OGH 2Ob1/93

OGH2Ob1/9314.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gabriele K*****, Private, ***** vertreten durch Dr.Walter Haindl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Hermann Rieger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S

565.450 s.A., Zahlung einer Rente von monatlich S 3.200 und Feststellung (Revisionsinteresse S 122.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13.Mai 1992, GZ 17 R 83/92-93, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 3.Dezember 1991, GZ 10 Cg 733/86-86, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung über den Zuspruch eines Kapitalbetrages (Punkt 1 Abs. 1 des Ersturteils) zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 360.450 samt 4 % Zinsen aus S 196.450 vom 9.5.1986 bis 26.6.1986, aus S

118.450 vom 27.6.1986 bis 31.3.1988, aus S 318.450 vom 1.4.1988 bis 31.8.1990, aus S 460.450 vom 1.9.1990 bis 20.2.1991 und aus S 385.450 seit 21.2.1991 binnen vierzehn Tagen zu bezahlen."

Die Entscheidung über die diesbezüglichen Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Hinsichtlich des Zuspruches eines weiteren Betrages von S 50.000 samt 4 % Zinsen seit 1.April 1988 werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind diesbezüglich gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 25.1.1962 geborene, seit 19.11.1982 verheiratete Klägerin erlitt am 27.7.1983 als Beifahrerin auf einem Motorrad schwere Verletzungen. Die Haftung der Beklagten für die Schäden der Klägerin im Rahmen der Haftpflichtversicherungssumme ist unbestritten. Als Folgen des Unfalles bestehen bei der Klägerin insbesondere eine leichte Halbseitensymptomatik, ein mittelgradiges posttraumatisches Psychosyndrom, eine allgemeine Verminderung der Gehirnleistung und eine Sprachverlangsamung. Weiters eine Delle im Bereich der Stirn sowie mehrere Narben und zwar unter anderem im Gesicht, an der Unterseite des Kinns und am Hals. Die Delle an der Stirn und auch ein Teil der Narben sind stark auffällig und ästhetisch störend und können durch eine kosmetische Operation wesentlich verbessert werden.

Die Klägerin stellte ein Feststellungsbegehren und begehrte überdies die Zahlung von Schadenersatzbeträgen sowie einer monatlichen Rente. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur die Forderungen einer Verunstaltungsentschädigung und der Kosten einer kosmetischen Operation.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Feststellungsbegehrens, dem Leistungsbegehren gab es teilweise statt, zum Teil wurde das Leistungsbegehren ebenso wie das gesamte Rentenbegehren auch abgewiesen. Zuerkannt wurde unter anderem ein Betrag von S 72.000 an Kosten einer noch durchzuführenden kosmetischen Operation sowie eine Verunstaltungsentschädigung im Betrag von S 50.000. Zu diesem Zuspruch führte das Erstgericht aus, da die Klägerin verheiratet sei, könne aus einer Verminderung der Heiratsaussichten für sie nichts gewonnen werden. Auch aus dem Grund der Behinderung besseren beruflichen Fortkommens sei eine Verunstaltungsentschädigung nicht zuzusprechen, weil der Unfall zur Aufhebung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin und zu ihrem Ausscheiden aus dem Berufsleben geführt habe. Es verblieben daher die allgemeinen Ansprüche aus der Beeinträchtigung des Ganges, aus einer gewissen Narbenbildung und nicht zuletzt aus der Störung der Konzentrationsfähigkeit des Gedächtnisses und des Kurzzeitgedächtnisses und einer allgemeinen Verminderung der Gehirnleistung und Sprachverlangsamung. Gemäß § 273 ZPO würden aus diesem Titel S 50.000 zugesprochen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht, jener der Klägerin hingegen teilweise Folge. Die Entscheidung über das auf Zahlung eines Kapitalbetrages gerichtete Begehren wurde sowohl im stattgebenden als auch im abweisenden Teil als Teilurteil bestätigt, die (abweisende) Entscheidung über das Rentenbegehren sowie die Kostenentscheidung wurden hingegen aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Revision bezüglich des Teilurteils wurde nicht für zulässig erklärt.

Das Gericht zweiter Instanz führte - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - aus, das Erstgericht habe die Kosten der künftigen kosmetischen Operation mit dem Betrag von S 72.000 zu Recht zuerkannt. Es handle sich nicht um eine Beseitigung funktioneller Störungen, sondern um die Verbesserung der unschönen Veränderungen im Bereich der Stirn, des linken Auges und des Halses. Solche nur aus kosmetischen Gründen notwendige Operationen würden von den Krankenversicherungsträgern nicht bezahlt. Der Sachverständige gebe die Kosten der Operation einschließlich 20 % Umsatzsteuer mit S 66.000 bis S 72.000 an. Die Kosten einer kosmetischen Operation, die in der Zukunft liege, könnten nicht nur begehrt werden, wenn ungewiß sei, ob sie durchgeführt werde, sondern selbst dann, wenn der Geschädigte erkläre, daß er die Operation gar nicht durchführen lassen wolle (ZVR 1987/45; 1987/77; 1988/71). Der Höhe nach sei die Forderung eines Ersatzes von S 72.000 gerechtfertigt, weil der Betrag zunächst den Einschätzungsrahmen nicht sprenge und sich der Geschädigte überdies nicht mit der billigsten Variante zufrieden geben müsse (JBl 1963, 40).

Hinsichtlich der Verunstaltungsentschädigung vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, aus der Rechtsprechung lasse sich eine eindeutig fixierte Wechselbeziehung zwischen den Instituten der Verunstaltungsentschädigung, des Schmerzengeldes, des Verdienstentganges und der kosmetischen Operation nicht ableiten, immer seien die Umstände des Einzelfalles entscheidend. Die Klägerin habe Schmerzengeld, Verdienstentgang und die Kosten einer kosmetischen Operation begehrt, daneben begehre sie eine Entschädigung nach § 1326 ABGB und mache damit deutlich, daß sie wegen Behinderung des besseren Fortkommens über die anderen Vermögensschäden hinaus die Verunstaltungsentschädigung fordere, also eine Genugtuung für entgehende Chancen, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht näher konkretisieren ließen. Die Klägerin habe am 19.11.1982, also vor dem Unfall, geheiratet, sodaß wegen verminderter Heiratschancen eine Verunstaltungsentschädigung nicht habe zugesprochen werden können. Wohl aber sei ihre Chance auf eine mögliche Verbesserung ihrer Lebenschance in beruflicher oder außerberuflicher Hinsicht durch die Verunstaltungen, die auch noch nach einer kosmetischen Operation weitgehend bestehen bleiben würden, vermindert. Insbesondere bei jungen Geschädigten sei eine Verunstaltungsentschädigung auch neben Verdienstentgang möglich. Dabei handle es sich um die Abgeltung für jene Nachteile, die auf die Verunstaltung an sich, nicht jedoch auf die gesundheitliche Beeinträchtigung durch die Verletzungsfolgen zurückzuführen seien. Letztere seien, wie auch hier, im Rahmen des Verdienstentganges geltend zu machen (ZVR 1990/88).

Die Beklagte bekämpft das Teilurteil des Berufungsgerichtes mit außerordentlicher Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die Forderungen der Klägerin auf Zahlung von S 50.000 aus dem Titel der Verunstaltungsentschädigung und S 72.000 für den Ersatz der Kosten einer kosmetischen Operation abgewiesen werden.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch teilweise berechtigt.

Zur Verunstaltungsentschädigung:

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes handelt es sich beim Anspruch nach § 1326 ABGB bzw § 13 Z 5 EKHG - im Gegensatz zu der von einem Teil der Lehre vertretenen Meinung (vgl etwa Apathy, EKHG, Rz 44f zu § 13; Reischauer in Rummel2, Rz 9 zu § 1326; Koziol2, II 143) - um den Ersatz eines Vermögensschadens, nicht aber um einen Ausgleich für ideelle Einbußen (EFSlg 51.503; 2 Ob 140/76, 2 Ob 58/89, 2 Ob 8/90, 2 Ob 57/91 uva). Vor allem sollen verschlechterte Berufsaussichten und der Entgang von Heiratschancen abgegolten werden (EFSlg 57.009; 2 Ob 57/91 uva). Da die Klägerin zur Zeit des Unfalles verheiratet war und die Ehe noch aufrecht ist, kommt ein Ersatz für verminderte Heiratschancen nicht in Betracht (ZVR 1990/88 uva). Eine Verschlechterung der Berufschancen durch eine Verunstaltung scheidet aus, wenn die Verletzungen zu einer Aufhebung der Erwerbsfähigkeit führten (ZVR 1985/39 uva). Ein Anhaltspunkt dafür, daß durch die nachteilige Veränderung der äußeren Erscheinung der Klägerin sonstige Vermögensschäden eintreten könnten, besteht nicht. Geht man daher - wie das Erstgericht - davon aus, daß durch den Unfall die Erwerbsfähigkeit der Klägerin aufgehoben wurde, dann wäre ihr auf § 1326 ABGB gestütztes Begehren abzuweisen, zumal eine Verminderung der Lebensfreude, auch wenn sie auf eine Verunstaltung zurückzuführen ist, im Rahmen des Schmerzengeldes abzugelten ist (vgl Piegler, RZ 1973, 22).

Allerdings kann derzeit noch nicht beurteilt werden, ob die Klägerin tatsächlich erwerbsunfähig ist. Dies kann den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht eindeutig entnommen werden, auch das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, es stehe nicht fest, ob die Klägerin derzeit überhaupt arbeitsunfähig sei (S. 7 des Urteiles des Berufungsgerichtes). Hinsichtlich des Zuspruches nach § 1326 ABGB ist das Verfahren daher ergänzungsbedürftig, es sind Feststellungen dazu erforderlich, ob die Klägerin erwerbsunfähig ist. Ist ihre Erwerbsfähigkeit nur eingeschränkt, dann kann eine Verschlechterung von Berufschancen in Betracht kommen, was für den Anspruch einer Verunstaltungsentschädigung ausreichen würde.

Zum Anspruch auf Ersatz der Kosten einer kosmetischen Operation:

Nach ständiger Rechtsprechung kann der Geschädigte den Ersatz der Kosten einer künftigen kosmetischen Operation schon vor deren Vornahme fordern (EFSlg 56.996 mwN; ZVR 1988/71 uva). Die Revisionsausführungen geben keinen Anlaß, davon abzugehen, zumal der Hinweis auf die neueste Rechtsprechung, wonach fiktive Reparaturkosten nur bis zur Höhe der tatsächlichen Wertminderung zuzusprechen sind, bei einem Anspruch auf Grund einer Körperverletzung, verfehlt ist. Zutreffend haben die Vorinstanzen der Klägerin daher die Kosten einer noch nicht durchgeführten kosmetischen Operation zugesprochen.

Zur Höhe dieses Anspruches führte das Erstgericht im Rahmen der Feststellungen aus, die voraussichtlichen kompletten Kosten seien mit S 60.000 plus 20 % Umsatzsteuer (Gesamtbetrag S 72.000) anzunehmen. Gegen die Höhe dieses Betrages wendete sich die Klägerin allerdings bereits in der Berufung mit dem Hinweis auf das Sachverständigengutachten ON 46, nach welchem die voraussichtlichen Kosten ohne Umsatzsteuer mit S 55.000 bis S 60.000 anzunehmen seien. Auch in der Revision vertritt die Beklagte die Ansicht, es seien höchstens S 66.000 (S 55.000 plus Umsatzsteuer) berechtigt.

Zu berücksichtigen ist aber, daß es sich bei den Ausführungen des Sachverständigen um eine Schätzung der Kosten in einem bestimmten Rahmen handelt, ohne daß sich daraus ergibt, daß die Durchführung der Operation bereits um den Betrag von S 66.000 tatsächlich möglich ist. Berücksichtigt man überdies, daß das Gutachen bereits vom 4.6.1989 stammt und seither nicht nur eine gewisse allgemeine Geldentwertung eingetreten ist, sondern insbesondere auch die Krankenhauskosten beträchtlich gestiegen sind, kann im Zuspruch eines Betrages von S 72.000 kein Rechtsirrtum erblickt werden.

Hinsichtlich dieses Betrages war das angefochtene Urteil daher zu bestätigen.

Wegen der Aufhebung im Umfang eines weiteren Betrages von S 50.000 war das Teilurteil somit dahin abzuändern, daß ein um S 50.000 geringerer Betrag zuerkannt wird, wobei die stufenweisen Zinsen ab Geltendmachung der Verunstaltungsentschädigung ebenfalls jeweils nur von einem Betrag zustehen, der um S 50.000 vermindert ist. Eine weitergehende Herabsetzung der Zinsen (das Erstgericht sprach ab 21.2.1991 Zinsen aus einem höheren Betrag als dem zuerkannten Kapitalsbetrag zu) war mangels Anfechtung dieses Punktes nicht möglich.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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