European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00020.21M.0325.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
[2] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Frage, ob bei einem Rückwärtsfahren auch auf Straßen ohne öffentlichen Verkehr ein Vorrang des Rückwärtsfahrenden jedenfalls entfalle, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
[3] Die vom Kläger gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:
Rechtliche Beurteilung
[4] 1. Der geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[5] 2. Selbst wenn das Berufungsgericht die Revision mit konkretisierter Begründung zutreffend für zulässig erklärt, genügt es zwar, wenn der Revisionswerber dieser Begründung beitritt, er muss aber zur maßgeblichen Rechtsfrage inhaltlich Ausführungen erstatten, sich also konkret mit der Entscheidung des Berufungsgerichts auseinandersetzen (6 Ob 113/20s). Diesen Voraussetzungen entspricht die Revision des Klägers nicht, in der er insoweit lediglich auf die Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts verweist. Selbst wenn daher das Berufungsgericht zu Recht ausgesprochen haben sollte, dass die Revision zulässig sei, wäre diese nur dann nicht zurückzuweisen, wenn sie eine andere erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO enthielte (vgl RS0102059). Das ist jedoch nicht der Fall.
[6] 3. Nach den maßgeblichen Feststellungen des Erstgerichts war bei der Zufahrtsstraße zum Betriebsgelände eine Tafel (unter anderem) mit der Aufschrift „Für das gesamte Werksgelände gilt die StVO“ und unmittelbar daneben mit etwa gleich großer Schrift eine Zusatztafel mit der Aufschrift „Werksverkehr hat Vorrang!“ angebracht.
[7] Der Kläger geht in seinen Revisionsausführungen selbst davon aus, dass durch diese Zusatztafel nicht nur § 19 StVO außer Kraft gesetzt, sondern auch einem Rückwärtsfahrenden Vorrang eingeräumt werde. Er macht aber geltend, die Erklärung auf der Zusatztafel habe keine verbindliche Wirkung, da sie aufgrund ihrer Position und ihrer geringen Größe für Benützer nicht deutlich und unmissverständlich sei.
[8] 4. Gemäß § 1 Abs 2 StVO gilt dieses Bundesgesetz für Straßen ohne öffentlichen Verkehr insoweit, als andere Rechtsvorschriften oder die Straßenerhalter nichts anderes bestimmen. Mit dem Begriff „bestimmen“ wird zum Ausdruck gebracht, dass der Straßenerhalter mit Wirkung für alle befugten Benützer einer Verkehrsfläche iSd § 1 Abs 2 StVO auch eine von den Regeln der StVO abweichende Anordnung treffen kann. Um einer derartigen Anordnung, die sich auch auf die Geltung der StVO beschränken kann (vgl RS0073083), verbindliche Wirkung zu verleihen, ist es erforderlich, dass die Anordnung jedem Benützer der Straße möglichst deutlich und unmissverständlich zur Kenntnis gebracht wird. Wird die Geltung der StVO durch Tafeln bei der Einfahrt eines Betriebsgeländes zur Kenntnis gebracht, bedarf die Anordnung einer Ausnahme von der StVO einer Kundgabe mit einem dem Hinweis auf die StVO vergleichbaren Auffälligkeitswert (2 Ob 227/10m).
[9] 5. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall sei die von der StVO abweichende Vorrangregelung für den Werksverkehr durch die Zusatztafel ausreichend deutlich kundgemacht worden, hält sich im Rahmen der erörterten Rechtsprechungsgrundsätze.
[10] 6. Der Kläger hat in erster Instanz nicht behauptet, dass er der Anordnung, sein Fahrzeug auf dem Betriebsgelände nur im gekennzeichneten Bereich abzustellen, nicht nachkommen habe können, weil kein solcher Bereich vorhanden gewesen sei. Daher liegen insoweit auch keine Feststellungsmängel vor.
[11] 7. Da somit Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beurteilen sind, ist die Revision zurückzuweisen.
[12] 8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der verzeichnete Streitgenossenzuschlag gebührt jedoch nicht.
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