OGH 2Ob2076/96z

OGH2Ob2076/96z25.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm T*****, vertreten durch Moringer & Moser Rechtsanwälte OEG in Linz, wider die beklagten Parteien 1. ***** Versicherungs-AG, ***** und 2. Refik D*****, beide vertreten durch Dr.Christian Slana und Dr.Günter Tews, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 1,438.295,22 sA und Feststellung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 17.Jänner 1996, GZ 3 R 256/95-45, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 26.September 1995, GZ 26 Cg 8/94k-39, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger wurde am 31.7.1990 bei einem Unfall, an dem er mit seinem Motorrad beteiligt war, schwer verletzt. Die Haftung der beklagten Parteien für die vom Kläger durch diesen Unfall erlittenen Schäden ist unstrittig.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger unter anderem die Zahlung einer Verunstaltungsentschädigung von 60.000 S; er verwies dazu auf die auf den Unfall zurückzuführenden zahlreichen Narben und führte aus, daß es sich bei ihm um einen ledigen Mann handle und daß mit diesen Verunstaltungen eine Minderung der Heiratsaussichten sowie eine Behinderung des besseren Fortkommens verbunden sei.

Das Erstgericht sprach dem Kläger eine Verunstaltungsentschädigung von 60.000 S zu, wobei es - soweit für das Revisionsverfahren noch relevant - von folgenden Feststellungen ausging:

Der am 27.5.1968 geborene Kläger erlitt durch den Unfall einen Bruch der linken Elle, einen Bruch der Speiche mit Abriß des Ellengriffelfortsatzes und einer Verrenkung der Handwurzel, einen Bruch des 5.Mittelhandknochens links, eine Gehirnerschütterung, einen offenen Oberschenkelbruch rechts, einen Bruch des rechten Schienbeines mit ausgedehnter Weichteilverletzung, einen Bruch des linken Oberschenkels und zahlreiche Hautabschürfungen. Der Kläger leidet nach wie vor an den Folgen des Unfalles. Der linke Arm ist im Ober- und Unterarmbereich nach wie vor etwas muskelverschmächtigt. Über dem Handgelenk links ellenseitig besteht eine deutliche Druckempfindlichkeit, wobei sich in diesem Bereich eine kleine, mittels Hautplastik versorgte ehemalige Defektbildung zeigt. Die Narbe über dem Handgelenk ellenseitig ist etwa 2 cm lang, reaktionslos und gut verschieblich. Am Handrücken befindet sich eine etwa 12 cm lange Narbe, die bis zum Vorderarm reicht.

Im kniegelenksnahen Anteil des Unterschenkels bestehen zwei Flecknarben nach ehemaliger Extensionsbehandlung. Außenseitig am linken Oberschenkel ist eine 8 cm lange Narbe im Bereich des großen Rollhöckers nach Oberschenkelmarknagelung und deren Entfernung erkennbar. Weiters sind kniegelenksnahe außenseitig am Oberschenkel zwei Flecknarben nach Verriegelung der Oberschenkelmarknagelung ersichtlich. Eine winkelförmige Narbe von etwa 14 cm Länge ist streckseitig am Oberschenkel vorhanden. Am rechten Bein besteht außenseitig am Oberschenkel eine 33 cm lange Operationsnarbe und streckseitig eine querverlaufende, etwa 5 cm lange Narbe. An der Knieinnenseite besteht eine weitere, etwa 4 cm lange Operationsnarbe. Im Bereich des Darmbeinkammes rechts ist eine reaktionslose, etwa 6 cm lange Narbe nach Knochenspanentnahme erkennbar. Am Unterschenkel rechts zeigt sich ein 13 x 4 cm großes Hautareal, welches mit Dermatom gedeckt ist.

Aufgrund des Unfalles besteht beim Kläger beim linken Handgelenk eine bleibende Bewegungseinschränkung verbunden mit einer Minderung der Gebrauchsfähigkeit des linken Handgelenkes.

Aufgrund der Folgen des Unfalles war der Kläger nicht mehr in der Lage, seine Tätigkeit bei der Firma H***** (als Kfz-Mechaniker) auszuüben.

Das Erstgericht erachtete in rechtlicher Hinsicht eine Verunstaltungsentschädigung von 60.000 S als angemessen.

Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Zuspruches einer Verunstaltungsentschädigung und sprach dem Kläger lediglich eine solche von 10.000 S zu. Im Umfang von 50.000 S erachtete es das Begehren des Klägers als nicht berechtigt.

In der Berufungsverhandlung wurde außer Streit gestellt, daß der Kläger im Laufe des Verfahrens erster Instanz geheiratet hat.

Zur Frage der Verunstaltungsentschädigung führte das Berufungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, daß diese einen Ersatz für Vermögensschäden darstelle. Wenngleich an die Behauptungslast des Geschädigten keine allzu hohen Anforderungen zu stellen seien, müsse dieser doch ein Vorbringen dazu erstatten, inwieweit sein Fortkommen verhindert werden könnte. Lediglich hinsichtlich der verminderten Heiratsaussichten genüge die Behauptung des Ledigseins. Im vorliegenden Fall habe nun der Kläger nicht dargetan, inwieweit die Beeinträchtigung seines materiellen Fortkommens gerade eine Folge der Verunstaltung sein solle und nicht eine solche der gravierenden Verletzungen an sich.

Hinsichtlich der Verunstaltungsentschädigung wegen geminderter Heiratsaussicht sei von der Rechtsprechung überwiegend die Situation zur Zeit des Unfalls als maßgeblich angesehen worden. In der Entscheidung EFSlg 31.557 habe der Oberste Gerichtshof allerdings einem Verunstalteten, der nach dem Unfall geheiratet hatte, keine Verunstaltungsentschädigung wegen verminderter Heiratsaussichten zugebilligt, weil ein künftiger Schaden nicht anzunehmen sei. Außerdem sei in ZVR 1983/16 und ZVR 1984/322 ein Anspruch von Verheirateten auf Verunstaltungsentschädigung verneint worden, weil die Möglichkeit, später einmal verwitwet oder geschieden zu werden und dann keinen neuen Partner zu finden, von § 1326 ABGB nicht erfaßt werde. Zuletzt habe der Oberste Gerichtshof zu 2 Ob 81/95 die Auffassung vertreten, daß jedenfalls die Entwicklung bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz zu berücksichtigen sei. Diese (auch vom Berufungsgericht geteilte) Ansicht wirke sich im vorliegenden Fall zu Lasten des Klägers aus, weil nunmehr infolge seiner Eheschließung davon auszugehen sei, daß künftig sein besseres Fortkommen durch verminderte Heiratsaussichten nicht verhindert werde. Daraus folge aber nicht, daß die Eheschließung des Klägers während des Verfahrens eine Verunstaltungsentschädigung für die Vergangenheit überhaupt ausschließe. Wenngleich das Hauptanliegen des § 1326 ABGB die Bewältigung zukünftiger Entwicklungen sei, schließe dies nicht aus, daß bei vorübergehender Verunstaltung bei bloßer Möglichkeit der Behinderung Ersatz gewährt werde. Berücksichtige man im vorliegenden Fall das Alter des Klägers von etwa 22 Jahren im Unfallszeitpunkt, dann genüge nach Auffassung des Berufungsgerichtes die bloß keineswegs entfernt liegende Möglichkeit von verminderten Heiratschancen bis zum tatsächlichen Heiratszeitpunkt dafür, ihm eine Verunstaltungsentschädigung zuzuerkennen. Was allerdings deren Höhe angehe, sei aufgrund der verhältnismäßig kurzen Zeit dieser Beeinträchtigung und des Umstandes, daß tatsächlich eine Eheschließung möglich war, diese Verunstaltungsentschädigung lediglich mit 10.000 S zu bemessen.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil die Rechtsprechungssituation zur Frage der Verunstaltungsentschädigung bei Heirat während des Verfahrens erster Instanz keineswegs klar sei.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß die beklagte Partei zur Zahlung von weiteren 50.000 S samt Zinsen verpflichtet werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien haben sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Der Kläger vertritt zur Verunstaltungsentschädigung wegen verminderter Heiratsaussichten die Ansicht, daß dieser Anspruch zum Unfallszeitpunkt durch das Eintreten seiner Verletzungen entstanden sei. Richtig sei die Rechtsprechung, daß einer zum Zeitpunkt des Unfallsereignisses verheirateten Person keine Verunstaltungsentschädigung wegen verminderter Heiratsaussichten zukomme, da eine solche Verminderung der Heiratsaussichten aufgrund der aufrechten Ehe nicht eintreten könne. Der Kläger sei allerdings zum Zeitpunkt des Unfalles unverheiratet gewesen und habe die Schlechterstellung, nämlich die Beeinträchtigung durch die mit dem Unfallsereignis eingetretene verminderte Heiratsaussicht, jedenfalls bis zur späteren Eheschließung angehalten. Da eine Verunstaltungsentschädigung wegen verminderter Heiratsaussichten unabhängig davon zugesprochen werde, ob eine Heirat nach Schluß der Verhandlung erster Instanz tatsächlich erfolgte, müsse dies auch für eine Heirat vor Schluß der Verhandlung erster Instanz gelten. Die beklagten Parteien könnten sich auch deshalb nicht auf die Heirat des Klägers berufen, weil der Schädiger durch Zuwendungen bzw. Schadenswiedergutmachungen durch Dritte nicht bessergestellt sein solle, sondern die Zuwendung bzw. Schadensgutmachung dem Geschädigten zugutekommen solle. Es dürfe daher die Heirat nicht zum Wegfall des Anspruches auf Verunstaltungsentschädigung führen. Es sei die Höhe der Verunstaltungsentschädigung an Hand der dem Kläger auf der Partnersuche widerfahrenden Schlechterstellung zu bemessen, die durch eine tatsächlich erfolgte Heirat vor oder nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht beeinflußt werde.

Zur Verunstaltungsentschädigung wegen Verminderung des besseren beruflichen Fortkommens führte der Kläger aus, daß für die Zuerkennung einer derartigen Entschädigung bereits die Möglichkeit einer Verhinderung des besseren Fortkommens in einem geringen Grad der Wahrscheinlichkeit ausreiche, wobei es ungewiß bleiben könne, ob der Schaden einmal eintreten werde. Es liege innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, daß die vom Erstgericht festgestellten Verunstaltungen, insbesondere die Druckempfindlichkeit links über dem Handgelenk und die Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks verbunden mit einer Minderung dessen Gebrauchsfähigkeit eine Verminderung des beruflichen besseren Fortkommens zur Folge haben. Insbesonders wenn sich aber die Behinderung des besseren Fortkommens nach der Lebenserfahrung von selbst ergebe, dürften an die Behauptungspflicht des Geschädigten keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.

Dem kann nicht gefolgt werden:

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - deren Richtigkeit vom Kläger auch nicht bekämpft wird - kommt ein Ersatz für verminderte Heiratschancen bei verheirateten Personen nicht in Betracht (ZVR 1994/89; EFSlg 72.201; ZVR 1990/88 ua). Im Hinblick auf die Kritik der Lehre an der früheren Rechtsprechung, die Beurteilung sei nach den (Ehe-)Verhältnissen im Unfallszeitpunkt vorzunehmen und auf die Tendenz der jüngeren Rechtsprechung zu § 1326 ABGB, auf die Verhältnisse nach dem Unfall Bedacht zu nehmen, hat der erkennende Senat erst jüngst in der Entscheidung 2 Ob 81/95 (= Jus-Extra OGH-Z 1965) ausgeführt, daß bei der Beurteilung von Ersatzansprüchen wegen verminderter Heiratsaussichten jedenfalls die Entwicklung bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz zu berücksichtigen ist. Dies entspricht auch der allgemeinen Regel, daß die Entscheidung aufgrund der Sachlage im Zeitpunkt des Verhandlungsschlusses zu ergehen hat. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß verheiratete Personen keinen Anspruch auf Verunstaltungsentschädigung wegen verminderter Heiratsaussichten haben und die Entwicklung bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu berücksichtigen ist, entspricht sohin der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Was die Frage der Verunstaltungsentschädigung wegen Verminderung des besseren beruflichen Fortkommens betrifft, ist es an sich richtig, daß bloß die abstrakte Möglichkeit der Verminderung des Fortkommens genügt und es ungewiß bleiben kann, ob der Schaden wirklich einmal eintreten wird, soferne nur zumindest eine geringgradige Wahrscheinlichkeit hiefür besteht (ZVR 1994/89 mwN). Wenngleich hier der Natur der Sache nach an den Geschädigten bezüglich seiner Behauptungs- und Beweispflicht keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden können, muß sich doch aus seinem Vorbringen zumindest ableiten lassen, worin er die Möglichkeit der Behinderung seines besseren Fortkommens durch die erlittene Verunstaltung erblickt (ZVR 1990/88; ZVR 1988/131 ua). Dieser Behauptungspflicht ist der Kläger aber nicht nachgekommen. Die Verunstaltungen des Klägers sind auch nicht so gravierend, daß schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung mit einer Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens gerechnet werden müßte.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht daher im Einklang mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofes, sodaß der zu beurteilenden Rechtsfrage keine zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, weshalb die Revision des Klägers zurückzuweisen war; der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes bindet den Obersten Gerichtshof nicht (§ 500a Abs.1 ZPO).

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