OGH 2Ob194/21z

OGH2Ob194/21z14.12.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen (1) der klagenden Partei H* B*, vertreten durch Huber und Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei I* S*, vertreten durch Putz-Haas & Riehs‑Hilbert Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 9.952,46 EUR sA, (2) der klagenden Partei H* B*, vertreten durch Huber und Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei L* S*, vertreten durch Putz-Haas & Riehs-Hilbert Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 9.952,46 EUR sA, (3) der klagenden Partei Mag. M* B*, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. I* S*, 2. L* S*, beide *, beide vertreten durch Putz-Haas & Riehs-Hilbert Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 9.952,46 EUR sA, über die Revisionen der jeweils klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 28. Juli 2021, GZ 11 R 83/21p‑49, mit welchem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 22. Februar 2020, GZ 6 Cg 80/19g (6 Cg 81/19d, 6 Cg 27/20i)‑41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00194.21Z.1214.000

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind nach Kopfteilen schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 958,59 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 159,77 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger sind Kinder des 2018 verstorbenen Erblassers. Sie machen gegen die Erstbeklagte, eine weitere Tochter des Erblassers, und den Zweitbeklagten, deren Ehemann, Ansprüche nach § 789 ABGB geltend. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind Ansprüche aufgrund der 2003 erfolgten Schenkung einer Eigentumswohnung an den Zweitbeklagten.

[2] Die Wohnung war damals noch mit einem Fruchtgenussrecht zugunsten der Ehefrau des Erblassers belastet, das der Zweitbeklagte später durch Zahlung eines Geldbetrags ablöste. Danach verkaufte er die Wohnung. Zwischen dem Erblasser und den beiden Beklagten war nicht besprochen oder vereinbart, dass der Zweitbeklagte die Wohnung zwar im eigenen Namen, aber für die Erstbeklagte erwerbe. Es war nicht vereinbart, dass die Wohnung im Fall einer Scheidung der Erstbeklagten übertragen werden sollte. Es war auch nicht besprochen oder vereinbart, wem die Wohnung im Fall des Todes des Zweitbeklagten zufallen sollte.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die Begehren ab. Es habe sich um eine Schenkung an den nicht pflichtteilsberechtigten Zweitbeklagten gehandelt, die nicht in den letzten zwei Jahren vor dem Tod erfolgt sei. Daher sei sie nicht nach § 782 ABGB hinzuzurechnen. Rechtsmissbrauch oder ein Umgehungsgeschäft seien nicht vorgelegen.

[4] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, „weil zu der auch in der Lehre diskutierten Frage, ob eine Schenkung an den Ehegatten eines Pflichtteilsberechtigten schon deshalb eine Leistung iSd § 781 Abs 2 Z 6 ABGB vorliegt, ohne eine Gesetzesumgehung oder einen angeblichen Rechtsmissbrauch zu bemühen, eine Judikatur des Obersten Gerichtshofs – soweit überblickbar – nicht vorliegt“.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Revisionen der Kläger sind entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (und zudem nur schwer verständlichen) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[6] 1. Der Zweitbeklagte ist nicht pflichtteilsberechtigt, sodass eine ihm gemachte Schenkung nach § 782 ABGB nur hinzuzurechnen ist, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor dem Tod des Erblassers erfolgte. Nach ständiger Rechtsprechung können sich Pflichtteilsberechtigte bei einer Schenkung außerhalb dieser Frist nicht erfolgreich darauf stützen, dass die Schenkung rechtsmissbräuchlich nur zur Vermeidung einer Schenkungsanrechnung vorgenommen worden sei (zum alten Recht 2 Ob 145/16m SZ 2016/111; RS0131055; zum neuen Recht 2 Ob 80/18, 2 Ob 171/20s). Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind durch diese – insbesondere auf Rechtssicherheitserwägungen beruhende – Rechtsprechung gedeckt. Die Revisionen bieten keinen Anlass, davon abzugehen.

[7] 2. Ein Anspruch könnte daher, wenn überhaupt, nur gegen die Erstbeklagte bestehen, und zwar dann, wenn in Wahrheit eine Schenkung an sie anzunehmen wäre.

[8] 2.1. Dies träfe nach der Rechtsprechung im Fall eines Umgehungsgeschäfts zu, also insbesondere dann, wenn der Beschenkte nur Treuhänder des Pflichtteilsberechtigten wäre (2 Ob 145/16m zum alten Recht; 2 Ob 171/20s zum neuen Recht). Die Revisionen zeigen an sich zutreffend auf, dass in diesem Fall nach neuem Recht wegen der tatsächlich an den Pflichtteilsberechtigten erfolgten Zuwendung wohl unmittelbar der Tatbestand des § 781 Abs 2 Z 6 ABGB erfüllt wäre, sodass die Figur des Umgehungsgeschäfts nicht „bemüht“ werden müsste (Umlauft, Die Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen im Erb- und Pflichtteilsrecht2 [2018] 249). Allerdings bietet der Sachverhalt nicht den geringsten Anhaltspunkt, dass eine solche Situation vorgelegen wäre.

[9] 2.2. Es kann offen bleiben, ob neben der Anwendung von § 781 Abs 2 Z 6 ABGB noch Raum für die Annahme eines Umgehungsgeschäfts bleibt, wenn der Pflichtteilsberechtigte aufgrund weiterer Vereinbarungen (etwa den Abschluss eines Erbvertrags) eine „etwas schwächere Position“ als die eines Treuhänders erlangt (so Umlauft aaO). Denn aus den insofern eindeutigen Feststellungen des Erstgerichts lässt sich überhaupt keine rechtliche Position der Erstbeklagten ableiten, die die Annahme eines Umgehungsgeschäfts auch nur ansatzweise rechtfertigen könnte. Insbesondere sind die Kläger darauf hinzuweisen, dass die Wohnung im Fall der Scheidung nach § 82 Abs 1 Z 1 EheG nicht in die Aufteilungsmasse gefallen wäre.

[10] 2.3. Soweit die Revisionen Analogien zu § 781 Abs 2 Z 5 ABGB ziehen wollen, übersehen sie, dass der Erblasser der Erstbeklagten keine Rechtsstellung an jenem Vermögen eingeräumt hat, das er dem Zweitbeklagten übertragen hat. Die Fallgestaltungen sind daher nicht vergleichbar.

[11] 2.4. Dass die Erstbeklagte möglicherweise nach dem Verkauf der Wohnung am Erlös partizipieren konnte, ist nicht auf eine diesbezügliche Verfügung des Erblassers, sondern auf ein Verhalten des Zweitbeklagten zurückzuführen. Dass es insofern Absprachen zwischen dem Erblasser und den Beklagten gegeben hätte, steht nicht fest. Auch daraus kann daher keine Schenkung des Erblassers an die Erstbeklagte abgeleitet werden.

[12] 2.5. Eine Schenkung an den Zweitbeklagten mit dem Ziel, diesem erhöhte Unterhaltsleistungen an die Erstbeklagte zu ermöglichen, liegt schon deshalb nicht vor, weil die Wohnung mit einem Fruchtgenussrecht belastet war. Es kann daher offen bleiben, ob in einem solchen Fall – allerdings nicht dem Wert der Wohnung, sondern nur mit jenem des erhöhten Unterhaltsanspruchs – auch eine Schenkung an die Erstbeklagte angenommen werden könnte.

[13] 3. Die Revisionen sind daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

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