahlung von S 83.370,- samt 9,25 % Zinsen seit 22. 3. 1989 als unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, wird hinsichtlich des weiteren Begehrens auf Zahlung von S 290.000,- samt 9,25 % Zinsen seit 22. 3. 1989 aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Sattelzug des Klägers wurde am 13. 2. 1988 bei einem vom Erstbeklagten auf der Bundesstraße ***** im Gemeindegebiet von S***** verschuldeten Verkehrsunfall beschädigt. Die zweitbeklagte Partei wird als Halter des vom Erstbeklagten gelenkten Fahrzeuges in Anspruch genommen, die Drittbeklagte als Haftpflichtversicherer.
Der Kläger begehrte unter Berücksichtigung verschiedener Zahlungen und eines am 23. 3. 1989 ergangenen Teilanerkenntnisurteils letztlich den Ersatz folgender Schäden:
1.) Sattelzugfahrzeug: dieses sei mit Kaufvertrag vom 1. 2. 1988 gemeinsam mit einem nicht klagsgegenständlichen Hänger um
S 1,050.000,- an den Transportunternehmer Franz S***** verkauft worden; die Übergabe hätte am 29. 2. 1988 erfolgen sollen. Da das Fahrzeug beim Unfall vom 13. 2. 1988 einen Totalschaden erlitten habe, sei eine Übergabe an den Käufer nicht möglich gewesen. Der Hänger habe um S 210.000,- verkauft werden können, der dem Kläger entstandene konkrete Schaden durch die Unmöglichkeit der Erfüllung des mit S***** abgeschlossenen Kaufvertrages belaufe sich auf S 840.000,-. Darauf seien S 550.000,- bezahlt worden, sodaß noch ein Restbetrag von S 290.000,- netto aushafte.
2.) Sattelauflieger: dessen Zeitwert habe S 220.000,- betragen, aus dem Verkauf des Wracks sei ein Erlös von S 30.000,- erzielt worden. Die Drittbeklagte habe eine Teilzahlung von S 100.000,-
geleistet, sodaß noch ein Rest von S 90.000,- offen sei.
3.) Verdienstentgang für die Zeit vom 13. 2. 1988 bis 28. 2. 1988 in der Höhe von insgesamt S 57.600,-.
4.) Unfallskausale Spesen und Kosten seien in der Höhe von
S 54.055,- entstanden. Darauf habe die drittbeklagte Partei
S 14.000,- bezahlt, sodaß restliche S 40.055,- offen seien.
5.) Verlust persönlicher Gegenstände im Wert von S 22.190,-.
Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren der Höhe nach.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren - abgesehen vom Zuspruch von Zinsen - ab.
Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend traf es zu den unfallskausalen Schäden im wesentlichen folgende Feststellungen:
1.) Sattelzugfahrzeug: dieses wurde am 3. 9. 1985 erstmals in Österreich zum Verkauf zugelassen, der Neupreis ohne Zubehör und Sonderausstattung beträgt S 974.000,-.
2.) Sonderausstattung: eine solche war, abgesehen von einigen serienmäßig eingebauten Extras, nicht vorhanden. Der Kläger hat das Fahrzeug mit verschiedener Sonderausstattung ausgerüstet, wodurch sich der Neupreis der Sattelzugmaschine auf rund
S 1,032.000,- erhöhte.
Das Sattelzugfahrzeug erlitt einen Totalschaden. Der Zeitwert betrug zum Unfallszeitpunkt unter Berücksichtigung der Sonderausstattung S 480.000,-, der Wrackwert S 25.000,-. Der Kläger hat das Wrack nicht verwertet, sondern an einen Alteisenhändler verschenkt.
3.) Sattelauflieger: diesen hat der Kläger 1986 in reparaturbedürftigem Zustand um S 90.000,- (ohne Umsatzsteuer) gekauft. Nach dem Kauf führte der Kläger in seiner Werkstätte die notwendigen Reparaturen durch. Der Auflieger wurde beim Unfall erheblich beschädigt. Zur Behebung der Schäden ist ein Reparaturaufwand von S 140.000,- erforderlich. Der Kläger hat den Auflieger zwischenzeitig in unrepariertem Zustand um S 30.000,-
verkauft. Der Zeitwert des Aufliegers zum Unfallszeitpunkt betrug rund S 155.000,-.
4.) Bergungs- und Abschleppkosten: Für die Bergung des Sattelzuges mußte der Kläger S 14.035,- und S 5.340,- bezahlen. Für die vom Kläger und seinen Leuten verrichteten Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bergung sind dem Kläger Kosten und Auslagen in der Höhe von S 24.000,- erwachsen.
5.) Verlust persönlicher Gegenstände:
Zum Zeitpunkt des Unfalls befanden sich im Fahrerhaus persönliche Gegenstände des Klägers und seiner Gattin, die so beschädigt wurden, daß sie unbrauchbar waren.
Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Erstgericht aus, es bestünden Zweifel, ob der vom Kläger behauptete Kaufvertragsabschluß mit S***** zu dem vom Kläger genannten Preis tatsächlich erfolgte. Aus rechtlichen Gründen könne es aber dahingestellt bleiben, ob ein verbindlicher Kaufvertrag abgeschlossen wurde oder nicht.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Beklagte hätte dem Kläger den Zeitwert der Sattelzugmaschine in der Höhe von S 480.000,- abzüglich des erzielbaren Wrackwertes von S 25.000,-, sohin S 455.000,- zu ersetzen. Sollte, wie vom Kläger behauptet, tatsächlich ein Kaufvertrag mit S***** abgeschlossen worden sein, so sei dieser offensichtlich nach dem Unfall einvernehmlich aufgelöst worden, da der Käufer Franz S***** 1 bis 2 Monate später vom Kläger ein anderes Zugfahrzeug mit Anhänger gekauft habe. Durch die einvernehmliche Auflösung des Kaufvertrages seien Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung ausgeschlossen, da ja die Erfüllungspflichten einvernehmlich beseitigt wurden. Mangels eines Nichterfüllungsschadens könne dieser auch nicht auf die Beklagten überwälzt werden. Gewinnentgang könne der Kläger nicht begehren, da er keine Tatsachenbehauptungen zum Nachweis grober Fahrlässigkeit des Erstbeklagten aufgestellt habe.
Hinsichtlich des Sattelaufliegers vertrat das Erstgericht die Ansicht, dem Kläger stünde der Ersatz des Zeitwertes von S 155.000,- abzüglich des Erlöses aus dem Verkauf des unreparierten Aufliegers in der Höhe von S 30.000,- zu, sodaß sich ein Betrag von S 125.000,- ergebe.
Betreffend die vom Kläger erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit der Bergung des Fahrzeuges und der Abschleppung erachtete das Erstgericht insgesamt einen Betrag von S 24.000,- für angemessen (§ 273 ZPO). Dazu kämen noch die vom Kläger geleisteten Zahlungen von S 14.035,- und S 5.340,-, sodaß ein Ersatzanspruch von S 43.375,- zu Recht bestehe.
Als Ersatz für Verlust persönlicher Gegenstände erachtete das Erstgericht unter Heranziehung der Bestimmung des § 273 ZPO einen Betrag von S 12.000,- für angemessen.
Hinsichtlich des Begehrens auf Ersatz von Verdienstentgang führte das Erstgericht aus, es sei aus prozeßökonomischen Gründen vertretbar, dem Kläger unter Anwendung des § 273 ZPO einen Betrag von S 25.000,- zuzuerkennen.
Die An- und Abmeldekosten seien mit dem Betrag von S 2.500,-
berechtigt und anerkennbar, die Wiederherstellungskosten betreffend das Ladegut stünden mit dem geltend gemachten Betrag von S 17.514,80 außer Streit.
Insgesamt ergebe sich daraus eine Ersatzforderung des Klägers in der Höhe von S 680.389,80; da aber bereits S 681.515,- bezahlt worden seien, sei das Klagebegehren abzuweisen.
Der klagsstattgebende Teil dieser Entscheidung (lediglich Zinsen betreffend) erwuchs in Rechtskraft. Im übrigen gab das Berufungsgericht dem Rechtsmittel des Klägers teilweise Folge und sprach ihm einen weiteren Betrag von S 68.875,- samt Anhang zu; die Abweisung eines Mehrbegehrens von S 373.370,- samt Zinsen wurde bestätigt. Die Revision gemäß § 502 Abs.1 ZPO wurde für nicht zulässig erklärt. Hinsichtlich der Abweisung des weiteren Klagebegehrens von restlichen S 57.600,- samt Anhang und der Kostenentscheidung wurde das Urteil aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Prozeßgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, es liege positiver Schaden vor, wenn durch die Beschädigung eines Fahrzeuges dessen - schon
vereinbarte - Veräußerung zu einem über dem Verkehrswert liegenden Preis unmöglich werde. In einem solchen Fall werde das Bestehen einer Gewinnmöglichkeit im Verkehr bereits als selbständiger Wert angesehen. Der Kläger begehre daher lediglich den Ersatz dessen, was ihm durch eine Vereinbarung bereits gewährt war, somit "eigentliche Schadloshaltung" im Sinne des § 1324 ABGB. Die Frage, ob dem Erstbeklagten grobes Verschulden vorzuwerfen sei, könne daher auf sich beruhen. Der Kläger habe aber den Nachweis, daß er das Zugfahrzeug um S 840.000,- bereits veräußert hatte, nicht erbracht. Das Verfahren habe insoweit Ungereimtheiten hervorgebracht, die zu Lasten des beweispflichtigen Klägers gingen.
Hinsichtlich des behaupteten Verdienstentganges von S 57.600,-
habe es das Erstgericht unterlassen, die vom Kläger beantragte Zeugin Regina S***** zu befragen; das Verfahren leide insoweit an einer primären Mangelhaftigkeit.
Das Erstgericht habe auch das Teilanerkenntnis der beklagten Parteien nicht ausreichend beachtet. Unter Zugrundelegung der erstgerichtlichen Feststellungen und des von den Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses stünden dem Kläger noch weitere S 25.000,- für den Schaden am Sattelauflieger, S 29.375,- an unfallskausalen Kosten und Spesen, S 12.000,- für den Verlust persönlicher Gegenstände und S 2.500,- an An- und Abmeldekosten zu.
Der Kläger bekämpft diese Entscheidung mit außerordentlicher Revision insoweit, als sein Begehren auf Zahlung von S 290.000,-
abgewiesen und das Urteil in einem S 32.600,- übersteigendem Ausmaß aufgehoben wird. Er beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ihm weitere S 315.000,-
(S 290.000,- und S 25.000,-) samt Anhang zugesprochen werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten haben in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen bzw. das angefochtene Urteil vollinhaltlich zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Insoweit der Kläger den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes bekämpft, liegt ein Rekurs im Sinne des § 519 Abs.1 Z 2 ZPO vor. Wohl schadet die unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittels nicht (§ 84 Abs.2 ZPO), doch ist dieser Rekurs unzulässig.
Nach § 519 Abs.1 Z 2 ZPO ist gegen berufungsgerichtliche Beschlüsse, soweit dadurch das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wird, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nur zulässig, wenn das Berufungsgericht dies ausgesprochen hat. Durch diese Formulierung wird eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß die Zulässigkeit des Rekurses gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß an einen ausdrücklichen Zulassungsausspruch des Gerichtes zweiter Instanz gebunden ist. Eine Abweichung von dieser aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes sich ergebenden Auslegung ist umso weniger berechtigt, als der Gesetzgeber selbst ausdrücklich die Absicht äußerte, daß er diese Formulierung in dem genannten Sinn verstanden wissen will (991 BlgNR 17.GP, 12). Auch ein Teil der Lehre billigt dies (Petrasch in ÖJZ 1989, 750; Stohanzl in MGA JN und ZPO14 § 519 ZPO Anm. 8). Die gegenteilige Ansicht von Fasching in LB2 Rz 1884 wurde vom Obersten Gerichtshof bereits zu 5 Ob 1014/91 abgelehnt.
Im übrigen ist die außerordentliche Revision des Klägers zulässig, da das Berufungsgericht von Feststellungen des Erstgerichtes ohne Beweiswiederholung bzw. ohne Verlesung der Protokolle (§ 281 a ZPO) abgewichen ist. Darin liegt eine erhebliche Verletzung einer Verfahrensvorschrift, die der Wahrung der Rechtssicherheit dient (SZ 57/142; JBl. 1987, 316 ua).
Der Kläger erblickt eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens darin, daß das Erstgericht (zumindest implicit) den Abschluß des den Differenzanspruch begründenden Kaufvertrages bejaht habe. Diese Bejahung bzw. Fesstellung sei von ihm nicht angefochten worden. Trotzdem gelange das Berufungsgericht zu der für den Kläger nachteiligen Negativfeststellung, daß der Nachweis des Abschlusses eines Kaufvertrages nicht erbracht worden sei. Durch das Abweichen von der unbekämpften erstrichterlichen Auffassung verstoße das Berufungsgericht gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit, sodaß das Berufungsverfahren an einem Mangel leide, welcher eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern geeignet sei.
Diese Ausführungen sind zum Teil zutreffend. Unrichtig ist, daß das Erstgericht den Abschluß eines Kaufvertrages zwischen dem Kläger und Franz S***** festgestellt hätte. Das Erstgericht hat vielmehr ausdrücklich ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob dieser Kaufvertrag tatsächlich verbindlich abgeschlossen wurde oder nicht (S. 12 der Urteilsausfertigung). Entgegen der Ansicht des Klägers wurde auch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung keine Feststellung über einen Kaufvertrag getroffen. Das Erstgericht hat lediglich die Meinung vertreten, daß dieser Kaufvertrag, "sollte er tatsächlich wie behauptet, verbindlich abgeschlossen worden sein", offensichtlich nachträglich einvernehmlich aufgelöst worden sei (S. 13 f der Urteilsausfertigung). Demgegenüber hat das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung festgestellt, der Kläger habe den Beweis dafür, daß er das Zugfahrzeug zum Preis von S 840.000,- bereits veräußert hatte, nicht erbracht (S. 13 der Ausfertigung des Berufungsurteils). Während also das Erstgericht die Tatfrage des Abschlusses eines Kaufvertrages über das Zugfahrzeug aus rechtlichen Gründen offen ließ, stellte das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung fest, der Kläger habe den diesbezüglichen Nachweis nicht erbracht. Das Berufungsgericht hat dadurch den Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt. Will das Rechtsmittelgericht von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes abgehen, muß es alle zur Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen erforderlichen Beweise, die das Erstgericht unmittelbar aufgenommen hat, selbst wiederholen (SZ 53/117; EvBl. 1978/194; EvBl. 1974/72 uva) oder das Protokoll über die Beweisaufnahme in erster Instanz unter den Voraussetzungen des § 281 a ZPO verlesen (2 Ob 134/88). Auch ergänzende Feststellungen sind nur nach Beweiswiederholung zulässig (SZ 25/46; EvBl. 1952/444; JBl. 1968, 368).
Die vom Berufungsgericht ergänzend getroffene Feststellung ist auch - entgegen der vom Erstgericht vertretenen
Rechsansicht - für die Entscheidung relevant. Eine vom Kläger nicht verschuldete und von ihm nicht zu vertretende Zerstörung des Kaufgegenstandes (Spesziesschuld) hebt gemäß § 1447 ABGB seine Verbindlichkeit zur Erfüllung des Kaufvertrages auf, es erlischt aber auch sein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises (Koziol-Welser I8 223 f). Wäre hingegen der Kaufgegenstand nicht zerstört worden, so hätte der Kläger den Kaufpreis erhalten. Der dem Kläger entgangene Kaufpreis ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, positiver Schaden (siehe Schwimann/Harrer, ABGB, V, Rz 12 zu § 1293).
Läßt man die vom Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung getroffene Feststellung außer Betracht, so liegt ein Feststellungsmangel vor, den das Berufungsgericht zu beheben haben wird (§ 496 Abs.3 ZPO).
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)