OGH 2Ob299/01m

OGH2Ob299/01m29.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eleonore H*****, vertreten durch Dr. Manfred Dimmy, Rechtsanwalt in Stockerau, wider die beklagte Partei Marktgemeinde N*****, vertreten durch Dr. Erhard Mack, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen Zahlung von S 182.860,60 sA und Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 3. Juli 2001, GZ 21 R 151/01f-44, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Stockerau vom 31. Jänner 2001, GZ 2 C 835/99g-35, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 11.179,80 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.863,30, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Klägerin kam am 2. 2. 1999 im Ortsgebiet der beklagten Gemeinde auf einer unbenannten Gemeindestraße zu Sturz.

Sie begehrt von der beklagten Partei Schadenersatz wegen Verletzung der Streupflicht gemäß § 1319a ABGB.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt und bejahten das Vorliegen grober Fahrlässigkeit.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig. Über Antrag der beklagten Partei änderte es diesen Ausspruch dahin ab, dass die Revision doch zulässig sei. Es begründete dies damit, dass eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob eine Straße im ländlichen Bereich, welche nicht stark frequentiert sei und nicht vollständig von Schneeresten geräumt werden könne und auf der daher auch nach der Räumung noch Schneereste verblieben, gestreut werden müsse, um eine mögliche nachfolgende Straßenglätte, die durch das Befahren der Straße entstehe, zu mindern oder zu verhindern.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Das Tatbestandsmerkmal "mangelhafter Zustand" im Sinne des § 1319a ABGB bedeutet, dass nicht nur für den Weg selbst, sondern auch für dessen Verkehrssicherheit im weitesten Sinn gehaftet wird (Reischauer in Rummel**2, § 1319a Rz 6 mwN). Beurteilungsmaßstab für die Mangelhaftigkeit des Weges ist das Verkehrsbedürfnis und die Zumutbarkeit entsprechender Maßnahmen. Dabei wird einer Gemeinde gegenüber der Allgemeinheit eine besondere Verantwortung aufgebürdet (SZ 59/121). Welche Maßnahme ein Wegehalter im einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich nach § 1319a Abs 2 letzter Satz ABGB danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, seiner geographischen Situierung in der Natur und dem Verkehrsbedürfnis angemessen und nach objektiven Maßstäben zumutbar ist. Es kommt im jeweils zu prüfenden Einzelfall darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um eine gefahrlose Benützung gerade dieses Weges zu erreichen (Reischauer, aaO, § 1319a ABGB Rz 6 mwN; SZ 60/189 ua). Da zufolge dieser Einzelfallbezogenheit eine abschließende Umschreibung der Pflichten des Wegehalters unmöglich ist, stellt auch die Frage nach dem Umfang der Streupflicht des Halters der hier vorliegenden Gemeindestraße keine erhebliche Rechtsfrage dar (vgl 1 Ob 42/95).

Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO.

Aber auch in der Revision der beklagten Partei werden keine erheblichen Rechtsfragen dargetan. Ermessensfragen, wie solchen über die Schwere des Verschuldens, kommt im Allgemeinen keine über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung zu. Eine grobe Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste, haftet der angefochtenen Entscheidung nicht an, bestand doch auf der Straße, auf der die Klägerin um etwa 16.15 Uhr zu Sturz kam, bereits am Vormittag Schneeglätte.

Die Revision der beklagten Partei war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte