OGH 2Ob299/74

OGH2Ob299/7410.4.1975

SZ 48/43

Normen

Außerstreitgesetz §9
Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit §142
Außerstreitgesetz §9
Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit §142

 

Spruch:

Die Erlassung der Eintragungsverfügung ist regelmäßig der Ausdruck einer auf Zulässigkeit der Eintragung lautenden Entscheidung des Registergerichtes, die im Sinne des § 9 AußStrG - unabhängig von der im § 142 FGG eröffneten Möglichkeit einer jederzeitigen amtswegigen Löschung einer Eintragung - der Anfechtung unterliegt

OGH 10. April 1975, 2 Ob 299/74 (OLG Wien 3 R 54/74; HG Wien 7 HRA

19.895)

Text

Das Erstgericht ordnete durch den Rechtspfleger die Eintragung der Firma X, Liegenschafts-Gesellschaft m. b. H. & Co., Kommanditgesellschaft (Spalte 2 a), mit dem Sitz in Wien (Spalte 2 b), der persönlich haftenden Gesellschafterin X, Liegenschaften-Gesellschaft m. b. H., Traun (Spalte 3), und der Einzelprokuristin Helga P, Ulm (Spalte 4), als Kommanditgesellschaft mit dem Gesellschaftsbeginn 17. Oktober 1972 und den Kommanditisten Ing. Alois W, Kaufmann und Landwirt, Groß-Globnitz, Bezirk Zwettl, Kurt K, Kaufmann, Ulm, BRD, und Helga F, Prokuristin, Ulm, BRD, alle mit einer Vermögenseinlagenbeteiligung von je 100.000 S (Spalte 5), an. Die Eintragung wurde am 17. Oktober 1972 vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vollzogen; ihre Bekanntmachung - ausgenommen die Namen und die Vermögenseinlagen der Kommanditisten - erfolgte im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 13. Dezember 1972 und im Zentralblatt vom 8. November 1972, Nr. 45.

Am 8. Feber 1974 ersuchte die Finanzprokuratur um Zustellung einer Beschlußausfertigung, womit die Eintragung der X, Liegenschaften-Gesellschaft m. b. H. & Co., Kommanditgesellschaft, in das Handelsregister bewilligt worden war. Das Erstgericht verfügte die Zustellung einer Photokopie der Eintragungsverfügung an die Finanzprokuratur am 11. Feber 1974. Am 2. März 1974 erhob die Finanzprokuratur Rekurs gegen die Eintragungsverfügung; dieser langte am 5. März 1974 bei Gericht ein. Die Finanzprokuratur behauptete, die Ausfertigung sei ihr am 19. Dezember 1974 zugestellt worden. Die Zustellung war ohne Zustellausweis verfügt worden. Die Rekurswerberin begehrte, daß die Eintragung der genannten Firmen abgewiesen und die vollzogene Eintragung als nichtig gelöscht werde. Ihr gleichzeitiger Eventualantrag lautete auf Einleitung eines amtswegigen Löschungsverfahrens gemäß §§ 142. 144 FGG.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs als unzulässig zurück, weil eine ordnungsgemäß vollzogene Eintragung ins Handelsregister ebensowenig wie der ihr zugrunde liegende interne Verfügungsakt des Registergerichtes der Anfechtung unterliege. Es komme nur ein Verfahren nach §§ 142, 143 FGG in Betracht. Das Rekursgericht halte an seiner in der Entscheidung 3 R 161/72, ZfRV 1973, 217 ff., ausführlich begrundeten Ansicht fest. Nur die Verweigerung der Eintragung führe zu einer Entscheidung über den Eintragungsanspruch. Der Vollzug der angemeldeten Entscheidung erfolge bloß auf Grund einer mit internen Wirkungen verbundenen Verfügung, die erst durch ihren Vollzug (Eintragung ins Handelsregister und deren Bekanntmachung) mittelbar externe Wirkungen erzeuge. Die Eintragungsverfügungen würden auch nicht ausgefertigt, denn sie seien nur Vollzugsanordnungen an den Registerführer. Dem Anmeldenden werde lediglich eine Benachrichtigung von der vollzogenen Eintragung zugestellt.

Mit der Frage der Rechtzeitigkeit des Rekurses habe sich das Rekursgericht nicht zu befassen gehabt, weil zunächst über die Unzulässigkeit des Rekurses zu entscheiden gewesen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Finanzprokuratur nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rekursgericht hat sich den Standpunkt der deutschen Rechtslehre zu eigen gemacht, wonach gegen die Eintragungsverfügung, die lediglich einen inneren Vorgang des Gerichtes bilde, und gegen die Eintragung selbst eine Beschwerde nicht zulässig sei. Eintragungen könnten nur im Sonderverfahren der §§ 142, 143 FGG wieder gelöscht werden (Bumiller - Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, zu § 142 FGG Anm. 1; Schlegelberger, HGB[5], § 8 Anm. 11; derselbe, FGG[7], § 19 Anm. 3, 4).

Vorauszuschicken ist, daß durch Art. 1 Abs. 1 Z. 3 uns Z. 7 der 4. Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften in Österreich vom 24. Dezember 1938 unter anderen der 7. Abschnitt "Handelssachen" des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (mit einigen Ausnahmen) sowie die Handelsregisterverfügung mit 1. März 1939 in Kraft gesetzt wurden. Art. 9 bestimmt aber, daß §§ 1 bis 19 des österreichischen Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen anzuwenden sind, soweit sich aus den Vorschriften des 7. Abschnittes des FGG nichts anderes ergibt. Damit wurde eindeutig festgelegt, daß nicht das FGG in seiner Gesamtheit, sondern nur dessen 7. Abschnitt und hilfsweise das Außerstreitgesetz anzuwenden ist, wodurch allerdings eine uneinheitliche Rechtslage geschaffen wurde. Jedenfalls ist somit die Frage der Anfechtbarkeit von Verfügungen des Registergerichtes letzten Endes vor dem Hintergrund des Außerstreitgesetzes und nicht des FGG zu prüfen. Daß dies nicht einerlei ist, geht etwa daraus hervor, daß das FGG die unbefristete Beschwerde und die sofortige (befristete) Beschwerde unterscheidet, was dem Außerstreitgesetz fremd ist.

Vor der Einführung der erwähnten reichsrechtlichen Vorschriften war es in Österreich unstreitig, daß einem Dritten nach § 9 AußStrG ein Rekurs gegen den Eintragungsbeschluß des Registergerichtes zustehe (ACL 2450; SZ 8/257; Deinelius in Staub - Pisko, Kommentar zum AHGB[3], I, 127).

In der Entscheidung 3 Ob 478/53 = SZ 26/218 = NZ 1954, 9, wurde weiterhin die Ansicht vertreten, ungeachtet der Möglichkeit einer Klage nach § 37 Abs. 2 HGB stehe einem Dritten, der durch eine Eintragung ins Handelsregister in seinen Rechten verletzt werde, ein Rekursrecht gegen den Eintragungsbeschluß zu. Auch für diesen Rekurs seien aber die Bestimmungen des § 11 AußStrG hinsichtlich der Rekursfrist zu beachten.

Die auf deutsche Kommentare gestützte Ansicht, der Eintragungsbeschluß sei unanfechtbar, wurde in der Entscheidung 1 Ob 268/58 = SZ 31/131 ausdrücklich verworfen, weil sie nicht auf das Gesetz gegrundet werden könne. Ein Rechtsmittelausschluß in so wichtigen Belangen wäre eine dem Gesetz nicht zuzutrauende Unbilligkeit.

Die Entscheidung EvBl. 1963/446 brachte neuerlich zum Ausdruck, daß der durch die Protokollierung einer Firma in seinen Rechten Verletzte den Eintragungsbeschluß mit Rekurs anfechten könne. Dies sei in der alten österreichischen Rechtsprechung stets bejaht worden. An dieser Rechtslage habe die 4. EVzHGB nichts geändert, da gemäß Art. 9 die Vorschriften der §§ 1 bis 19 AußStrG weiterhin anzuwenden seien, soweit sich aus dem 7. Abschnitt über das Rekursrecht gegen Beschlüsse, womit Eintragungen ins Handelsregister bewilligt werden, nichts aussage und insbesondere aus § 126 FGG nicht hervorgehe, daß nur den Organen des Handelsstandes das Antrags- und Rekursrecht zustehe.

Denselben Standpunkt nahmen die Entscheidungen 3 Ob 75/59, 6 Ob

137/64 = EvBl. 1965/146, 6 Ob 19/66 = GR 1967, 15, 6 Ob 77/68 = NotZ

1969, 13 und 1 Ob 315/71 = NotZ 1972, 121, ein.

Die Entscheidung 3 Ob 488/54 = JBl. 1955, 125, besagt nichts

Gegenteiliges, sondern drückt nur aus, daß die bloße Mitteilung von einer erfolgten Registereintragung an die Handelskammer nicht die Zustellung der im § 23 HRV vorgesehenen Entscheidung ersetze, weshalb der Rekurs rechtzeitig sei. (Hier ist zu beachten, daß nach § 23 Abs. 1 zweiter Satz HRV das Registergericht eine mit Gründen versehene Entscheidung der Kammer zustellen muß, wenn der Richter vom Vorschlag des Gutachtens der Handelskammer abweicht.) Um dasselbe Problem handelte es sich auch in 6 Ob 308/61 = EvBl. 1962/231.

Auch in 5 Ob 78/62 = EvBl. 1962/516 wurde nur scheinbar eine abweichende Rechtsansicht vertreten, weil in dieser Entscheidung der Satz vorkommt: "War die einmal vollzogene Eintragung mangels Voraussetzungen unzulässig, dann kommt nur eine amtswegige Löschung gemäß §§ 142 (141) FGG in Frage." In Wahrheit handelte es sich aber um einen Rekurs gegen die Verfügung einer Eintragung und der Oberste Gerichtshof wies nicht etwa diesen Rekurs als unzulässig zurück, sondern bestätigte den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes und meinte, nach Erhebungen werde das Eintragungsgesuch abzuweisen und die verfügte Eintragung nach Rechtskraft zu löschen sein.

Der Oberste Gerichtshof sieht auch diesfalls keinen Anlaß, von der herrschenden Rechtsprechung abzugehen. Das Registergericht hat nicht etwa auf Grund einer Anmeldung zum Handelsregister unbesehen und automatisch die Eintragung zu verfügen, sondern zu prüfen, ob die Eintragung zulässig ist (§ 126 FGG, § 23 Abs. 1 HRV). Das Registergericht kann, wenn eine von ihm zu erlassende Verfügung von der Beurteilung eines streitigen Rechtsverhältnisses abhängig ist, sogar die Verfügung aussetzen, bis über das Verhältnis im Wege des Rechtsstreites entschieden ist. Es kann, wenn der Rechtsstreit nicht anhängig ist, einem der Beteiligten eine Frist zur Erhebung der Klage bestimmen (§ 127 HRV). Nur, wenn der Richter kein Bedenken gegen die Zulässigkeit der Eintragung der Anmeldung hat, darf er also die Eintragung verfügen. Die Erlassung der Eintragungsverfügung ist daher regelmäßig der Ausdruck einer auf Zulässigkeit der Eintragung lautenden Entscheidung des Registergerichtes, die im Sinne des § 9 AußStrG - ganz unabhängig von der im § 142 FGG eröffneten Möglichkeit einer jederzeitigen amtswegigen Löschung einer Eintragung - der Anfechtung unterliegt (vgl. Böhm, ZfRV 1973, 221 ff.).

Damit stellt sich aber die weitere Frage, ob diesfalls der zulässige Rekurs der Finanzprokuratur rechtzeitig erhoben wurde. Dies ist nicht der Fall.

Der Finanzprokuratur steht aus Gründen des öffentlichen Interesses gegen Registereintragungen das Rekursrecht zu, doch ist eine Benachrichtigung der Finanzprokuratur von einer Eintragungsverfügung nicht vorgesehen. Sie kann daher auch aus der dennoch auf ihr Ersuchen erfolgten Benachrichtigung keine besonderen Rechte für sich ableiten. Die Finanzprokuratur kann daher nur so lange einschreiten, als nicht gegenüber den Parteien der Beschluß des Registergerichtes rechtskräftig geworden ist. Es geht nicht an, daß ein Beschluß im Rekursweg nach beliebig langer Zeit angefochten wird, weil er bei gehöriger Beobachtung öffentlicher Interessen nicht hätte erlassen werden dürfen (5 Ob 344/59). Hiegegen kann nur im Wege des § 142 FGG Abhilfe gesucht werden (vgl. auch 3 Ob 415/54; 2 Ob 285/55; SZ 23/178; EvBl. 1951/149; EvBl. 1952/163).

Der Rekurs der Finanzprokuratur hätte daher zwar nicht wegen Unzulässigkeit, wohl aber wegen Verspätung zurückgewiesen werden müssen. Im Ergebnis erweist sich daher die Zurückweisung des Rekurses als zutreffend.

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