OGH 2Ob2101/96a

OGH2Ob2101/96a27.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann, als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Verlassenschaft nach Gerhard Ignaz H*****, verstorben am *****, zuletzt wohnhaft gewesen in ***** vertreten durch Dr.Karl J.Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, wider den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Leopold J*****, vertreten durch Heller-Pitzal-Pitzal, Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Feststellung, Ausfolgung einer Urkunde und Räumung einer Liegenschaft, infolge Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 28. Februar 1996, GZ 11 R 28/96k-5, womit infolge Rekurses der gefährdeten Partei der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 21.Jänner 1996, GZ 22 Cg 16/96a-2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die gefährdete Partei ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit S 34.875,-- (darin enthalten USt von S 5.812,50, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge nur mehr als klagende Partei bezeichnet) brachte vor, grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaften EZ ***** KG ***** B***** sowie EZ ***** KG ***** K***** zu sein. Mit Kaufvertrag vom 1.3.1993 habe der am 20.8.1993 verstorbene Gerhard Ignaz H***** diese Liegenschaft an den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge nur mehr als Beklagter bezeichnet) veräußert. Das Original des Kaufvertrages befinde sich in den Händen des Beklagten, dieser habe die Liegenschaft auch tatsächlich in Besitz genommen. Der Verkäufer Gerhard Ignaz H***** sei aber in seinen letzten Lebensjahren nicht mehr geschäftsfähig gewesen, sodaß der Kaufvertrag vom 1.3.1993 nichtig sei; es sei auch der Kaufschilling vom Beklagten nicht bezahlt worden. Die klagende Partei habe zwar auf diesen Liegenschaften die Anmerkung der beabsichtigen Veräußerung bis 7.11.1996 erwirkt. Da jedoch der Beklagte nach wie vor im Besitz des Originalkaufvertrages vom 1.3.1993 sei und darüber hinaus Herrn Dipl.Ing.Thomas J***** mit Optionsvertrag vom 29.8.1993 eine Option für beide Liegenschaften eingeräumt habe und nunmehr wegen dieses Optionsvertrages ein Rechtsstreit zwischen dem Beklagten und Dipl.Ing.J***** anhängig sei, sei zu befürchten, daß der Beklagte entweder den Originalvertrag intabuliere oder in dem Rechtsstreit mit Dipl.Ing.J***** submittiere und den Originalkaufvertrag an diesen herausgebe. Durch die zu befürchtende Submittierung des Beklagten drohe der klagenden Partei ein unwiederbringlicher Schaden, weil davon auszugehen sei, daß der Beklagte den Erlös aus dem Optionsvertrag unverzüglich verbringe; ferner durch eine außerbücherliche Veräußerung der streitgegenständlichen Liegenschaften durch den Beklagten an einen Dritten diese für die klagende Partei unwiderruflich verloren seien.

Die klagende Partei begehrt

1.) die Feststellung, daß der Kaufvertrag vom 1.3.1993 nichtig sei;

2.) der Beklagte schuldig sei, den Originalkaufvertrag herauszugeben und

3.) der Beklagte schuldig sei, die Liegenschaften samt Einfamilienhaus geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben.

Unter Hinweis auf das Klagsvorbringen beantragte die klagende Partei "zur Sicherung des Anspruches" die Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit welcher

1.) dem Beklagten der Originalkaufvertrag vom 1.3.1993 abgenommen und beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hinterlegt werden solle und

2.) dem Beklagten untersagt werden solle, vom Originalkaufvertrag, in welcher Form auch immer, Gebrauch zu machen.

Diese einstweilige Verfügung solle bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem die klagende Partei in der Lage ist, ihren Anspruch durch Exekution zur Befriedigung durchzusetzen, bewilligt werden.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ohne Anhörung des Beklagten ab. Es vertrat die Ansicht, daß im Hinblick darauf, daß die klagende Partei im Besitz der einzigen Beschlußausfertigung über die Anmerkung der Rangordnung der beabsichtigten Veräußerung bis 7.11.1996 sei, eine rechtswirksame, den derzeitigen Grundbuchsstand in den Eigentumsverhältnissen ändernde grundbücherliche Eintragung mit Rechtswirksamkeit für dritte Personen nicht erfolgen könne. Der Beklagte könne daher den angefochtenen Kaufvertrag vorerst bis 7.11.1996 grundbücherlich nicht verwerten. Durch die Anmerkung der beabsichtigten Veräußerung sei ein gutgläubiger Erwerb durch dritte Personen ausgeschlossen. Die klagende Partei habe zwar ihren Anspruch bescheinigt, zumindest aber vorläufig nicht das Bestehen einer Gefahr.

Das von der klagenden Partei angerufene Rekursgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahingehend ab, daß es zur Sicherung des Anspruches der klagenden und gefährdeten Partei (auf Nichtigerklärung des Kaufvertrages vom 1.3.1993)

1.) dem Beklagten den Auftrag erteilte, den Originalkaufvertrag vom 1.3.1993 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu hinterlegen und

2.) dem Beklagten untersagte, vom Originalkaufvertrag vom 1.3.1993 in welcher Form auch immer Gebrauch zu machen.

Die einstweilige Verfügung wurde bis zu jenem Zeitpunkt bewilligt, zudem die gefährdete Partei in der Lage ist, ihren Anspruch durch Exekution zur Befriedigung durchzusetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes wurde mit über S 50.000,-- bewertet und der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erklärt.

Das Rekursgericht führte aus, daß wohl das Hauptklagebegehren auf "Feststellung, daß der Kaufvertrag nichtig ist", gerichtet sei. Damit werde aber trotz der Bezeichnung kein Feststellungsbegehren erhoben, welches durch eine einstweilige Verfügung nicht sicherungsfähig sei, sondern ein Rechtsgestaltungsurteil auf Nichtigerklärung des Kaufvertrages wegen fehlender Geschäftsfähigkeit angestrebt. Ein derartiger Rechtsgestaltungsanspruch könne aber durch einstweilige Verfügung gesichert werden. Durch das von der klagenden Partei vorgelegte Sachverständigengutachten sei eine fehlende Geschäftsfähigkeit des Verkäufers im letzten Lebensjahr bescheinigt. Damit sei auch ein Rechtsgestaltungsanspruch auf Nichtigerklärung des Kaufvertrages bescheinigt. Es sei aber auch eine Gefährdung insoferne bescheinigt, weil der Beklagte durch die Intabulation des Kaufvertrages Eigentümer der gekauften Liegenschaft werden könnte oder allenfalls ein Dritter, dem eine Option eingeräumt wurde, aufgrund der Ergebnisse eines anhängigen Rechtsstreites als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen werden könnte.

Die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung bis 7.11.1996 und der Umstand, daß die klagende Partei den Rangordnungsbescheid in den Händen habe, stelle keine Sicherheit dar, eine Intabulation des Beklagten als Eigentümer zu verhindern. Nur wenn die klagende Partei während der Dauer der Wirksamkeit der Rangordnung Gelegenheit hätte, die Liegenschaft jemand anderem zu verkaufen, würde der Erwerber den Beklagten verdrängen. Die Anmerkung der Rangordnung könne jedoch nicht ausschließen, daß der Beklagte Eigentümer werde. Es seien sohin sowohl ein sicherungsfähiger Anspruch als auch eine Gefährdung bescheinigt.

Der Sicherungsantrag, es werde "der gefährdeten Partei der Originalvertrag vom 1.3.1993 abgenommen und beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hinterlegt" sei im Sinne eines Auftrages an den Beklagten aufzufassen, den Kaufvertrag gerichtlich zu hinterlegen. Eine "Abnahme" des Kaufvertrages könne nicht angeordnet werden. Durch das an die Beklagten gerichtete Verbot, von dem Kaufvertrag in welcher Form auch immer Gebrauch zu machen, solle verhindert werden, daß der Beklagte aufgrund des Kaufvertrages das Eigentumsrecht einverleiben lasse. Werde die Originalurkunde hinterlegt, würde zwar eine derartige Vorgangsweise verhindert werden und damit keine Gefährdung mehr vorliegen. Da aber nicht ausgeschlossen werden könne, daß etwa durch Herstellung einer beglaubigten Abschrift des Kaufvertrages eine Einverleibung erwirkt werden könnte, sei auch der Punkt 2 des Sicherungsantrages zu bewilligen gewesen. Auch der Umstand, daß der Punkt 2 des Urteilsbegehrens auf Herausgabe des Originalkaufvertrages im Widerspruch mit der beantragten einstweiligen Verfügung auf gerichtliche Hinterlegung des Kaufvertrages stehe, vermöge nicht zu schaden, weil unbeschadet des Vorliegens eines allfälligen Anspruches auf Herausgabe des Kaufvertrages die einstweilige Verfügung auf Sicherung des Rechtsgestaltungsanspruches auf Nichtigerklärung des Kaufvertrages abziele.

Der Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil zu den Fragen der Sicherung eines Rechtsgestaltungsanspruches und der anzuwendenden Sicherungsmittel auch eine andere Rechtsauffassung vertretbar wäre.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß der Sicherungsantrag abgewiesen werde.

Die klagende Partei hat Revisionsrekurs- beantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel des Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Der Beklagte vertritt in seinem Rechtsmittel die Ansicht, das bisherige Verfahren hätte gar nicht durchgeführt werden dürfen, weil eine abhandlungsbehördliche Genehmigung nicht erteilt worden sei.

Da sich aus dem Antrag der klagenden Partei nicht entnehme lasse, welcher mit Klage geltend gemachte Anspruch gesichert werden solle, hätte der Sicherungsantrag abgewiesen werden müssen. Auch die bewilligten Sicherungsmaßnahmen wären nicht nebeneinander zu bewilligen gewesen, weil sie sich gegenseitig ausschließen. Völlig unbestimmt sei der Zeitraum, in dem die einstweilige Verfügung in Kraft bleiben solle. Durch die Erlassung der einstweiligen Verfügung bis zu jenem Zeitpunkt, bis die klagende Partei in der Lage sei, ihren Anspruch durch Exekution zur Befriedigung durchzusetzen, werde die klagende Partei in die Lage versetzt, die Dauer der Wirkungen der einstweiligen Verfügung alleine zu bestimmen.

Schließlich seien auch die Voraussetzungen des § 381 EO nicht gegeben, weil die klagende Partei keine Gefährdung bescheinigt habe; es sei unerklärlich, aus welchem Grund die klagende Partei nunmehr plötzlich eine Intabulierung des Eigentumsrechtes des Beklagten befürchte. Vielmehr sei zu befürchten, daß die klagende Partei eine gerichtliche Entscheidung nicht abwarte und eine anderweitige Verfügung über die Liegenschaften treffe. Aber selbst wenn die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beklagten erfolgen sollte, hätte die klagende Partei die Möglichkeit, eine Löschungsklage einzubringen.

Hiezu wurde erwogen:

Auf die im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage der fehlenden verlassenschaftsbehördlichen Genehmigung ist nicht weiter einzugehen, weil eine solche nunmehr - wie sich aus dem vom Obersten Gerichtshof beigeschafften Akt des Verlassenschaftsgerichtes ergibt - mit Beschluß vom 5.4.1996 erteilt wurde.

Entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Ansicht handelt es sich beim Punkt 1 des Urteilsbegehrens (gerichtet auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages vom 1.3.1993) keineswegs um ein Rechtsgestaltungsbegehren. Das Klagebegehren ist nicht auf die Beseitigung des Kaufvertrages gerichtet, sondern auf die deklarative Feststellung, daß infolge der Geschäftsunfähigkeit des Verkäufers ein Kaufvertrag nicht zustandegekommen ist. In den Fällen, in denen das Gesetz die Unwirksamkeit eines Rechtsverhältnisses ex lege automatisch an das Vorhandensein eines bestimmten Tatbestandes knüpft, ohne daß es eines Richtersspruches bedürfte, wirkt eine gerichtliche Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand dieses Rechtsverhältnisses deklarativ und stellt das Begehren ein Feststellungsbegehren dar. Derartige Feststellungsklagen wirken immer rein deklarativ und schaffen keine neue Rechtsbeziehung zwischen den Streittteilen (JBl 1965, 420); dieses Feststellungsbegehren wurzelt im materiellen Recht, sodaß es der Dartuung eines besonderen rechtlichen Interesses an der Feststellung im Sinne des § 228 ZPO nicht bedarf (1 Ob 621/91). Der Punkt 1 des Urteilsteilsbegehrens ist sohin ein Feststellungsbegehren. Auf die Frage, ob ein solches sicherungsfähig ist (dies verneinend 6 Ob 609/94; EvBl 1993/117 = JBl 1993, 597; EvBl 1966/53; dies bejahend König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren, Rz 37; derselbe JBl 1993, 597; Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren2, Rz 889) sowie auch auf die Frage, ob nicht die begehrte einstweilige Verfügung zur Sicherung des Punktes 3 des Urteilsbegehrens (Anspruch auf Übergabe der Liegenschaft) erlassen werden könnte, ist nicht einzugehen, weil die klagende Partei keine konkreten Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat, wonach zu besorgen ist, daß sonst die gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung ihres Anspruches vereitelt oder erheblich erschwert werden würde (§ 381 Z 1 ZPO). Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung anderer Ansprüche nach § 381 EO setzt nämlich voraus, daß Umstände behauptet und bescheinigt werden, die im konkreten Einzelfall das Vorliegen einer konkreten Gefährdung wahrscheinlich machen; das bloße Bestreiten des gegnerischen Anspruches und die abstrakt stets gegebene Möglichkeit einer Rechtsverletzung reichen nicht aus, um dieses Tatbestandsmerkmal zu erfüllen (König, aaO, Rz 76 mwN). Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei keine derartige konkrete Gefährdung behauptet. Vielmehr bestreitet der Beklagte ohnehin eine Verpflichtung aus dem Optionsvertrag vom 29.8.1993; die theoretische Möglichkeit, daß er in diesem Rechtsstreit submittiert, stellt eine bloß abstrakte Gefährdung dar. Gleiches gilt auch für die Behauptung, daß durch eine außerbücherliche Veräußerung der streitgegenständlichen Liegenschaften an einen Dritten diese für die klagende Partei unwiderruflich verloren seien.

Es war sohin dem Revisionsrekurs des Beklagten stattzugeben und die Entscheidung des Erstgerichtes wegen fehlender Behauptung einer konkreten Gefährdung wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf §§ 402 Abs 4, 78 EO, §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte