Spruch:
1.) Der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Revisionsverhandlung wird abgewiesen.
2.) Im übrigen wird der Revision Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die klagende Partei befaßt sich mit dem Vertrieb und dem Einbau von Fenstern. Sie kaufte bei der beklagten Partei Pistolenschaumdosen mit Isolier- und Dichtungschaum, die diese von einem holländischen Hersteller bezogen und nach Österreich eingeführt hatte, welche aber lediglich mit der Firma, der Marke und der Anschrift der Beklagten gekennzeichnet waren.
Am 8. Juli 1995 explodierte eine solche Pistolenschaumdose in einem Fahrzeug der klagenden Partei, wodurch der Inneraum des Fahrzeuges und darin befindliche Gegenstände beschädigt wurden. Außer Streit steht, daß die Instandsetzung des Fahrzeuginnenraums einen Reparaturkostenaufwand von S 147.946,- erfordert.
Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei Zahlung von S 157.000,- (Reparaturkosten sowie Ersatz für weitere beschädigte Gegenstände und Generalunkosten). Die Pistolenschaumdose sei deshalb explodiert, weil die Blechwandlung zu dünn dimensioniert und eine Falzung nicht ordnungsgemäß ausgeführt gewesen sei. Laut Gebrauchsanleitung der beklagten Partei hätte die Dose zumindest eine Temperatur von 50 Grad Celsius aushalten müssen, im Fahrzeug der klagenden Partei habe maximal eine solche von 20 Grad Celsius geherrscht. Die beklagte Partei hafte auch als "Anscheinsproduzent", weil sie das Fremdprodukt mit ihrer Firma und ihrem Warenzeichen ausgestattet habe. Ihr Verschulden liege darin, daß für sie leicht ersichtlich habe sein müssen, daß die Blechwandlung zu dünn dimensioniert und die Falzung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei nicht Herstellerin der Pistolenschaumdose. Auf der Dose sei ein Etikett mit dem Gefahrenhinweis "vor Sonnenbestrahlung und Temperaturen über 50 Grad schützen" angebracht gewesen. Die klagende Partei habe diesem Hinweis keine Beachtung geschenkt; die Temperatur im Fahrzeuginneren müsse über 50 Grad Celsius betragen haben. Hätte die klagende Partei den Gefahrenhinweis beachtet, wäre es nie zu einer Explosion gekommen. Die klagende Partei sei nicht Verbraucherin im Sinn des Produkthaftungsgesetzes. Die beklagte Partei sei überdies passiv nicht legitimiert, weil sie - innerhalb angemessener Frist - den Hersteller der Dosen, der sich im EU-Raum befinde, genannt habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von S 73.273,- sA statt, ein Mehrbegehren von S 83.727,- sA wies es ab; die Prozeßkosten hob es gegeneinander auf.
Es ging von nachstehenden wesentlichen Feststellungen aus:
Die beklagte Partei kaufte vor dem 8. Juli 1995 von einem holländischen Hersteller in Holland produzierte, etikettierte und mit Polyurethanschaum befüllte Pistolenschaumdose und verkaufte diese unter anderem an die klagende Partei. Die Etikettierung dieser Dosen wies neben einer Produktbeschreibung, Anwendungs- und Verarbeitungshinweisen sowie technische Daten einen Warnhinweis auf, der auszugsweise lautet:
"... Behälter steht unter Druck. Vor Sonnenbestrahlung und Temperaturen über 50 Grad C schützen. ..."
Abgesehen von der Firma, der Anschrift der beklagten Partei und deren Marke enthält die Dose keinen Hinweis auf einen anderen Hersteller.
An einer verkauften Pistolenschaumdose war die Falzverbindung der Bechummantelung im Bereich des kurzen Endschenkels am Zylindermantel unüblicherweise derart ausgebildet, daß der innenliegende Endschenkel vom Zylindermantel und der Deckel der Dose nicht übereinander sondern nebeneinander zu liegen kamen, weshalb die Dose dem durch die Dampfkesselverordnung normierten Berstdruck von zumindest 18 bar nicht standhalten konnte.
Der Geschäftsführer der klagenden Partei handhabte diese Pistolenschaumdose derart, daß sie durch Wärmezufuhr von außen eine Temperatur von mehr als 50 Grad Celsius erreichte und es deshalb, bedingt durch den mangelhaft ausgeführte Dosenfalz zu einem Aufreißen und zur Explosion der Dose kam. Der explosionsartig austretende Polyurethanschaum zerstörte die Inneneinrichtung des Fahrzeuges der klagenden Partei derart, daß eine Reinigung und Instandsetzung nicht mehr möglich waren. Darüberhinaus entstanden unbehebbare Schäden weiterer Sachen im Wert von S 6.500,-.
Die beklagte Partei konnte im Rahmen einer üblicherweise an den Dosen vorzunehmenden und vorgenommenen Sichtprüfung die unzureichende Falzung der Blechwand nicht erkennen. Der Geschäftsführer der klagenden Partei hätte die Explosion der Dose verhindern können, wenn er deren Erwärmung über 50 Grad Celsius verhindert hätte.
Die klagende Partei verwendete die Dosen im Rahmen ihres Betriebs zur Montage und Abdichtung von Fenstern.
Rechtlich erörterte das Erstgericht, die beklagte Partei sei durch Anbringung ihres Namens bzw ihrer Marke auf der Pistolenschaumdose als deren Hersteller (Anscheinshersteller) aufgetreten. Ihre Haftung sei daher durch die Benennung des tatsächlichen Herstellers nicht ausgeschlossen. Auch Unternehmer seien in den Schutzbereich des Produkthaftungsgesetzes (PHG) einbezogen. Die beklagte Partei habe nicht behauptet, daß die klagende Partei die beschädigten Sachen überwiegend in ihrem Unternehmen verwendet hätte. Die beklagte Partei hafte daher infolge der fehlerhaften Produktbeschaffenheit für den Ersatz des Schadens an den vom Produkt verschiedenen Sachen. Vom festgestellten Schaden in der Gesamthöhe von S 154.446,- sei der Selbstbehalt nach § 2 Z 2 PHG idF BGBl 1993/95 abzuziehen. Vom verbleibenden Schaden in Höhe von S 146.546,- stehe der klagenden Partei unter Berücksichtigung des Verschuldens ihres Geschäftsführers, dessen Verhältnis sich zur Fehlerhaftigkeit des Produktes nicht bestimmen lasse, nach den §§ 11 PHG, 1304 ABGB die Hälfte zu. Eine Haftung der beklagten Partei aus einem anderen Rechtsgrund bestehe nicht.
Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht wies in Stattgebung der Berufung der beklagten Partei das Klagebegehren zur Gänze ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die beklagte Partei sei zwar "Anscheinsproduzent". Sie habe aber bereits in der Klagebeantwortung darauf hingewiesen, daß die klagende Partei nicht als "Verbraucher" im Sinn des Produkthaftungsgesetzes (PHG), sondern als Unternehmer anzusehen sei. Die klagende Partei habe dazu nicht konkret Stellung genommen, allerdings sei ihrem Vorbringen selbst zu entnehmen, daß ihr die beschädigten Gegenstände gehörten. Nach § 2 Z 1 PHG idF der BGBl 1993/95 und 1994/510 sei der Schaden durch die Beschädigung einer Sache nur zu ersetzen, wenn ihn nicht ein Unternehmer erlitten habe, der die Sache überwiegend in seinem Unternehmen verwendet habe. Die beschädigten Gegenständen gehörten aber der klagenden Partei. Dies gehe daraus hervor, daß das Fahrzeug vor ihrem Firmensitz gestanden sei, als es deren Geschäftsführer zu einer Baustelle gelenkt habe, um fehlende Schaumdosen abzuliefern. Das beschädigte Ladegut bestehe aus Gegenstände, die zur Berufsausübung für Zwecke der klagenden Partei durch physische Personen dienen könnten. Es liege auf der Hand, daß eine Handelsgesellschaft - wie die klagende Partei - ihre Gegenstände nicht privat nützen könne. Die klagende Partei hätte über Einwand der beklagten Partei behaupten müssen, daß und aus welchen Gründen sie die beschädigten Gegenstände nicht überwiegend im eigenen Unternehmen verwendet habe.
Die dagegen von der klagenden Partei erhobene Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.
In der Revision wird zusammenfassend geltend gemacht, daß Feststellungen darüber fehlten, ob die beschädigten Gegenstände überwiegend in ihrem Unternehmen verwendet worden seien. Die beklagte Partei habe lediglich in ihrer Berufungsbeantwortung angeführt, daß die klagende Partei nicht Verbraucher im Sinn des Produkthaftungsgesetzes sei. Da auch Unternehmen in den Schutzbereich des Produkthaftungsgesetzes einbezogen seien, wäre die beklagte Partei behauptungs- und beweispflichtig gewesen, daß dies hier nicht der Fall gewesen sei. Ihr wäre daher der Beweis oblegen, daß die beschädigten Gegenstände überwiegend im Unternehmen der klagenden Partei verwendet worden seien.
Rechtliche Beurteilung
Dazu war zu erwägen:
Vorauszuschicken ist, daß im Rechtsmittelverfahren nur noch die Haftung der beklagten Partei nach dem Produkthaftungsgesetz (PHG) strittig ist und andere Haftungsgründe nicht mehr releviert werden. Zu prüfen ist daher allein die Frage, ob die beklagte Partei für den Schaden der klagenden Partei nach dem PHG haftet. Dabei ist zunächst der Auffassung der Vorinstanzen zuzustimmen, daß die beklagte Partei als "Anscheinshersteller" der Dosen im Sinn des § 3 PHG anzusehen ist, weil nur ihr Name und ihre Marke auf den Produkten angegeben war. Sie ist daher primär haftpflichtig und kann sich nicht - wie ein Händler - durch Benennung des tatsächlichen Herstellers bzw Vormannes von ihrer Haftung nach dem PHG befreien (vgl Posch in Schwimann2 § 3 PHG Rz 11).
Nach § 1 Abs 1 Z 1 PHG haftet - verschuldensunabhängig (§ 3 PHG) - für den Ersatz des Schadens der Unternehmer, der es hergestellt und in den Verkehr gebracht hat, wenn durch den Fehler eines Produktes u.
a. eine von dem Produkt verschiedene körperliche Sache beschädigt wird. Daß hier vom Produkt verschiedene körperliche Sachen und nicht das Endprodukt eines Teilproduktes beschädigt wurde und damit kein nicht ersatzfähiger "Weiterfresserschaden" (SZ 67/22) vorliegt, ist unbestritten.
§ 2 PHG idF BGBl 1988/99 machte keinen Unterschied, ob der Sachschaden an einem privat oder gewerblich genützten Rechtsgut eingetreten ist. § 9 PHG idF BGBl 1988/99 sah lediglich eine Freizeichnungsmöglichkeit hinsichtlich von Schäden an unternehmerisch genutzten Sachen vor (vgl Posch in Schwimann2 § 2 PHG Rz 4, Fitz/Purtscheller/Reindl, Produkthaftung Rz 4 zu § 2). Diese Rechtslage wich aber von der Richtlinie des Rates der europäischen Gemeinschaften vom 25. 7. 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (85/374/EWG) ab. Nach Art 9b dieser Richtlinie ist nämlich die Haftung für die Beschädigung oder Zerstörung einer anderen Sache als des fehlerhaften Produkts in sachlicher und rechnerischer Hinsicht eingeschränkt. Zum einen dadurch, daß nur für Schäden an Sachen gehaftet wird, die typischerweise für den Privatgebrauch bestimmt sind und von dem konkreten Geschädigten auch "hauptsächlich zum privaten Ge- oder Verbrauch verwendet wurden". Zum anderen, weil für die als ersatzfähig anerkannten Sachschäden eine "Selbstbeteiligung" in der Höhe von 500 ECU vorgesehen wird, die bei Beschädigung mehrerer Sachen von der gesamten Schadenssumme abzuziehen ist.
Das EWR-Anpassungsgesetz BGBl 1993/95 sah - unter anderem - die Anhebung des Selbstbehalts bei Sachschäden von S 5.000,- auf richtlinienkonforme S 7.900,- und eine Beseitigung der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung an privat und unternehmerisch genutzten Sachen vor. Nach § 2 PHG idF PGH Nov 1993/95 ist ein Schaden durch die Beschädigung (einer vom Produkt verschiedene) Sache nur zu ersetzen, 1.) wenn ihn nicht ein Unternehmer erlitten hat, der die Sache überwiegend in seinem Unternehmen verwendet hat, und 2.) überdies nur mit dem S 7.900,- übersteigenden Teil. § 9 PGH idF PGH Nov 1993/95 sieht vor, daß die Ersatzpflicht nach diesem Bundesgesetz im voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden kann.
Nach § 19a PGH idF BGBl 1993/95 sind u. a. die §§ 2 und 9 PGH idF BGBl 1993/95 zu demselben Zeitpunkt in Kraft getreten wie das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum. Da das diesbezügliche EWR-Anpassungsgesetz am 1. 1. 1994 in Kraft getreten ist (BGBl 1993/909 und 917) ist auch die durch BGBl 1993/95 novellierte Fassung an diesem Tag in Kraft getreten. Nach Abs 2 dieser Bestimmung ist die Neufassung auf Schäden durch Produkte, die vor dem im Abs 1 genannten Zeitpunkt in Verkehr gebracht worden sind, nicht anzuwenden. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt des jeweiligen Inverkehrbringens durch das in Anspruch genommene haftpflichtige Glied der Absatzkette (Posch in Schwimann2 § 19a PHG Rz 2).
Die beklagte Partei ist als in Anspruch genommener "Anscheinshersteller" anzusehen. Es kommt daher darauf an, wann sie das Produkt "in Verkehr gebracht hat" (§ 1 Abs 1 Z 1 iVm § 6 PHG), beim vorliegenden Direktgeschäft zwischen den Streitteilen daher darauf, wann sie die Dosen der klagenden Partei verkauft hat. Dieser entscheidungswesentliche Zeitpunkt ist den Feststellungen allerdings nicht zu entnehmen.
Sollten die Dosen von der beklagten Partei bereits vor dem 31. 12. 1993 "in Verkehr gebracht", also der klagenden Partei verkauft worden sein, hätte sie für das fehlerhafte Produkt auch dann einzustehen, wenn dadurch Schäden an unternehmerisch genutzten Sachen entstanden wären. Sollten die Dosen aber erst nach dem 1. 1. 1994 in Verkehr gebracht worden sein, käme der vom Berufungsgericht in diesem Fall angenommene Haftungsausschluß des § 2 Abs 1 PHG idF PHG Nov 1993 zum Tragen.
Die im Eigentum einer Kapitalgesellschaft (hier: Gesellschaft mbH) stehenden Sachen können von dieser nur im Rahmen ihres Unternehmens, nicht aber auch privat benutzt werden. Auch die genannte Richtlinie setzt für die Ersatzfähigkeit des Sachschadens ua voraus, daß die Sache von dem Geschädigten hauptsächlich zum privaten Ge- oder Verbrauch verwendet worden ist. Wie der Begriff "überwiegend" in § 2 Z 1 PHG idF BGBl 1993/95 auszulegen ist (vgl hiezu Preslmayr, Handbuch des Produkthaftungsgesetzes 5f) muß hier daher nicht beurteilt werden. Die von den Vorinstanzen unterschiedlich beurteilte Beweislast ist für den vorliegenden Fall daher nicht entscheidend.
Ob das fehlerhafte Produkt selbst überwiegend vom Unternehmer in seinem Unternehmen verwendet worden ist, ist - entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung - unerheblich, weil es nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes auf diese Verwendung der beschädigten Sache ankommt.
Im fortgesetzten Verfahren werden daher Feststellungen zu treffen sein, wann die beklagte Partei das fehlerhafte Produkt (erstmals) in Verkehr gebracht hat.
Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 66/97 ua) steht die Abhaltung einer Revisionsverhandlung im Ermessen des Obersten Gerichtshofs. Da die Revisionswerberin dafür keinerlei Gründe geltend macht und der erkennende Senat einer mündlichen Revisionsverhandlung nicht für erforderlich hält, war der Antrag der Revisionswerberin auf Anberaumung einer Revisionsverhandlung abzuweisen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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