Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 17. April 1986 wurde Heinrich H***, der Ehegatte der Erstklägerin und der Vater der Zweit- bis Fünftkläger auf der Drautal-Bundesstraße B 100 bei einem vom Erstbeklagten in alkoholisiertem Zustand allein verschuldeten Unfall so schwer verletzt, daß er am 20. September 1986 an den Unfallfolgen verstarb. Die Beklagten haften für die unfallskausalen Schäden der Kläger zur ungeteilten Hand. Der Nachlaß des Heinrich H*** wurde zu einem Drittel der Erstklägerin und zu je einem Sechstel den Zweit- bis Fünftklägern eingeantwortet.
Von den geltend gemachten Ansprüchen der Kläger über welche das Erstgericht mit Teilurteil absprach, waren im Berufungsverfahren ua das weitere Schmerzengeldbegehren sämtlicher Kläger von S 250.000,-
und der von der Erstklägerin allein geltend gemachte Betrag von S 50.600,- umstritten. Über die im Teilurteil behandelten Ansprüche der Zweit- bis Fünftkläger wurde bereits rechtskräftig durch Zurückweisung der außerordentlichen Revision derselben erkannt (Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 15. Dezember 1989, 2 Ob 1092/89). Die außerordentliche Revision der Erstklägerin wurde dem Erstgericht mit den Akten zur weiteren Behandlung als ordentliche Revision zurückgestellt, weil der Streitwert der Berufungsentscheidung ihr gegenüber S 300.000,- übersteigt (§ 502 Abs 4 Z 2 ZPO): Zufolge Zusammenrechnung der Schmerzengeldforderungen der Miterben bei Beurteilung der Zulässigkeit der Revision - S 250.000,- - (vgl. Fasching, Kommentar II, 182; EvBl 1959/129; 8 Ob 140/77; 8 Ob 64/78 ua) und Hinzurechnung des die Erstklägerin allein betreffenden, ebenfalls vom Verstorbenen abgeleiteten Anspruches auf Ersatz von Überstellungskosten im Betrag von S 50.600,-, wurde der im § 502 Abs 4 Z 2 ZPO aF normierte Betrag von S 300.000,-
überschritten, sodaß nach § 502 Abs 1 und 4 Z 2 ZPO aF die Revision als ordentliche Vollrevision zu behandeln ist.
Gegenstand der Revision der Erstklägerin ist jedoch nur mehr die Schmerzengeldbemessung. Das Erstgericht ging von einer insgesamt berechtigten Schmerzengeldhöhe von S 250.000,- aus. Es berücksichtigte eine Teilzahlung der Beklagten von S 100.000,- und teilte den Restbetrag von S 150.000,- den Erbquoten der Kläger entsprechend auf. Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:
Heinrich H*** erlitt als PKW-Insasse - er war
angegurtet - ein lebensbedrohliches Polytrauma mit stumpfem Thoraxtrauma links, mit Rippenstückbrüchen 2 bis 8 links, einer Thoraxwandinstabilität und einer Hämatothoraxbildung, letztlich wahrscheinlich auch eine Contusio cordis (Prellung des Herzmuskels), bei vorbestehender coronarer Herzerkrankung bzw. einem Hochdruckleiden, einen verschobenen Ellenschaftbruch rechts und eine Mittelfußtrümmerfraktur 1 bis 3 links, neben Prellungen und Abschürfungen.
Die Erstversorgung an der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses Lienz auf der dortigen Intensivstation mit primärer operativer Versorgung der Mittelfußfrakturen und konservativer Versorgung des Ellenschaftbruches, assistierter und später künstlicher Beatmung, wurde plötzlich durch das Auftreten einer akuten Ateminsuffizienz und Niereninsuffizienz lebensbedrohlich verschlechtert, wobei es der instabile Thorax war, der nicht zur ausreichenden Atembeweglichkeit gebracht werden konnte. Es stand die akute operative Stabilisierung an, die in Lienz technisch nicht durchgeführt werden konnte und daher einen Akuttransfer nach Innsbruck erforderlich machte.
Die Behandlung in der Innsbrucker Intensivpflege vom 25. April bis 24. Juni 1986 hatte einen überaus schwierigen Verlauf; Heinrich H*** mußte großteils künstlich beatmet bzw. assistiert beatmet werden. Es erfolgte die operative Stabilisierung des Brustkorbes, die operative Stabilisierung der primär eingegipsten Elle und das Anlagen eines Luftröhrenschnittes; auch wurden mehrere bronchoskopische Eingriffe zum Absaugen durchgeführt; H*** mußte interdisziplinär anästhesiologisch, allgemeinchirurgisch, unfallchirurgisch und neurologisch behandelt werden. In der Folge kam es zu einem hochseptischen Zustandsbild, zur Notwendigkeit anhaltender Punktate des Brustkorbes, zu einem schwierigen, trotz entsprechender Schmerzdämpfung wohl überdurchschnittlich belastenden Krankheitsverlauf für den Verletzten. Heinrich H*** erlebte diese Wochen der Intensivpflege nicht immer bei Bewußtsein. Er hatte bereits in Lienz einen Katheter in Richtung Rückenmark zur akuten Schmerzbekämpfung erhalten. Er konnte des weiteren einen bestimmten Schlafrhythmus einhalten, sodaß der gesamte Behandlungsverlauf trotz der Schwierigkeiten und der subjektiven Belastungen nicht anhaltend schwere Schmerzen für den Verletzten mit sich brachte. Am 24. Juni 1986 erfolgte kurzfristig die Verlegung H*** zur Nachbehandlung nach Hochzirl. Er sollte dort mobilisiert und "auf die Beine gebracht" werden, wobei es jedoch zu einem akuten Atemstillstand kam. Dabei handelte es sich um eine neuerliche Komplikation, die wiederum eine Verlegung an die Universitätsklinik Innsbruck erforderlich machte. Dieser Zweitaufenthalt fand in der Zeit vom 3. Juli bis 14. Juli 1986 statt. Die lebensbedrohliche Attacke konnte vorerst behoben werden. Zu diesem Zeitpunkt konnte Heinrich H*** bereits wieder sitzen, er konnte auch etwa die Sonntagsmesse in der Klinik besuchen und wurde in das Rehabilitationszentrum Tobelbad transferiert. Diese Behandlung war aus medizinischer Sicht indiziert bzw. notwendig.
Heinrich H*** kam in das Rehabilitationszentrum Tobelbad in relativ gutem und schmerzarmen Zustand. Einzig ein letztlich nie voll abheilender Decubitus (Liegegeschwür) über dem Kreuzbein und über den Trochantären war hinderlich schmerzhaft und wurde anhaltend gepflegt. Der Verletzte machte nun auch zunehmende Fortschritte im Hinblick auf seine Mobilisation, er konnte frei und vor allem schmerzfrei atmen, zeigte immer noch nicht abgeheilte Frakturen bei sonst reizloser Metallage, außer den Metallen an den Rippen und wies noch eine kleine offene Stelle im Tracheostoma bei innen freien und ungestörten Verhältnissen auf. Er entwickelte aber ab etwa Mitte des Aufenthaltes in Tobelbad ein zunehmendes Beschwerdebild, einerseits eine zunehmende Mindersichtigkeit, andererseits einen zerebralen Defektzustand, der unter anderem auch zu einer Konsilliaruntersuchung und computertomographischen Untersuchung wie EEG-Untersuchung auswärts Anlaß gab. Es kam zur Zunahme eines schweren "Schädel-Hirn-Trauma-durchgangsartigen Syndroms" mit Verdacht auf eine schwere metabolische Gehirnstörung. Heinrich H*** erblindete nun beidseits und kam zur Abklärung an die psychiatrisch-neurologische Klinik der Universität Graz. Hier wurde H*** nur kurz, nämlich vom 29. August bis 1. September 1986 stationär aufgenommen. Nach einer computertomographischen Abklärung wurde von einem Multiinfarktgeschehen mit frischen neuen Herden im Bereich des Hirns gesprochen. Es war auch zu einem Leberparenchymschaden gekommen. Bereits während des stationären Aufenthaltes in Innsbruck war ein Streßulcus, der zu Blutungen geführt hatte, festgestellt worden. Im Zuge der Untersuchung dieses Ulcus mußte Heinrich H*** auch mehrfach Gastroskopien über sich ergehen lassen.
Nach dieser vorangeführten Abklärung in Graz wurde Heinrich H*** neuerlich nach Innsbruck geflogen, wo er bis zu seinem Tode am 20. September 1986 auf der neurologischen Klinik in Behandlung war. Der Tod trat durch einen neuen schweren lungenembolischen Schub ein.
Heinrich H*** hatte auf Grund der unfallskausalen
Verletzungen 6 Wochen schwere Schmerzen, 8 Wochen Schmerzen mittleren Grades und 4 Wochen Schmerzen leichten Grades als dauernde im Sinne einer Komprimierung zu ertragen. Dabei sind das gesamte Ungemach, nicht nur die körperlichen Schmerzen, sondern auch die gravierenden Beeinträchtigungen allgemeinen menschlichen Lebensgefühles mitberücksichtigt. Es ist in diesen Schmerzperioden auch bereits berücksichtigt, daß Heinrich H*** seine Erblindung sicher erlebt hat.
Auch das Berufungsgericht hielt in seinem Teilurteil ein Schmerzengeld von S 250.000,- für berechtigt. Das Erstgericht habe die für die Schmerzengeldbemessung maßgebenden Komponenten richtig beurteilt. Der Leidensweg H*** habe nur 156 Tage gedauert, sodaß selbst unter Berücksichtigung eines Höchstsatzes für tägliche schwere Schmerzen kein höherer Schmerzengeldbetrag ausgemessen werden könne. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz behielt das Berufungsgericht dem Endurteil vor. In ihrer Revision vertritt die Erstklägerin die Auffassung, daß von einem Schmerzengeldbetrag von S 500.000,- auszugehen sei. Die Beklagten stellen sich in der Revisionsbeantwortung auf den Standpunkt der Vorinstanzen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Bei der Bemessung des Schmerzengeldes ist der Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzungen und auf das Maß der psychischen und physischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes zu berücksichtigen (2 Ob 6/76; 2 Ob 114/89 uza). Zutreffend gingen die Vorinstanzen davon aus, daß der an den Unfallsverletzungen verstorbene Heinrich H*** trotz zwischenzeitiger Phasen besseren Allgemeinbefindens bis zu seinem Tod insgesamt Schmerzen schweren Grades zu erdulden hatte. Dies ändert aber nichts daran, daß der Leidensweg nur einen relativ kurzen Zeitraum dauerte, sodaß unter Berücksichtigung aller für die Schmerzengeldbemessung oben dargestellten Komponenten die von der Rechtsnachfolgerin des Verstorbenen angestrebte Erhöhung des Schmerzengeldbetrages nicht in Betracht kommt. Die von den Vorinstanzen übereinstimmend vorgenommene Ausmessung des Schmerzengeldes mit S 250.000,- ist daher zu billigen.
Der Revision der Erstklägerin war der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung bleibt gemäß §§ 52 Abs 2, 392 Abs 2 ZPO dem Endurteil vorbehalten.
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