Spruch:
Die allgemeine Gütergemeinschaft zwischen Lebenden wirkt nur inter partes. Es kann daher auch ein Gattenteil für sich allein vermögensrechtliche Forderungen begrunden und erwerben, ebenso wie jeder Ehegatte für sich allein verpflichtungsfähig bleibt.
Das Eigentum der in allgemeiner Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten ist schlichtes Miteigentum ohne Bruchteile. Dem österreichischen Recht ist ein Eigentum zur gesamten Hand unbekannt.
Entscheidung vom 4. Juli 1952, 2 Ob 337/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Gänserndorf; II. Instanz: Kreisgericht Korneuburg.
Text
Der Kläger hat zunächst vom Beklagten 2600 S als Ersatz für ihm durch den Beklagten im Jahre 1945 gestohlene zwei Stück Rinder verlangt, nach Bestreitung seiner aktiven Klagslegitimation jedoch sein Klagebegehren auf 1300 S im Hinblick auf die zwischen ihm und seiner Gattin bestehende allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden eingeschränkt.
Das Erstgericht hat mit Zwischenurteil erkannt, daß der Klagsanspruch dem Gründe nach zu Recht bestehe.
Das Berufungsgericht hat den Klagsanspruch als nicht zu Recht bestehend erkannt.
Der Oberste Gerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben und die Rechtssache an dieses zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach neuerlicher Verhandlung zurückverwiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die zwischen dem Kläger und seiner Gattin bestehende Gütergemeinschaft der Geltendmachung des halben Ersatzes für den Ehegatten gestohlenes Vieh durch den Kläger entgegenstehe, kann nicht geteilt werden. Bei Beurteilung dieser Rechtsfrage ist zu erwägen,
a) ob die Gütergemeinschaft überhaupt der Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen durch einen Gattenteil allein, im gegenständlichen Fall also durch den Kläger, entgegensteht,
b) ob die Art des gemeinsamen Eigentums der Ehegatten an dem gestohlenen Vieh jeden Ersatzanspruch bloß durch einen Ehegatten allein, hier durch den Kläger, ausschließt. Beide Fragen sind zu verneinen.
Zu a): Die zwischen Ehegatten begrundete allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden ist gemäß § 1233 ABGB. ein Spezialfall der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes im Sinne der §§ 1175 ff. (2 Ob 395/51, 458/51), wirkt also als solche Gesellschaft bürgerlichen Rechtes nur inter partes (§§ 1181, 1201 - 1203 ABGB.).
Daher kann trotz der Gütergemeinschaft auch ein Gattenteil für sich allein vermögensrechtliche Forderungen begrunden und erwerben, wie umgekehrt trotz der Gütergemeinschaft auch jeder Ehegatte für sich allein verpflichtungsfähig bleibt. Die von ihm allein erworbene Forderung kann der eine Gattenteil aber auch allein gegen seinen Schuldner geltend machen, ohne daß dieser die mangelnde aktive Klagslegitimation einwenden könnte, ja die Beteiligung des anderen Gattenteiles an der Geltendmachung würde Zession der halben Forderung voraussetzen (§ 1181 ABGB.). Daraus folgt, daß wegen der Gütergemeinschaft durchaus nicht alle Forderungen der Ehegatten Gesamthandforderungen in dem Sinne sein müssen, daß sie nur durch beide Ehegatten zusammen geltend gemacht werden können (vgl. auch die Ausführungen zum Gesamthandeigentum unten). Umgekehrt wird durch die Alleinverpflichtung des einen Ehegatten (der selbstverständlich auch allein geklagt werden kann, ohne mangelnde Passivlegitimition einwenden zu können), der andere Gattenteil, der dabei nicht mitgewirkt hat, nicht von selbst mitverpflichtet (wenn auch allerdings die Sachhaftung des anderen Gattenteils mit dem gemeinschaftlichen Gut bejaht wird - vgl. Entsch. bei Kapfer, ABGB., Gr. Ausgabe, zu § 1235 ABGB., unter Nr. 4).
Zu b): Der Oberste Gerichtshof ist der Ansicht (SZ. XV/190, GlU. 15042, entgegen SZ. XII/101), daß dem österreichischen Recht ein Eigentum zur gesamten Hand, ein Gesamteigentum ohne einen bestimmten Bruchteil, unbekannt ist, so daß das Eigentum der in allgemeiner Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten ein schlichtes Miteigentum ohne Bruchteile (§ 361 ABGB., § 10 GBG.) ist. Dem Kläger steht daher frei, den auf ihn entfallenden Hälfteanteil des durch den Viehdiebstahl entstandenen Schadens gegen den Beklagten geltend zu machen.
Demnach erweist sich der geltend gemachte Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. als berechtigt, und muß der Revision Folge gegeben werden, ohne daß ein Eingehen auf die weiteren von der Revision geltend gemachten Revisionsgrunde erforderlich wäre. Es kann aber nicht im Sinne des gestellten Abänderungsantrages das Ersturteil wieder hergestellt werden, weil das Berufungsgericht, von seiner irrigen Rechtsansicht ausgehend, die in der Berufung des Beklagten enthaltene Anfechtung der vom Erstgericht vorgenommenen Tatsachenfeststellungen nicht erledigt hat, sodaß der bei richtiger rechtlicher Beurteilung der Sache maßgebende Sachverhalt ohne Verschulden des Beklagten nicht festgestellt erscheint. Wegen dieser auf unrichtige rechtliche Beurteilung zurückgehenden Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens im Sinne des § 503 Z. 2 ZPO. war, auch ohne daß diese Mangelhaftigkeit geltend gemacht worden ist, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache behufs Behebung dieses Mangels an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (Judikat 230).
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