OGH 2Ob223/10y

OGH2Ob223/10y22.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am ***** 1997 geborenen S***** H*****, über den Revisionsrekurs des Vaters F***** B*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 3. September 2010, GZ 43 R 501/10k-S92, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 27. Juni 2010, GZ 4 P 59/08v-S85, im Wesentlichen bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Obsorge über die Minderjährige wurde der Mutter zugeteilt. Der Antrag des Vaters auf Festsetzung eines kurzfristigen, einmaligen und begleitenden Besuchsrechts wurde abgewiesen.

In der Folge beantragte der Vater, der Mutter aufzutragen, die derzeitige Wohnadresse der Minderjährigen bekanntzugeben und ihn über weitere Angelegenheiten zu informieren.

Die Mutter gab die Lebensumstände der Minderjährigen, Schule und Gesundheitszustand sowie ihre weiteren Ausbildungspläne bekannt und legte die letzten Schulzeugnisse vor. Sie verweigerte jedoch die Bekanntgabe des Wohnorts, da zu befürchten sei, dass der Vater die Minderjährige dort aufsuche, obwohl er derzeit über kein Besuchsrecht verfüge.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Ein unvorbereitetes Zusammentreffen zwischen dem Vater und der Minderjährigen würde den psychischen Zustand der Minderjährigen beeinträchtigen. Dies insbesondere deshalb, weil das „Auftauchen“ des Vaters in der Ehewohnung bei ihr bereits zuvor große Ängste ausgelöst habe. Der Vater habe nach seiner Wegweisung zweimal versucht, sich Zugang zur damaligen Ehewohnung zu verschaffen. Aufgrund dieses Verhaltens sei im Zusammenhang mit seiner Alkoholabhängigkeit zu befürchten, der Vater würde die Bekanntgabe der Wohnadresse der Minderjährigen dazu verwenden, ein Treffen mit dieser herbeizuführen. Dies stelle eine ernstliche Gefährdung des Kindeswohls dar.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss im Wesentlichen. Es trug der Mutter lediglich auf, dem Vater bekanntzugeben, in welchem Bezirksgerichtssprengel das Kind wohne. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil zur Ausgestaltung der Einschränkung der elterlichen Mindestrechte im hier gegebenen Zusammenhang (Wohnadresse des Kindes, zu dem kein Besuchsrecht besteht) höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen die Abweisung des Antrags auf Erteilung des Auftrags an die Mutter (unter Androhung einer Ordnungsstrafe), den Wohnsitz der Minderjährigen bekanntzugeben, richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters. Er habe das Kind niemals misshandelt, noch ihm gegenüber je irgendwelche Übergriffe gesetzt. Vielmehr werde dem Kind von der Mutter ein paranoides Weltbild überbunden. Die Bekanntgabe des Wohnsitzes einer Verfahrenspartei gehöre zu den rudimentärsten Verfahrenspflichten jeder Partei und die Kenntnis vom Wohnsitz des Prozessgegners zu den rudimentärsten Parteienrechten einer jeden Partei, so wie das Recht zu wissen, wo sein Kind wohne, zu den rudimentärsten Informationsrechten eines Elternteils zähle. Die Möglichkeit zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382g EO stelle einen hinreichenden und effektiven Schutz vor der abstrakten Möglichkeit der unrechtmäßigen Näherung des Vaters gegenüber der Tochter dar. Abstrakte Gefährdungsmöglichkeiten würden nicht einmal die Aussetzung eines Besuchsrechts rechtfertigen.

Die Mutter hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (RIS-Justiz RS0042392) - Zulassungsausspruchs des Rekursgerichts in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig:

1. Gemäß § 178 Abs 1 ABGB hat der Elternteil, der nicht mit der Obsorge betraut ist, außer dem Recht auf persönlichen Verkehr das Recht, von demjenigen, der mit der Obsorge betraut ist, von wichtigen Angelegenheiten rechtzeitig verständigt zu werden und sich hiezu in angemessener Frist zu äußern. Gemäß Abs 3 leg cit hat das Gericht diese Rechte auf Antrag einzuschränken oder ganz zu entziehen, wenn deren Wahrnehmung das Wohl des Kindes ernstlich gefährden oder wenn sie der mit der Obsorge nicht betraute Elternteil in rechtsmissbräuchlicher oder für den anderen in unzumutbarer Weise in Anspruch nimmt.

2. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, ob bzw inwieweit die Informations- und Äußerungsrechte des mit der Obsorge nicht betrauten Elternteils unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände eingeschränkt oder entzogen werden sollen, ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Es kann ihr deshalb in der Regel keine Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden, sofern nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (10 Ob 12/06x). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

3. Der Vater beruft sich darauf, dass es zu den rudimentärsten Informationsrechten eines Elternteils zähle, zu wissen, wo sein Kind wohne. Das trifft grundsätzlich zu (vgl Weitzenböck in Schwimann TK § 178 ABGB Rz 4). Dieses Recht ist jedoch nicht Selbstzweck, sondern soll der Durchführung des persönlichen Verkehrs dienen. Wenn nun dem Vater derzeit kein Besuchsrecht zusteht, so wäre die begehrte Information für ihn zwecklos, ist ihm - dem sogar das „kurzfristige, einmalige und begleitete“ Besuchsrecht versagt wurde - doch der persönliche Verkehr mit der Minderjährigen untersagt. Zu welchem anderen Zweck aber die Kenntnis des Wohnsitzes dienen soll, bleibt im Dunkeln.

4. Eine ernstliche Gefährdung des Kindeswohls kann sich daraus ergeben, dass der Elternteil den Kontakt zum Kind sucht, obwohl ihm aufgrund seines Verhaltens der persönliche Verkehr gemäß § 148 Abs 2 ABGB untersagt wurde, was den (teilweisen) Entzug des Informationsrechts hinsichtlich des Aufenthaltsortes des Kindes rechtfertigt (Thunhart in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 178 ABGB Rz 22).

Eine entsprechende Situation ist hier gegeben. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, welche eine ernstliche Gefährdung des Kindeswohls im Falle der Erteilung des beantragten Auftrags annahmen, ist daher vertretbar und stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Die Gefährdung des Kindeswohls wird nicht schon deshalb beseitigt, weil die Möglichkeit der Beantragung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382g EO besteht.

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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