OGH 2Ob181/05i

OGH2Ob181/05i1.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Wilfried W*****, über den Revisionsrekurs der erbserklärten Erbin Veronika W*****, vertreten durch Mag. Franz Müller, Rechtsanwalt in Kirchberg am Wagram, gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 6. Mai 2005, GZ 10 R 30/05x, 31/05v, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Tulln vom 1. Dezember 2004, AZ 1 A 682/03h-30 und vom 30. Dezember 2004, GZ 1 A 682/03h-38, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die vom Rechtspfleger des Erstgerichtes erlassenen Beschlüsse vom 1. 12. 2004, GZ 1 A 682/03h-30, auf Enthebung des Gerichtskommissärs sowie vom 30. 12. 2004, GZ 1 A 682/03h-38 (Abweisung des Antrages auf Innehaltung des Verfahrens zur Errichtung des Inventars), als nichtig aufgehoben werden.

Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung durch den Richter aufgetragen.

Text

Begründung

Mit dem angeführten Beschluss hat das Landesgericht St. Pölten den Rekursen des Gerichtskommissärs Mag. Edmund R*****, der Witwe Veronika W***** und der Tochter Lisa-Maria W*****, vertreten durch die Kollisionskuratorin Elisabeth S*****, gegen den vom Rechtspfleger gefassten Beschluss des Bezirksgerichtes Tulln vom 1. 12. 2004, GZ 1 A 682/03h-30 auf Enthebung des Gerichtskommissärs, sowie den Rekursen der Witwe Veronika W***** und der Abwesenheitskuratorin Elisabeth S***** gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Tulln vom 30. 12. 2004, GZ 1 A 682/03h-38, womit der Antrag auf Innehaltung des Verfahrens zur Errichtung des Inventars zurückgewiesen und der Witwe aufgetragen wurden, dem neu bestellten Gerichtskommissär sowie dem Sachverständigen das Betreten des Hauses zum Zweck der Befundaufnahme zu ermöglichen, nicht Folge gegeben und gleichzeitig ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Über Antrag gemäß § 14 Abs 1 AußStrG (alt) hat das Rekursgericht ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei.

In der Begründung seines Zulässigkeitsausspruches führte das Rekursgericht an, bereits aus der Todfallsaufnahme des ursprünglichen Gerichtskommissärs ergäbe sich unter Berücksichtigung des Wertes der in den Nachlass fallenden Liegenschaften sowie der übrigen Vermögenswerte ein Gesamtwert von EUR 125.726,16.

Nach der bis 31.12. 2004 in Geltung stehenden Bestimmung des § 18 Abs 2 RpflG bleibe dem Richter die Erledigung von Verlassenschaftssachen vorbehalten, wenn die Aktiven des Nachlasses voraussichtlich den Betrag von EUR 100.000 überstiegen. Nach dem Ergebnis der Todfallsaufnahme sei dies der Fall gewesen; der Akt wäre daher vom zuständigen Richter zu behandeln gewesen. Die Entscheidungen des Rechtspflegers seien gemäß § 477 Abs 1 Z 2 ZPO nichtig, welche Nichtigkeit auch vom Rekursgericht von Amts wegen wahrzunehmen gewesen wäre. Da dieser Mangel vom Rekursgericht nicht aufgeklärt worden sei, weiche die rekursgerichtliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ab.

Der Revisionsrekurs der erbserklärten Erbin und Witwe verweist zutreffend darauf, dass bereits aus der Todfallsaufnahme ersichtlich sei, der Wert des Nachlasses übersteige EUR 100.000, weshalb die Verlassenschaftssache der Zuständigkeit des Rechtspflegers entzogen sei.

Diese Ausführungen sind zutreffend.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 18 Abs 2 Z a RpflG BGBl 560/1985, zuletzt geändert BGBl I 98/2001 bleibt dem Richter die Erledigung von Verlassenschaftssachen vorbehalten, wenn die Aktiven des Nachlasses voraussichtlich den Betrag von EUR 100.000 übersteigen.

Nach den Inhalt der Todfallsaufnahme (AS 28) überstieg der Wert der in die Verlassenschaft fallenden Liegenschaften sowie der Wertpapiere und Einlagebücher den Betrag von EUR 100.000.

Nach ständiger Rechtsprechung leidet ein vom Rechtspfleger in Überschreitung der ihm vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsgewalt erlassener Beschluss und das ihm vorangegangene Verfahren, soweit es vom Rechtspfleger durchgeführt wurde, an einer Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 2 ZPO (RIS-Justiz RS0007465; SZ 47/37; Kodek in Rechberger Rz 5 zu § 477).

Der angefochtene Beschluss ist daher in diesem Sinn abzuändern.

In der Folge wird das Erstgericht die Verlassenschaftssache durch den Richter zu führen haben.

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