OGH 2Ob226/02b

OGH2Ob226/02b10.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Versicherungs-AG, *****, vertreten durch Dr. Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Gemeinde S*****, vertreten durch Dr. Reinhard Schwarzkogler und Mag. Norbert Stiefmüller, Rechtsanwälte in Lambach, wegen EUR 7.635,97 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 22. Mai 2002, GZ 22 R 171/02g-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Lambach vom 17. Dezember 2001, GZ 1 C 863/99v-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 665,66 (darin enthalten USt von EUR 110,94, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei der Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Am 13. 12. 1997 ereignete sich gegen 6.30 Uhr in Sattledt, auf der Sattledter Landesstraße ein Verkehrsunfall bei dem der aus Sattledt kommende Roland A***** mit seinem bei der klagenden Partei haftpflichtversicherten PKW auf den im Unfallbereich angehaltenen PKW der Monika G***** auffuhr, weil er seinen PKW auf der eisglatten, nicht gestreuten Straße nicht mehr anhalten konnte. Die klagende Partei begehrt unter Anrechnung eines 50 %igen Mitverschuldens des Roland A***** den Klagsbetrag mit der Begründung, die beklagte Partei sei auf Grund eines Übereinkommens mit der Gemeinde S***** verpflichtet gewesen, das gegenständliche Straßenstück zu räumen und zu streuen. Tatsächlich habe sie es in grob fahrlässiger Weise unterlassen, am Tag des Unfalls entsprechende Kontrollen durchzuführen, obwohl die Unfallstelle in einer Senke mit einem Bach verlaufe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte aus, dass angesichts der am Morgen des Unfallstages herrschenden Plustemperaturen - zudem nach einer niederschlagsfreien Nacht - mit einer Vereisung infolge Abfließens bodennaher Kaltluft nicht zu rechnen gewesen sei, dies sei für die beklagte Partei bzw ihrem Bediensteten auch nicht erkennbar gewesen. Weder dem Arbeiter der beklagten Partei noch dieser selbst im Sinne eines Überwachungs- oder Organisationsverschuldens könne auch nur leichte Fahrlässigkeit angelastet werden.

Das Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Zur Rechtsfrage führte es aus, dass die beklagte Gemeinde nicht Wegehalter sei. Allerdings würden die für den Wegehalter geltenden Grundsätze sinngemäß auch für den Unternehmer gelten, der die Aufgaben des Wegehalters vertraglich übernommen habe, allerdings mit der Maßgabe, dass er nach allgemeinen Schadenersatzregeln und für Repräsentanten nach § 1313a ABGB und für Gehilfen nach § 1315 ABGB hafte, ohne dass allerdings das in § 1319a ABGB normierte Haftungsprivileg gelte. Im vorliegenden Fall sei eine solche "Unternehmerhaftung" der beklagten Partei zu bejahen, weil diese im Rahmen eines "Bürgermeisterabkommens" die eigenverantwortliche Organisation des Winterdienstes für ein nicht in ihrem Gemeindegebiet liegendes Straßenstück übernommen habe. Einer diesbezüglichen Beurteilung stehe gemäß § 462 Abs 1 ZPO allerdings der in der Rechtsmittelschrift geltend gemachte Fahrlässigkeitsgrad (grobes Verschulden) entgegen. Würde man dennoch unter Außerachtlassung des § 462 Abs 1 ZPO den Sachverhalt einer allseitigen rechtlichen Beurteilung unterziehen, wäre im Ergebnis für die klagende Partei nichts gewonnen, weil es die getroffenen Feststellungen nicht gestatteten, aus einer ex-ante-Betrachtung der beklagten Partei eine ihren Repräsentanten zuzurechnende Fahrlässigkeit, etwa im Sinne eines Überwachungs- oder Organisationsverschuldens anzulasten; dass sich die beklagte Partei zur Besorgung ihrer Angelegenheiten im Sinne des § 1315 ABGB einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person bedient hätte, sei nicht Prozessstoff. Insbesondere dürften auf Freilandstraßen an die Streupflicht des Wegehalters keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden und sei auch eine vorbeugende Streuung zumindest in der Regel nicht zu verlangen. Zu Maßnahmen, zu denen die Wegehalterin nicht verpflichtet gewesen sei, sei aber auch die mit der Besorgung des Winterdienstes ähnlich einem Unternehmen betraute kleine Gemeinde (beklagte Partei) nicht verpflichtet. Aus der Tatsache, dass die Unfallstelle zum Unfallszeit doch vereist gewesen sei, sei kein der beklagten Partei anzulastendes Verschulden abzuleiten, weil auf Grund der festgestellten Witterungsverhältnisse in Verbindung mit einer realitätsbezogenen ex-ante-Einschätzung am 13. 2. 1997 zwischen 4.00 Uhr und 6.00 Uhr ein Handlungsbedarf im Sinne einer Verständigung des mit dem Streuen beauftragten Unternehmens zu verneinen sei.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil der Frage der Überprüfungsbefugnis des Berufungsgerichtes (§ 462 Abs 1 ZPO) sowie des Umfanges der Haftung einer mit dem Winterdienst für eine andere Gemeinde betrauten kleinen Gemeinde erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet in der sie unter anderem geltend macht, die Revision wäre nicht zuzulassen gewesen.

Die Revision der klagenden Partei ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Frage der Überprüfungsbefugnis des Berufungsgerichtes stellt sich nicht, weil das Berufungsgericht ohnehin die Rechtsfrage allseitig geprüft hat. Rein theoretische Rechtsfragen zu klären ist aber nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofes. Die Frage des Umfanges der Haftung einer mit dem Winterdienst für eine andere Gemeinde betrauten kleine Gemeinde stellt sich ebenfalls nicht, weil die Haftung überhaupt verneint wurde. Im Übrigen ist aber der Beurteilungsmaßstab für die Mangelhaftigkeit des Weges das Verkehrsbedürfnis und die Zumutbarkeit entsprechender Maßnahmen. Dabei wird einer Gemeinde gegenüber der Allgemeinheit eine besondere Verantwortung aufgebürdet. Welche Maßnahmen ein Wegehalter aber im Einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich nach § 1319a Abs 2 letzter Satz ABGB danach, was nach der Art des Weges, insbesonders nach seiner Widmung, seiner geografischen Situierung in der Natur und dem Verkehrsbedürfnis angemessen und nach objektiven Maßstäben zumutbar ist. Es kommt im jeweils zu prüfenden Einzelfall darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um eine gefahrlose Benützung gerade dieses Weges zu erreichen. Zufolge der Einzelfallbezogenheit ist eine abschließende Umschreibung der Pflichten des Wegehalters unmöglich, weshalb auch die Frage nach dem Umfang der Streupflicht keine erhebliche Rechtsfrage darstellt (2 Ob 299/01m). Dies gilt nicht nur für die Haftung des Wegehalters nach § 1319a ABGB, sondern auch für die Haftung desjenigen, der wie ein selbständiger Unternehmer die Aufgaben des Wegehalters übernimmt und nach den allgemeinen Schadenersatzregeln haftet, also auch für leichte Fahrlässigkeit.

Da auch in der Revision der klagenden Partei andere erhebliche Rechtsfragen nicht geltend gemacht werden, war ihr Rechtsmittel zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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