OGH 2Ob190/16d

OGH2Ob190/16d17.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Veith als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. E. Solé, den Hofrat Dr. Nowotny und die Hofrätinnen Mag. Malesich und Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI H***** H*****, vertreten durch Janezic & Schmidt Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. K***** J*****, und 2. W***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, *****, beide vertreten durch Mag. Hermann Stenitzer‑Preininger, Rechtsanwalt in Graz wegen 10.101,80 EUR sA und Feststellung (Streitinteresse 2.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 12. Juli 2016, GZ 6 R 32/16v‑33, womit das Urteil des Bezirksgerichts Graz-West vom 14. Oktober 2015, GZ 14 C 23/15v‑26, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00190.16D.0817.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass es zu lauten hat:

1. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei 8.032,80 EUR samt 4 % Zinsen aus 7.032,80 EUR vom 1. 9. 2014 bis zum 14. 10. 2015 und aus 8.032,80 EUR seit 15. 10. 2015 zu bezahlen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien darüber hinaus zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei weitere 2.069 EUR samt 4 % Zinsen aus 69 EUR vom 1. 9. 2014 bis zum 14. 10. 2015 und aus 2.069 EUR seit 15. 10. 2015 zu bezahlen, wird abgewiesen.

3. Es wird festgestellt, dass die beklagten Parteien der klagenden Partei zur ungeteilten Hand für sämtliche künftige, derzeit nicht bekannte Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 21. 5. 2014 haften, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei mit der im Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag betreffend das Kfz ***** genannten Versicherungssumme begrenzt ist.

4. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig der klagenden Partei die mit 8.789,89 EUR (darin 737,87 EUR USt und 4.362,70 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Am 21. 5. 2014 ereignete sich im Ortsgebiet von G***** auf der Fahrbahn der V*****straße im Bereich der Kreuzung mit dem L*****platz ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Fahrradlenker und der Erstbeklagte als Lenker und Halter des bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW Mercedes Benz beteiligt waren.

Im Unfallbereich erstreckt sich die V*****straße annähernd in West-Ost-Richtung. In Fahrtrichtung Osten verlaufen zwei Fahrstreifen, wobei der nördliche hievon für den Geradeaus- und Rechtsabbiegeverkehr markiert ist, während der südliche als „Fahrstreifen für Omnibusse“ („Busfahrstreifen“) gekennzeichnet ist. Am Beginn dieses Fahrstreifens befindet sich eine Zusatztafel mit der Aufschrift „Ausgenommen Radfahrer und Linienbusse“. Im Einmündungsbereich zur Kreuzung mit dem L*****platz ist eine Verkehrslichtsignalanlage (Ampel) installiert. Für den „Busfahrstreifen“ ist eine eigene Signalanlage vorhanden, die ein „gesperrtes Einfahrtssignal“ (Querbalken) und ein „Fahrsignal“ (Balken in Längsrichtung) ausstrahlt. Zwischen dem Geradeaus- und Rechtsabbiegefahrstreifen und dem „Busfahrstreifen“ ist über mindestens 30 m vor der Haltelinie eine Sperrlinie angebracht.

Der Erstbeklagte näherte sich der Unfallstelle mit dem Beklagtenfahrzeug auf der V*****straße aus Richtung Westen kommend und hielt dieses auf dem für den Geradeaus- und Rechtsabbiegeverkehr markierten Fahrstreifen wegen Rotlichts an der Verkehrslichtsignalanlage als drittes Fahrzeug mit der Front rund 10 m westlich der Haltelinie an. Er betätigte den rechten Blinker und setzte das Beklagtenfahrzeug nach Umschalten der VLSA auf Grünlicht „normal beschleunigend“ über eine Strecke von rund 17,5 m bis zur Kollisionsposition rechts abbiegend in einer Zeit von 4,8 sec in Bewegung, wodurch das Beklagtenfahrzeug zwischenzeitig eine Geschwindigkeit von 26 km/h erreichte. Der Erstbeklagte reagierte auf das Herannahen des Klägers unmittelbar vor dem Anstoß durch eine in ihrer Dauer und Intensität nicht näher feststellbare Bremsung.

Der Kläger seinerseits näherte sich der Kollisionsstelle mit seinem Fahrrad, welches lediglich über ein Vorderradbremse verfügte, ebenfalls aus Richtung Westen kommend und auf dem „Busfahrstreifen“ fahrend mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 27,5 km/h. Als sich das Beklagtenfahrzeug in Bewegung setzte, befand sich der Kläger ca 20 m hinter diesem. Zu diesem Zeitpunkt wäre es dem Kläger möglich gewesen, das Beklagtenfahrzeug und insbesondere dessen aktivierten rechten Blinker wahrzunehmen, und darauf unfallverhütend zu reagieren. Der Kläger überquerte die Haltelinie an der Kreuzung mit dem L*****platz, als die VLSA für den Geradeaus- und Rechtsabbiegeverkehr Grünlicht und für den „Busfahrstreifen“ ein „gesperrtes Zeichen“ (Querbalken) ausstrahlte. Er beabsichtigte, den Kreuzungsbereich in gerader Richtung zu überqueren. Im Zuge des Rechtsabbiegemanövers des Beklagtenfahrzeugs stieß allerdings das Fahrrad des Klägers ca 7 m östlich der Bezugslinie im Bereich des südlichen Fahrbahnrandes gegen die rechte vordere Flanke des Beklagtenfahrzeugs. Der Erstbeklagte hätte den herannahenden Kläger nur durch eine unmittelbar vor dem Abbiegemanöver erfolgte Rückspiegelbeobachtung über den rechten Außenspiegel wahrnehmen können, wobei er seine Aufmerksamkeit im Zuge des Rechtsabbiegefahrmanövers allerdings auf Personen richtete, die sich auf einem Schutzweg befanden, welcher auf der von ihm beabsichtigten Fahrlinie lag. Ab dem Zeitpunkt des Überquerens der Haltelinie durch das Klagsfahrzeug hatte der Erstbeklagte keine Möglichkeit einer unfallverhindernden Reaktion. Andererseits war es auch dem Kläger ab Beginn des Abbiegemanövers des Beklagtenfahrzeugs nicht mehr möglich, unfallvermeidend zu reagieren, wobei eine solche Reaktion auch bei Vorhandensein zweier ordnungsgemäß funktionierender Bremsen am Fahrrad nicht mehr möglich gewesen wäre.

Durch den Unfall wurden das Fahrrad und die Brille des Klägers beschädigt, was Reparaturkosten von 70 EUR bzw Neuerwerbskosten von 233,68 EUR verursachte. Außerdem beabsichtigt der Kläger eine Reparatur des bei der Kollision beschädigten Mobiltelefons, wofür Kosten von 120 EUR zu erwarten sind. Unfallbedingt stornierte der Kläger eine Urlaubsreise, wofür er einen Selbstbehalt von 192 EUR trug. Für erforderliche Medikamente liefen 16,60 EUR an Kosten auf, für eine unfallkausale Trainingstherapie 60 EUR sowie für eine eingehende unfallbedingte ärztliche Untersuchung 100 EUR. Schließlich legte der Kläger mit seinem Pkw aufgrund der beim Unfall erlittenen Verletzungen Fahrten mit einer Gesamtstrecke von 406 km zurück (à 0,42 EUR pro km daher 170,50 EUR). An weiteren pauschalen Unkosten entstanden 70 EUR.

Aufgrund des Unfalls erlitt der Kläger eine Schädelprellung mit einer Rissquetschwunde an der Stirn, eine Prellung seiner rechten Schulter mit einer Kapselbandverletzung des Schultereckgelenks und Hautabschürfungen, eine Prellung mit Hautabschürfungen am rechten Unterarm und Ellbogen und eine Prellung des rechten Knies mit einem Knochenmarksödem im Bereich des Oberschenkelknochens und der Kniescheibe. Dadurch litt er zwei Tage hindurch an starken Schmerzen, acht Tage lang an mittelgradigen Schmerzen sowie (auch unter Bedachtnahme auf die Unannehmlichkeiten aufgrund der Notwendigkeit der Ruhigstellung im Schulterverband) 36 Tage hindurch an leichten Schmerzen. Für die Zukunft sind zusätzlich leichtgradige Schmerzen in der Dauer von fünf Tagen zu erwarten. Als Dauerfolgen des Unfalls verbleiben insbesondere eine geringe Instabilität des Schlüsselbeins im Bereich des Schultereckgelenks rechts mit deutlicher Subluxationsstellung und eine endgradige Bewegungseinschränkung mit belastungsabhängigen Restbeschwerden bei Arbeiten vor und über dem Körper. Spätfolgen aus dem Unfall sind nicht mit Sicherheit auszuschließen. Insbesondere ist das Auftreten einer posttraumatischen Arthrose oder eine zunehmende Instabilität im Schultereckgelenk und die Notwendigkeit weiterer operativer Therapien möglich. Im Bereich des verletzten Kniegelenks ist ebenfalls das Auftreten einer posttraumatischen Arthrose, einer rezidivierenden Patellaluxation sowie auch eines zunehmenden Knorpelschadens prinzipiell möglich.

Der Kläger begehrt 10.101,80 EUR an Schadenersatz und die Feststellung der Haftung für sämtliche künftige, derzeit nicht bekannte Schäden. Dem Erstbeklagten komme das Alleinverschulden am Verkehrsunfall zu. Für den Kläger habe die Ampelschaltung für Busse auf den von ihm benutzten Fahrstreifen für Busse nicht gegolten. Der Erstbeklagte habe keinen rechten Blinker am Beklagtenfahrzeug aktiviert gehabt und den auf der Busspur fahrenden Kläger bei seinem plötzlichen Versuch, nach rechts abzubiegen, nicht beachtet. Er habe weder nach rechts (Spiegel), noch nach rechts hinten geblickt. Dass der Kläger ein (nach den Behauptungen der Beklagten) für den Straßenverkehr ungeeignetes Rennrad verwendet habe, sei unerheblich, weil sich der Unfall auch mit einem anderen Fahrrad ereignete hätte. Der Unfall sei für den Kläger unvermeidbar gewesen.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren, beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, der Kläger sei am Verkehrsunfall alleine schuld. Er habe das für die Busspur geltende Anhaltegebot der Signalanlage dieses Fahrstreifens ignoriert, welche so geschaltet sei, dass dann, wenn für den Individualverkehr Grünlicht gelte, für die Benützer der Busspur absolutes Halteverbot bestehe, was dort mit einem Querbalken angezeigt werde. Ferner habe der Kläger eine unangepasst überhöhte Geschwindigkeit (30 km/h) eingehalten, den rechten Blinker am Beklagtenfahrzeug nicht beachtet, das Beklagtenfahrzeug vorschriftswidrig rechts überholt und ein für den Straßenverkehr ungeeignetes Rennrad verwendet. Für den Kläger sei ferner eine unklare Verkehrssituation vorgelegen. Er habe aufgrund der örtlichen Situation mit Rechtsabbiegern rechnen müssen. Hingegen habe der Erstbeklagte mit einem plötzlichen Auftauchen des Klägers nicht rechnen müssen.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage zur Gänze ab. Das Hinweiszeichen „Fahrstreifen für Omnibusse“ (§ 53 Abs 1 Z 24 f StVO) zeige einen den Fahrzeugen des Kraftfahrlinienverkehrs vorbehaltenen Fahrstreifen an, es könne aber auf einer Zusatztafel angegeben werden, dass der betreffende Fahrstreifen auch mit anderen Fahrzeugarten (zB einspurigen Fahrzeugen) benützt werden dürfe. Nach § 38 Abs 8 StVO sei vorgesehen, dass zur gesonderten Regelung des Verkehrs auf einzelnen Fahrstreifen oder für bestimmte Gruppen von Straßenbenützern (wie etwa Radfahrer oder Fahrzeuge des Kraftfahrlinienverkehrs) andere leicht erkennbare Lichtzeichen verwendet werden dürften. Der Kläger übersehe hier, dass das für die Busspur geltende Lichtzeichen gemäß § 38 Abs 8 StVO auch für ihn gegolten habe, sodass er zwar den Fahrstreifen für Omnibusse zulässigerweise benutzt, jedoch dieses Lichtzeichen (Aufleuchten der Querbalken) missachtet habe. Daher treffe ihn ein Verschulden. Der Erstbeklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass das für den Fahrstreifen für Omnibusse geltende Lichtzeichen beachtet werde (§ 3 StVO) und sei nicht gehalten gewesen, im Zuge seines Rechtsabbiegefahrmanövers auch den allenfalls hinter ihm herannahenden Verkehr zu beobachten. Für ein Mitverschulden des Erstbeklagten gebe es keine Grundlage.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Verkehr auf dem Busstreifen sei gemäß § 38 Abs 8 StVO gesondert mit einem anderen Lichtzeichen (Querbalken und Längsbalken) geregelt gewesen, die im Unfallszeitpunkt für den Kläger „Querbalken“ – somit eine Anhaltepflicht – gezeigt habe. Dagegen sei der Fahrstreifen des Erstbeklagten mit grünem Licht freigegeben gewesen. Er habe daher darauf vertrauen dürfen, dass die Busspur gesperrt sei, weshalb ihm der unterlassene Blick in den rechten Außenspiegel unmittelbar vor dem Abbiegen nicht vorwerfbar sei, zumal auch eine nicht allen Erfordernissen gerecht werdende Fahrweise gegenüber dem Verstoß des Klägers gegen die Anhaltepflicht vernachlässigbar sei.

Gemäß Art 23 Abs 1 des für Österreich verbindlichen Übereinkommens über Straßenverkehrszeichen (BGBl Nr 92/1982 in der Fassung BGBl III Nr 80/1998) dürften als Lichtzeichen zur Regelung des Fahrzeugverkehrs nur solche in grüner, roter und gelber Farbe mit jeweils bestimmter Bedeutung der Verwendungsart verwendet werden, außer jenen, die nur für öffentliche Verkehrsmittel bestimmt sind. Wenn es aber nicht zulässig gewesen sein sollte, den auf einer Busspur zugelassenen Individualverkehr in Form von Radfahrern durch die hier strittige Spursignalanlage (mit anderen Lichtzeichen) zu regeln, sei der Kläger zwar nicht verpflichtet gewesen, die für die Busspur geltende Signalanlage zu beachten. Daraus sei aber für ihn nichts gewonnen, weil ihm dann ein Verstoß gegen § 38 Abs 4 dritter Satz StVO vorzuwerfen sei, wonach die Benützer der freigegebenen Fahrstreifen (Fahrstreifen des Erstbeklagten), welche die Fahrbahn im Sinne der für sie geltenden Regelung überqueren, beim Einbiegen weder gefährdet noch behindert werden dürfen. Richtigerweise hätte sich der Kläger, für den das Spurensignal für den öffentlichen Verkehr nach dieser Auffassung keine Geltung gehabt hätte, noch vor Beginn der Sperrlinie (welche sich vor der Haltelinie mindestens 30 m erstrecke) zwischen den beiden Fahrstreifen, in den Fahrstreifen für den allgemeinen Verkehr einordnen müssen, zumal ihn keine Pflicht traf, den Busfahrstreifen zu benutzen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil sich das Höchstgericht noch nicht zur Rechtsfrage geäußert habe, ob ein Radfahrer, der berechtigterweise einen vom Individualverkehr getrennten Fahrstreifen für Omnibusse (§ 53 Z 24 f StVO) mit gesonderter Spurensignalanlage (mit Quer‑ und Längsbalken) benutze, verpflichtet sei, diese Signalanlage zu beachten.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zuzulassen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichts; sie ist auch berechtigt.

1. Revisionsvorbringen:

Der Kläger legt dar, dass aufgrund des Verweises des § 38 Abs 8 StVO auf die Abs 1 bis 7 leg cit davon auszugehen sei, dass auch die in Abs 8 genannten besonderen Lichtzeichen in roter, gelber und grüner Farbe ausgestaltet sein müssten. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, weshalb der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, den vorhandenen besonderen Spursignalen zu folgen. Dem entspreche auch die deutsche Rechtsprechung.

2. Rechtslage:

§ 38 Abs 8 StVO lautet: „Zur gesonderten Regelung des Verkehrs auf einzelnen Fahrstreifen oder für bestimmte Gruppen von Straßenbenützern, wie etwa Fußgänger, Radfahrer oder Fahrzeuge des Kraftfahrlinienverkehrs sowie Taxifahrzeuge, dürfen auch andere leicht erkennbare Lichtzeichen verwendet werden, wobei hinsichtlich des grünen Lichtes die Bestimmung des Abs 6 erster Satz anzuwenden ist. Hinsichtlich der Bedeutung solcher Lichtzeichen und des Verhaltens der betroffenen Straßenbenützer gelten die Bestimmungen der Abs 1 bis 7 sinngemäß.“

§ 38 Abs 1 bis 7 StVO regelt die Bedeutung des Grün-, Gelb- und Rotlichts.

Nach Art 23 Abs 1 des Übereinkommens über Straßenverkehrszeichen, BGBl 1982/291, sind „die einzigen Lichter, die als Lichtzeichen für die Regelung des Fahrzeugverkehrs verwendet werden, außer jenen, die nur für öffentliche Verkehrsmittel bestimmt sind“ und einer hier nicht interessierenden Ausnahme die dort in ihrer Bedeutung näher beschriebenen grünen, roten und gelben Lichter.

Nach einer Rechtsauskunft des BMöWV vom 15. 7. 1994 160.060/2-I/6-94 (zitiert bei Grubmann, StVO³ § 38 StVO Anm 26) ist § 38 Abs 8 StVO im Hinblick auf das Übereinkommen so auszulegen, dass unter „anderen leicht erkennbaren Lichtzeichen“, die zur Regelung des Verkehrs auf einzelnen Fahrstreifen oder für bestimmte Gruppen von Straßenbenützern verwendet werden dürfen, nur solche in roter, gelber oder grüner Farbe zu verstehen sind, die für den Fahrzeugverkehr im Rahmen der vorgesehenen Kombination in runder Form gehalten sein müssen, wobei aber öffentliche Verkehrsmittel im Lichte des Übereinkommens ausgenommen seien.

Pürstl, StVO‑ON14.00 § 38 Rz 15b führt aus, dass die Bestimmung, dass andere, leicht erkennbare Lichtzeichen verwendet werden dürfen, in dieser Form unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots des Art 18 Abs 1 B‑VG problematisch sei, lasse sich doch aus dem Gesetz überhaupt nicht ableiten, um welche Lichtzeichen es sich dabei handeln könnte. Lege man diese Gesetzesstelle verfassungskonform aus, so müsse man unter Heranziehung des zweiten Satzes des Abs 8 (sinngemäße Anwendungsanordnung der Abs 1 bis 7) wohl zum Ergebnis kommen, dass die Lichtzeichen entweder in roter, gelber oder grüner Farbe ausgestaltet sein müssen. Das treffe jedoch in der Praxis zumindest auf die Spurensignale für Fahrzeuge des Kraftfahrlinienverkehrs nicht zu.

Das hier vorhandene Balkenlicht entspricht dem Fahrsignal nach Anlage 2 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über den Bau und Betrieb von Straßenbahnen (Straßenbahnverordnung 1999 – StrabVO) und bedeutet dort als waagrechter Lichtbalken „Halt“ und als senkrechter Lichtbalken „Fahrt freigegeben nur geradeaus“. (Würden diese Signale hier für Fahrräder gelten, wären diese im Übrigen an der Kreuzung nicht zum Rechtsabbiegen berechtigt, weil nach Anlage 2 der StrabVO dafür ein Signal mit einem schräg nach rechts oben weisenden Lichtbalken erforderlich wäre.)

3. Rechtsprechung:

An Judikatur besteht – soweit überblickbar – zu § 38 Abs 8 StVO nur eine, allerdings vom Sachverhalt her nicht vergleichbare, Entscheidung des LGZ Wien zu AZ 4 R 373/93 (ZVR 1994/58), wonach ein im Auftrag des Verkehrsunternehmers im Schienenersatzverkehr eingesetzter Autobus den Gleiskörper befahren darf und dabei auch berechtigt und verpflichtet ist, die dort an der Kreuzung angebrachten Lichtsignale zu beachten.

4. Schlussfolgerungen:

Nach Art 23 des Übereinkommens über Straßenverkehrszeichen, BGBl 1982/291, ist Österreich wie dargelegt verpflichtet, für die Regelung des Fahrzeugverkehrs mit Ausnahme der öffentlichen Verkehrsmittel rotes, gelbes und grünes Licht zu verwenden. Dieses internationale Übereinkommen bezweckt die Vereinheitlichung der Verkehrszeichen einschließlich der Verkehrslichtzeichen (Kapitel III des Übereinkommens) im Interesse der Verkehrssicherheit. Im Einklang damit ist § 38 Abs 8 StVO dahin auszulegen, dass für den Individualverkehr nur die dem Abkommen entsprechenden Lichtsignalanlagen Geltung haben und nicht andere dem öffentlichen Verkehr dienende, mögen sie auch auf einem vom Individualverkehrsteilnehmer berechtigt benutzten Fahrstreifen angebracht sein. Sie dienen auch dort nur der Regelung des öffentlichen Verkehrs. Dies entspricht auch der Bezugnahme des letzten Satzes des § 38 Abs 8 StVO auf die Abs 1 bis 7 der Bestimmung.

Es kann daher der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Kläger die Busspur vor Einsetzen der Sperrlinie verlassen und die vom Erstbeklagten verwendete Fahrspur benutzen hätte müssen, nicht gefolgt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die allgemeine Signalanlage (Ampel) für den berechtigt die Busspur benutzenden Kläger Geltung hatte.

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall im Gegensatz zur Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Kläger berechtigt geradeaus weiterfuhr und der abbiegende Erstbeklagte ihn entsprechend § 38 Abs 4 StVO nicht gefährden oder behindern durfte.

Da es dem Kläger nach den Feststellungen ab Beginn des Abbiegemanövers des Erstbeklagten nicht mehr möglich war, unfallverhindernd zu reagieren, wobei dies auch bei Vorhandensein zweier ordnungsgemäß funktionierender Bremsen der Fall gewesen wäre, kann ihm ein Mitverschulden nicht zur Last gelegt werden.

5. Ergebnis:

Das Erstgericht hat in seinen Feststellungen auch ausreichende Konstatierungen zur Höhe der geltend gemachten Ersatzansprüche getroffen, die die Beklagten in ihrer Berufungsbeantwortung – entgegen der im Hinblick auf die nunmehr ständige Rechtsprechung zu § 468 Abs 2 ZPO bestehenden Notwendigkeit – nicht bekämpft haben. Danach sind nämlich als „ausdrücklich bezogene“ Feststellungen alle als solche bezeichneten Tatsachenannahmen, die nicht in anderen Urteilsabschnitten enthalten sind, anzusehen (vgl Kodek in Rechberger ZPO4 § 468 Rz 5). Da somit ein Vorgehen nach § 473a ZPO für das Berufungsgericht nicht notwendig gewesen wäre, kann der Oberste Gerichtshof nunmehr sofort in der Sache entscheiden.

Aufgrund der festgestellten Verletzungsfolgen erscheint ein Schmerzengeld von 7.000 EUR angemessen, sodass zusammen mit den übrigen festgestellten Schäden ein Gesamtbetrag von 8.032,80 EUR sA zuzusprechen, sowie angesichts der festgestellten Dauerfolgen auch dem Feststellungsbegehren Folge zu geben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 2 1. und 2. Fall ZPO, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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