OGH 2Ob23/72

OGH2Ob23/725.6.1972

SZ 45/66

Normen

ABGB §37
Codice Civile Art1219
Codice Civile Art2947
Codice Civile Art2943
Codice Civile Art2944
EO §80
ABGB §37
Codice Civile Art1219
Codice Civile Art2947
Codice Civile Art2943
Codice Civile Art2944
EO §80

 

Spruch:

Unterbrechung der Verjährung durch "intimazione" (Aufforderung) und "richiesta" (schriftliche Mahnung) nach rechtskräftigem italienischen Urteil, das in Österreich nicht vollstreckbar ist

OGH 5. 6. 1972, 2 Ob 23/72 (OLG Innsbruck 1 R 170/71; LG Feldkirch 5 Cg 2678/71)

Text

Der Beklagte (Österreicher) war am 23. 7. 1957 in Italien in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem der Kläger (Italiener) zu Schaden kam. Dieser brachte beim Tribunal La Spezia gegen den Beklagten eine Schadenersatzklage ein, auf Grund der ihm vom Appellationsgerichtshof in Genua ein Betrag von 4.916.000 Lit sA zuerkannt wurde. Der Beklagte wurde weiters verurteilt, dem Kläger die mit 754.000 Lit bestimmten Gerichtsspesen der ersten Rechtsstufe und die mit 275.270 Lit bestimmten Gerichtsspesen der zweiten Rechtsstufe zu ersetzen. Das am 9. 6. 1967 erlassene Urteil des Appellationsgerichtshofes in Genua erwuchs in Rechtskraft.

Mit der Behauptung, der Beklagte habe den Verkehrsunfall vom 23. 7. 1957 verschuldet und die Haftpflichtversicherung des Beklagten habe von dem durch die italienischen Gerichte zugesprochenen Schadenersatzbetrag am 4. 7. 1968 70.000 Lit und am 3. 9. 1968

4.590.800 Lit, zusammen also nur 4.660.800 Lit samt einem Zinsenanteil beglichen, begehrt der Kläger vom Beklagten Zahlung von

298.566 Lit als restliche Hauptforderung sowie den Ersatz der angeführten Verfahrenskosten von 754.000 Lit und 275.270 Lit, zusammen somit 1.327.836 Lit sA, uzw umgerechnet in österreichische Schilling zum Devisenkurs der Wiener Börse am Zahlungstag.

Dazu brachte der Kläger vor, auf den vorliegenden Fall sei italienisches Recht anzuwenden. Das am 10. 6. 1967 rechtskräftig gewordene italienische Urteil behalte seine Gültigkeit durch 30 Jahre, sodaß die Klagsforderung nicht verjährt sei. Innerhalb der Frist von 30 Jahren könne auf Grund des italienischen Urteiles, das mangels eines Vollstreckungsvertrages in Österreich nicht vollstreckt werden könne, in Österreich die Klage erhoben werden, um eine Durchsetzung des Anspruches in Österreich zu ermöglichen. Es sei immer wieder versucht worden, mit dem Beklagten eine Regelung zu treffen, doch habe dieser immer abgelehnt.

Der Beklagte wendete hinsichtlich der geltend gemachten Verfahrenskosten Unzulässigkeit des Rechtsweges ein und beantragte im übrigen Abweisung des Klagebegehrens. Er brachte im wesentlichen vor, ihn treffe an dem Unfall kein Verschulden; außerdem sei die Klagsforderung verjährt, denn er habe die Forderungen des Klägers immer strikte abgelehnt und auch seiner Erklärung, daß er der Ausfolgung des von seiner Haftpflichtversicherung beim BG Innsbruck hinterlegten Betrages von S 200.000.- an den Kläger zustimme, den Vorbehalt hinzugefügt, daß er damit eine Schuld dem Kläger gegenüber nicht anerkenne. Hilfsweise wendete der Beklagte eine nicht näher konkretisierte Gegenforderung aus der Beschädigung seines Wagens bei dem Unfall vom 23. 7. 1957 aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges hinsichtlich der Verfahrenskosten von 754.000 Lit und

275.270 Lit mit Beschluß und wies mit Urteil das gesamte Klagebegehren ab. Es nahm Verjährung der Klagsforderung an und stützte sich dabei auf die von Klang in Klang[2] VI 609 und Ehrenzweig, System I/1 zu § 131. vertretene Meinung, daß durch Klage und Urteil im Ausland die Verjährung nicht unterbrochen worden sei, weil der Beklagte immer im Inland einen Gerichtsstand gehabt habe. Das Erstgericht verwies darauf, daß die Verjährung auch unter Zugrundelegung der vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 23. 5. 1967, 2 Ob 97, 98/67 EvBl 1968/138 vertretenen Meinung, wonach durch die Einbringung der Schadenersatzklage vor dem ausländischen Gericht des Unfallsortes die Verjährung auch dann unterbrochen werde, wenn das ausländische Urteil in Österreich nicht vollstreckbar sei und der Kläger in Österreich hätte klagen können, weil die Verjährung nach der rechtskräftigen Entscheidung durch die italienischen Gerichte neu beginne, anzunehmen wäre. Von der Rechtskraft des italienischen Urteiles (10. 6. 1967) bis zur Einbringung der vorliegenden Klage (18. 5. 1971) seien aber mehr als drei Jahre verstrichen. Eine sonstige Unterbrechung der Verjährung sei vom Kläger nicht behauptet worden, der sich auf das Vorbringen beschränkt habe, es sei immer versucht worden, mit dem Beklagten eine Regelung zu treffen, dieser habe jedoch abgelehnt. Nach § 1497 ABGB werde die Verjährung aber sonst nur unterbrochen, wenn der Verpflichtete "vor dem Verlauf der Verjährungszeit entweder ausdrücklich oder stillschweigend das Recht des anderen anerkennt".

Der Beschluß über die Verwerfung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges wurde nicht angefochten.

Die gegen das Ersturteil erhobene Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht schloß sich der in der erwähnten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23. 5. 1967, 2 Ob 97, 98/67, EvBl 1968/138, vertretenen Auffassung an und verwies darauf, daß die Frage der Verjährung - und damit auch die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung - als Frage des materiellen Rechtes nach dem Recht zu beurteilen sei, das für das zu entscheidende Rechtsverhältnis maßgebend sei. Da sich der Unfall in Italien ereignet habe, sei italienisches Recht anzuwenden. Die für Judikatsschulden nach Art 2946 und 2953 des italienischen Zivilgesetzbuches geltende zehnjährige Verjährungsfrist komme dem Kläger nicht zustatten, weil aus einem im Inland nicht vollstreckbaren ausländischen Urteil kein im Inland durchsetzbarer Judikatsanspruch entstehe. Da der Schaden aus dem Verkehr von Fahrzeugen entstanden sei, verjähre der Ersatzanspruch nach Art 2947 Abs 2 des italienischen Zivilgesetzbuches in zwei Jahren. Diese seien am 18. 5. 1971 jedenfalls abgelaufen gewesen. Der genannten Bestimmung seien auch die Prozeßkosten zu unterwerfen, weil sie mit dem Verkehrsunfall in einem unlösbaren Zusammenhang stehen und einen Nebenanspruch darstellen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wenn auch das ABGB über das anzuwendende Recht hinsichtlich der aus einer unerlaubten Handlung entspringenden Schuldverhältnisse keine Bestimmung enthält, so nehmen Lehre (siehe dazu Klang[2] I/1, 242) und Rechtsprechung (vgl dazu SZ 29/45, ZfRV 1960, 90, EvBl 1972/172 uam) an, daß für solche Schuldverhältnisse grundsätzlich das Recht des Ortes zu gelten hat, wo die Handlung begangen wurde, sofern die besonderen Umstände des Falles nicht die Wahl eines anderen Anknüpfungspunktes erfordern. Das letztere kann aber bei Ansprüchen eines Italieners aus einem in Italien geschehenen Unfall nicht gesagt werden. Wie das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Lehre (siehe dazu auch noch Bolla, Grundriß des österreichischen internationalen Privatrechtes, 27, Raape, Internationales Privatrecht S 462, und Serick, Die Sonderanknüpfung von Teilfragen im internationalen Privatrecht, RabelsZ 1953, 636, 649) zutreffend ausgeführt hat, ist die Frage der Verjährung demselben Statut wie das Schuldverhältnis selbst zu unterwerfen, sodaß im vorliegenden Fall die Fragen der Verjährung, also auch die der Verjährungszeit und der Hemmung bzw der Unterbrechung der Verjährung, nach italienischem Recht zu beurteilen sind. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend auf die vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 23. 5. 1967, 2 Ob 97, 98/67 SZ 40/88 = EvBl 1968/138, vertretene Ansicht verwiesen, wonach die in Italien eingebrachte Klage auch dann die Verjährung unterbricht, wenn das in Italien erwirkte Urteil in Österreich nicht vollstreckt werden kann und wenn der Beklagte in Österreich einen Gerichtsstand hatte, und die Verjährungsfrist in diesem Fall ab Rechtskraft der Entscheidung des italienischen Gerichtes neu zu laufen beginnt (so auch die nicht veröffentlichte Entscheidung 2 Ob 324/67).

Der Kläger, der in der Klage bei seiner Behauptung über eine erst in dreißig Jahren verjährende Judikatsschuld offenbar das österreichische Recht im Auge gehabt hat, will sich nun auf die Bestimmungen der Art 2946 und 2953 des italienischen Zivilgesetzbuches stützen, nach denen die zehnjährige ordentliche Verjährungszeit auch für Ansprüche gilt, über die ein rechtskräftiges Leistungsurteil ergangen ist. Er übersieht dabei, worauf das Berufungsgericht ebenfalls bereits hingewiesen hat, daß hier von einer Judikatsschuld nur für den italienischen Rechtsbereich, nicht aber für den österreichischen Rechtsbereich gesprochen werden kann. Das in Italien ergangene Urteil ist in Österreich an sich wirkungslos. Die Einbringung der Klage in Italien hat für den österreichischen Bereich lediglich die Wirkung der Unterbrechung der Verjährung; der Eintritt der Rechtskraft des italienischen Urteiles wieder hat nur die Wirkung, daß die Verjährung neu zu laufen beginnt. Der Hinweis auf einen noch nicht ratifizierten Vollstreckungsvertrag zwischen Österreich und Italien betrifft noch nicht geltendes Recht und muß daher versagen.

Nach Art 2947 Abs 2 des italienischen Zivilgesetzbuches verjährt der Ersatzanspruch aus einem im Fahrzeugverkehr entstandenen Schaden in zwei Jahren. Nach Art 2943 des italienischen Zivilgesetzbuches wird die Verjährung ua durch jede Handlung unterbrochen, die den Schuldner in Verzug setzen kann, was nach Art 1219 des genannten Gesetzes durch Aufforderung (intimazione) oder durch schriftliche Mahnung (richiesta) geschehen kann. Nach Art 2944 des genannten Gesetzes wird die Verjährung auch durch die Anerkennung des Rechtes durch denjenigen, gegen den es geltend gemacht werden kann, unterbrochen. Daß der Kläger den Beklagten in der Zeit zwischen der Rechtskraft des italienischen Urteiles (10. 6. 1967) und dem 10. 6. 1969, also innerhalb der zweijährigen Verjährungszeit, zu einem Zeitpunkt gemahnt hätte, von dem bis zur Einbringung der vorliegenden Klage nicht mehr als zwei Jahre verstrichen sind, iS der oben genannten Bestimmungen zur Zahlung aufgefordert oder schriftlich gemahnt hätte, hat der Kläger weder in der Klage noch im Zuge des Verfahrens erster Instanz nach Erhebung der Verjährungseinrede vorgebracht. Die beiläufige Behauptung, es sei immer wieder versucht worden, eine Regelung mit dem Beklagten zu treffen, ist zu unbestimmt, um damit der erhobenen Verjährungseinrede zu begegnen. Sie wurde auch gar nicht unter Beweis gestellt. Daß der Beklagte Vergleichsverhandlungen abgelehnt hat, ist bei der dargelegten Rechtslage zwar unerheblich, vermag aber den Standpunkt des Klägers nicht zu stützen.

Soweit sich der Kläger schließlich darauf beruft, daß die Klagebeantwortung ein eindeutiges Anerkenntnis der mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Forderungen enthalte, setzt er sich mit der Aktenlage in Widerspruch. Der Beklagte hat darin ganz im Gegenteil diese Forderungen bestritten, uzw schon dem Gründe nach. Ein bloß in Aussicht gestelltes Anerkenntnis der Höhe nach ist daher ohne Bedeutung. Daß er der Ausfolgung des von seiner Haftpflichtversicherung zu Gunsten des Klägers hinterlegten Betrages von S 200.000.- zugestimmt hat, könnte keinesfalls als Anerkenntnis weitergehender Forderungen des Klägers ausgelegt werden. Das muß umsomehr gelten, wenn der Beklagte dieser Erklärung den Vorbehalt beigefügt hat, daß er damit eine Schuld gegenüber dem Kläger nicht anerkenne.

Die am 4. 7. 1968 und am 3. 9. 1968 von der Haftpflichtversicherung des Beklagten geleisteten Zahlungen lassen ebenfalls keinen Schluß auf eine Teilzahlung zu, mit der zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß der Beklagte auf Abschlag einer weiteren Verpflichtung leisten wolle. Ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis der Klagsforderung kann darin also nicht erblickt werden (SZ 37/29 uam). Dagegen spricht auch der anläßlich der Zustimmung zur Ausfolgung des von der Versicherung hinterlegten Betrages, aus dem die Zahlungen vom 4. 7. 1968 und 3. 9. 1968 offenbar geleistet wurden, vom Beklagten gemachte Vorbehalt.

Bezüglich der Forderung auf Ersatz der dem Kläger durch die italienischen Gerichte zuerkannten Verfahrenskosten ist das Klagsvorbringen nicht schlüssig, denn die allein vorgebrachte Tatsache, daß dem Kläger diese Kosten durch die italienischen Gerichte zugesprochen wurden, stellt im österreichischen Rechtsbereich keinen die Ersatzpflicht des Beklagten rechtfertigenden Rechtsgrund dar.

Demzufolge mußte der Revision ein Erfolg versagt bleiben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte