Spruch:
Die Verfallserklärung einer Sicherheit nach § 280 Abs. 1 EO. hat die gleichen Wirkungen wie ein vollzogener Verkauf. Es kann daher an die Verteilung der Sicherheit geschritten werden, auch wenn noch nicht alle Gegenstände, auf die sich der Antrag auf freihändigen Verkauf bezogen hat, verkauft sind.
Entscheidung vom 21. März 1951, 2 Ob 179/51.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Am 24. August 1949 wurde zugunsten der A. an den im Pfändungsprotokoll unter P.-Zl. 1 bis 3 angeführten Fahrnissen ein Pfandrecht begrundet. Nach dem Inhalte des Pfändungsprotokolls wurde in Ansehung dieser Gläubigerin das Verkaufsverfahren am 6. Oktober 1949 gemäß den §§ 200, 282 EO. eingestellt. Am 9. September 1949 wurden die gleichen Postzahlen sowie neu die P.-Zl. 4 bis 16 zugunsten der B., der nunmehrigen betreibenden Partei, gepfändet. Nachdem für diese ein Verkaufstermin (21. November 1949) angesetzt worden war, stellte am 17. November 1949 Wilhelm S. im Einvernehmen mit der verpflichteten Partei einen Antrag auf freihändigen Verkauf gemäß § 280 Abs. 1 EO., in dem er sich verpflichtete, die Fahrnisse P.-Zl. 1 bis 16 um einen den Schätzwert um 25% übersteigenden Betrag zu erwerben, und erlegte gleichzeitig eine Sicherheit in der Höhe von 20.000 S. Nach verschiedenen Zwischenfällen sollte der Verkauf an den Freihandkäufer schließlich am 23. März 1950 stattfinden. Da weder Wilhelm S. noch andere Kauflustige zugegen waren, wurde mit dem Beschluß vom 24. März 1950 die von Wilhelm S. erklärte Sicherheit zugunsten der Verteilungsmasse für verfallen erklärt; in einem späteren Versteigerungstermin (14. Juni 1950) wurde die P.-Zl. 12 um 150 S einem Bieter zugeschlagen. Am 2. August 1950 beraumte das Erstgericht eine Verteilungstagsatzung über das Meistbot von 150 S sowie über die verfallene Sicherheit von 20.000 S für den 31. August 1950 an. Neben anderen Gläubigern mit schlechterem Rang meldeten sowohl A. als auch B. ihre Forderungen in der Tagsatzung an.
Das Erstgericht sprach die gesamte Verteilungsmasse der B. auf Abschlag ihrer Forderung zu und wies den Widerspruch der A. mit der Begründung ab, daß ihr Pfandrecht am Tag der Verteilungstagsatzung bereits erloschen gewesen sei.
Das Rekursgericht änderte den von A. angefochtenen Verteilungsbeschluß dahin ab, daß der als Sicherheit erlegte Betrag derzeit nicht zu verteilen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der B. Folge, hob die Beschlüsse des Rekurs- und des Erstgerichtes auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach einer Ergänzung des Verfahrens, an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Oberste Gerichtshof vermag vor allem der vom Rekursgericht vertretenen Rechtsansicht nicht beizupflichten, daß eine Verteilung der verfallenen Sicherheit erst dann möglich ist, wenn sämtliche Gegenstände, auf die sich der Antrag auf freihändigen Verkauf bezogen hat, versteigert worden sind. Wenn sich auch das Rekursgericht zur Unterstützung seiner Rechtsansicht auf die Entscheidungen Rsp. 1931, Nr. 252 und 298, berufen kann, so hält der Oberste Gerichtshof doch die im Anschluß an die letztere Entscheidung von Kollroß vorgebrachten Bedenken für durchaus begrundet. Daraus, daß nach dem Wortlaut des § 204 EO. die verfallene Sicherheit zugunsten der Verteilungsmasse verfällt, können zwingende Schlüsse dahin, daß die Sicherheitsleistung nur einen Zuwachs der Verteilungsmasse bilde und die rechtliche Natur des Versteigerungserlöses teile, nicht gezogen werden; diese Erwägungen mögen auf das Zwangsversteigerungsverfahren bei Liegenschaften zutreffen, können jedoch bei Exekutionen auf bewegliches Vermögen nicht aufrechterhalten werden. Es kann den Gläubigern nicht zugemutet werden, so lange auf eine Verteilung der verfallenen Sicherheit zu warten, bis die letzte Post der gepfändeten Fahrnisse verkauft worden ist. Die vom Rekursgericht vertretene Auffassung würde auch dahin führen, daß der Nichtverkauf einer einzigen Post genügen könnte, die verfallene Sicherheit überhaupt dem Zugriffe der Gläubiger zu entziehen. Es können vielmehr gegen die sofortige Verteilung der verfallenen Sicherheitsleistung an die in Frage kommenden Gläubiger keinerlei ernstliche Einwendungen erhoben werden, da nur hiedurch verhindert werden kann, daß die Sicherheitsleistung, wie Kollroß mit Recht befürchtet, schließlich noch dem Erleger trotz des Verfalles zurückzustellen sei.
Kann aber die Sicherheitsleistung unabhängig vom Gang des übrigen Exekutionsverfahrens verteilt werden, dann muß die Verfallserklärung die gleichen Wirkungen wie ein vollzogener Verkauf nach sich ziehen; es sind daher alle Gläubiger dem Verteilungsverfahren beizuziehen, deren Pfandrechte an den im Übernahmsantrag bezeichneten Fahrnissen im Zeitpunkte der Verfallserklärung noch nicht erloschen waren. Da im vorliegenden Fall damals das Pfandrecht der A. noch zu Recht bestand, wäre ihre Forderung mit Rücksicht auf den Rang ihres Pfandrechtes vor der Forderung der B., allerdings nur in dem Verhältnis zu befriedigen, in dem der Wert der für sie gepfändeten und im Zeitpunkte der Schätzung noch vorhanden gewesenen Fahrnisse zum Schätzwert sämtlicher Fahrnisse, auf die sich der Übernahmsantrag bezogen hat, steht.
Da es jedoch dem Obersten Gerichtshof nicht möglich ist, aus der Aktenlage den Wert der vorhandenen Reste der unter P.-Zl. 1 und 2 gepfändeten Fahrnisse einwandfrei festzustellen und hiezu allenfalls sogar noch Erhebungen in der ersten Instanz erforderlich sein werden, waren nicht nur der Beschluß des Rekursgerichtes, sondern auch der des Erstgerichtes aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuverweisen.
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