Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.789,60 (darin S 1.131,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger begab sich als Mitarbeiter eines Unternehmens, das bei der beklagten Partei Gitterroste bezog, am 26.8.1991 gegen 13 Uhr in das Geschäftslokal der beklagten Partei, weil er wußte, daß dort auch in der Mittagspause jemand anwesend sei, um einen fehlenden Gitterrost zu besorgen. Er traf dort den Geschäftsführer der beklagten Partei an und beschrieb ihm den benötigten Gitterrost. Dieser forderte dann den Kläger auf, mit ihm in den Lagerraum zu gehen und zu schauen, ob ein solcher Gitterrost vorrätig sei. Dieses Lager besteht aus einem größeren und einem kleineren, durch eine Mauer abgetrennten Abstellraum. Im größeren Raum sind Stellagen, auf denen verschiedene Größen von Gitterrosten abgelegt waren. Im Abstellraum lagen am Boden Gitterroste auf der Schmalseite und darüber etwas erhöht hinter Brettern noch verschiedene andere Gitterroste. Im Abstellraum fanden dann die beiden den vom Kläger benötigten Gitterrost. Der Geschäftsführer der beklagten Partei erklärte dem Kläger, daß er nun auf den Stapel der Gitterroste, der am Boden aufgestellt war, hinaufsteigen werde und ihm den benötigten Gitterrost herunterreichen werde. Dies tat er dann auch. Der Kläger nahm den Gitterrost in Empfang, nahm ihn in die linke Hand und drehte sich um, um aus dem Abstellraum in den größeren Raum zu gehen. In diesem Moment kippte der Geschäftsführer der beklagten Partei mit dem am Boden abgestellten Gitterroststapel um. Der Kläger wurde von den umkippenden Gitterrosten an der rechten Hand getroffen und an einer dort befindlichen Mauer eingeklemmt. Wäre der Kläger während der Geschäftsöffnungszeiten ins Geschäft der beklagten Partei gekommen, hätte ein Bediensteter der beklagten Partei den Gitterrost aus dem Lager geholt und ins Geschäft gebracht, und ihn dort dem Kläger übergeben.
Der Kläger begehrt vorliegend Schmerzengeld, Verdienstentgang und die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Schäden aus dem Unfall, bei dem er als Kunde infolge unachtsamer Vorgangsweise des Geschäftsführers (Angestellten) der beklagten Partei beim Umfallen eines Gitterroststapels zu Schaden gekommen sei.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren nach Grund und Höhe und berief sich auf das Haftungsprivileg nach § 333 ASVG, weil der Kläger sich zur Empfangnahme des bestellten Gitterrostes während der Mittagspause im Geschäft der beklagten Partei in deren Unternehmen eingegliedert und auf Anordnung des Geschäftsführers der beklagten Partei unmittelbar vor dem Unfall Arbeiten verrichtet habe, die sonst ein Angestellter der beklagten Partei verrichten hätte müssen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren infolge des für berechtigt erachteten Einwandes gemäß § 333 ASVG ab.
Das Gericht zweiter Instanz hob mit dem angefochtenen Beschluß das Urteil des Erstgerichtes auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil "ein vergleichbarer Sachverhalt" vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu entscheiden gewesen sei und Gründe der Verfahrensökonomie dafür sprächen, noch vor der aufgetragenen Verfahrensfortsetzung eine höchstgerichtliche Entscheidung herbeizuführen.
Es äußerte über den von ihm übernommenen Urteilssachverhalt folgende Rechtsansicht:
Über den Wortlaut des § 333 Abs.1 ASVG, in dem nur von "Dienstgeber" und "Versicherten" die Rede ist, hinaus, dehne der Oberste Gerichtshof das Haftungsprivileg nach der genannten Gesetzesstelle auch auf jene Mitarbeiter aus, die, ohne Dienstnehmer zu sein, sich freiwillig in das Unternehmen des Schädigers eingliedern (zuletzt JBl 1989, 319 mwN). Auch bei Vorliegen eines Werkvertrages zwischen den Beteiligten könne der Besteller seinen persönlichen Lebensbereich verlassen und sich in den Bereich der vertraglich dem Unternehmer obliegenden Aufgaben einordnen (RdW 1987, 222; zuletzt 2 Ob 54/91). Die erkennbar von den Kriterien der Judikatur für diese Eingliederung geprägten Tatsachenbehauptungen der beklagten Partei seien nun im Beweisverfahren in keiner Weise bestätigt worden. Es sei davon auszugehen, daß der Unfall passiert sei, als die Parteien gerade (konkludent) einen Handkauf abgeschlossen hätten, für den es typisch sei, daß die gekaufte Ware sogleich dem Käufer übergeben werde. Es könne nach Auffassung des Berufungsgerichtes keine Rede davon sein, daß die Übernahme des Kaufgegenstandes eine dem Unternehmen des Verkäufers dienliche Tätigkeit sein solle. Es komme auch nicht entscheidend darauf an, daß die Übernahme der gekauften Ware - abweichend von den sonstigen Gepflogenheiten - nicht im Geschäftslokal, sondern in einem Lagerraum erfolgt sei. Dies sei nach den Feststellungen nicht nur dadurch bedingt gewesen, daß im Unternehmen der beklagten Partei Mittagspause gewesen sei, sondern auch deshalb der Fall gewesen, weil der Geschäftsführer der beklagten Partei erst durch die Mitwirkung des Klägers in die Lage versetzt worden sei, den von diesem gewünschten Gitterrost zu identifizieren. Auch die Suche nach diesem Gitterrost, die ja nur dem Zweck gedient habe, das passende Modell, welches der Dienstgeber des Klägers benötigte, aufzufinden, gehöre nicht zu den üblicherweise vom Dienstnehmer des Verkäufers durchgeführten Arbeiten. Vielmehr sei es auch als typisch für einen Kaufvertrag anzusehen, daß der Käufer den von ihm gewünschten Gegenstand beschreibe, sei dies auch dadurch, daß er mit dem Verkäufer dessen Lager aufsuche und dort den gewünschten Gegenstand zeige. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger bereit gewesen wäre, sich - allfälligen - Weisungen des Geschäftsführers der beklagten Partei unterzuordnen, biete der festgestellte Sachverhalt nicht. Es zeige sich daher, daß der Unfall passierte, als der Kläger wie jeder andere Handkäufer gerade den ihm übergebenen Kaufgegenstand zu seinem Fahrzeug bringen wollte. Demnach könne er nicht als "Versicherter" im Sinn des § 333 Abs.1 ASVG angesehen werden, sodaß schon deshalb das Haftungsprivileg der beklagten Partei nicht zum Tragen komme, ohne daß noch geprüft werden müsse, ob auch die weiteren Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle, allenfalls des Abs.4, vorlägen.
Der gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß erhobene Rekurs der beklagten Partei ist, worauf die klagende Partei in ihrer Rekursbeantwortung zutreffend hinweist, entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechungsgrundsätze zum Haftungsprivileg des § 333 ASVG ausführlich und angesichts des hier vorliegenden einfachen Sachverhaltes auch vollständig wiedergegeben und seine Entscheidung zutreffend auf die in den zitierten Entscheidungen dargelegten Grundsätze gestützt (JBl 1989, 319 mwN; ZVR 1991/95; RdA 1993, 250; SZ 52/66 uva). Die einzelfallbezogenen geringfügigen Abweichungen des vorliegenden Sachverhalts von anderen Sachverhalten, die je nach ihren Besonderheiten im Sinne der Annahme oder der Ablehnung des Haftungsprivilegs gelöst wurden, erfordern keine "weitere grundsätzliche" Entscheidung dieser Frage durch den Obersten Gerichtshof, zumal die angefochtene Entscheidung die "Mitwirkung" des Käufers bei der Erlangung der Gewahrsame über den Kaufgegenstand durch "Entgegennahme desselben" entweder über den Ladentisch, von einem Regal herab oder auch - wie hier - aus einem durch den Verkaufsraum erreichbaren Lagerraum oder dgl. mehr jedenfalls in vertretbarer Weise nicht als Eingliederung des Käufers in das Unternehmen des Verkäufers beurteilte (vgl. auch SZ 38/184).
Allein verfahrensökonomische Erwägungen, noch vor der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensfortsetzung eine höchstgerichtliche Entscheidung "herbeizuführen", bewirken in der Regel nicht die Zulässigkeit des Rekurses.
Das Rechtsmittel der beklagten Partei ist daher zurückzuweisen.
Da die klagende Partei zutreffend auf die Unzulässigkeit des Rekurses hinwies, hat sie auch Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Rekursbeantwortung (§§ 50, 41 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)