Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO). Der Kläger befuhr am Vormittag des 7. 5. 2003 mit einem Pkw, auf dem eine damals gültige Autobahnvignette angebracht war, die Südautobahn A 2 von der Pack kommend in Richtung Graz. Im Bereich des Straßenkilometers 197 - die Autobahn beschreibt dort in Fahrtrichtung des Klägers eine langgezogene und übersichtliche Rechtskurve mit einer Richtungsänderung von etwa 10 Grad über eine Strecke von 500 m - kam er in einem spitzen Winkel von ein bis zwei Grad von der Fahrbahn ab, streifte über eine Strecke von etwa 55 m den Wildzaun und stieß schließlich auf Höhe der Bezugslinie (Fahrbahnnormale zur Längsachse der Autobahn auf Höhe des Straßenkilometers 197) gegen einen mehr als 4 m außerhalb der befestigten Fahrbahn befindlichen Baum. Im Unfallbereich weist die Böschung einen Winkel von 18 bis 20 Grad auf, was einer Böschungsneigung von 2 : 0,73 entspricht. Die Höhe der Böschung beträgt bis zum Böschungsfuß, auf dem der Wildzaun errichtet ist, 1,3 m. Die Wiesenböschung fällt über eine Länge von 3,8 m ab. Im Unfallbereich war wegen einer Mautzählstation im Böschungsbereich eine etwa 30 m lange Leitschiene von der Böschung aufsteigend bis knapp östlich der Mautzählstation vorhanden. Der Kläger begehrte von der Beklagten unter Anrechnung eines Eigenverschuldens von 50 % die Zahlung von EUR 10.000 sA an Schmerzengeld und verband damit ein mit EUR 2.000 bewertetes Feststellungsbegehren über die Haftung der Beklagten für künftige Folgeschäden und Dauerfolgen im Ausmaß von 50 %. Die Beklagte habe es schuldhaft und rechtswidrig unterlassen, an der Unfallstelle Leitschienen oder sonstige Sicherheitseinrichtungen am Fahrbahnrand aufzustellen, die den Unfall und damit auch seine Verletzungen verhindert hätten. Die Notwendigkeit zur Errichtung einer Leitschienenverbauung habe deshalb bestanden, weil es sich bei diesem Unfallbereich um einen bekannt unfallträchtigen Abschnitt der A 2 handle. Wäre eine Leitschiene angebracht gewesen, wäre es lediglich zu einer Streifkollision mit derselben gekommen. Aufgrund der technischen Richtlinie RVS 5232 sei die Beklagte verpflichtet gewesen, eine Leitschienensicherung anzubringen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, die Errichtung einer Leitschienenverbauung sei nicht notwendig gewesen; dies ergebe sich aus der technischen Richtlinie für die Aufstellung und Anordnung von Sicherheitsleitschienen RVS 5232. Das Fahrzeug des Klägers sei etwa 110 m vor der Anprallstelle gegen den Baum von der Fahrbahn abgekommen. Den Kläger treffe das Alleinverschulden, weil er in einen übermüdeten Zustand gefahren und dadurch von der Fahrbahn abgekommen sei.
Das Erstgericht wies ausgehend vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt das Klagebegehren ab und erörterte rechtlich, dass bei diesen Verhältnissen und der Linienführung der Straße eine Notwendigkeit einer Leitschienenabsicherung jedenfalls zu verneinen sei, zumal ein Abkommensrisiko grundsätzlich nicht vorliege. Die Richtlinie RVS 5232 sei nicht verletzt worden, weil der Böschungswinkel unter der dort angegebenen Böschungsneigung von 2 : 1 liege. Auch vor der Mautzählstation habe sich eine 30 m lange Leitschiene befunden; der Baum, gegen den der Kläger gestoßen sei, sei auch mehr als 4 m außerhalb der befestigten Fahrbahn gestanden. Forderte man hier das Aufstellen von Leitschienen oder sonstigen Sicherheitseinrichtungen, würde das zumutbare Maß an Schutz- und Sorgfaltspflichten überspannt werden, weil dies bedeute, dass an den meisten Teilen der österreichischen Autobahnen Leitschienen anzubringen wären.
Dem Kläger sei der Beweis eines verkehrswidrigen Zustandes der Autobahn und damit auch der Beweis, dass nach Zumutbarkeitskriterien ein besserer Zustand hätte vorhanden sein müssen, nicht gelungen. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es änderte diesen Ausspruch über Antrag des Klägers dahingehend ab, dass die ordentliche Revision dennoch zulässig sei.
Es übernahm insbesondere die Feststellung, dass im Unfallbereich ein Abkommensrisiko grundsätzlich nicht vorliege.
Rechtlich führte es aus, dass eine allfällige Haftung der Beklagten nach vertraglichen Grundsätzen zu beurteilen sei, wobei die Beweislast für eine Vertragsverletzung und den Kausalzusammenhang den Geschädigten treffe. Der Entfall der Haftungsbeschränkung des § 1319a ABGB könne aber nicht zu einer Erfolgshaftung des Autobahnhalters führen; seine Sorgfaltspflichten dürften nicht überspannt werden; Unzumutbares sei von ihm auch bei der Prüfung seines Verhaltens auf leichte Fahrlässigkeit im Rahmen vertraglicher Haftung nicht zu verlangen (2 Ob 140/02 f mwN; 2 Ob 33/01v).
Mit Erlass des Bundesministeriums für Bauten und Technik vom 26. 6. 1978, Zl. 801.105/2-III/1-78 sei die Anwendung der von der Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen im österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein erarbeiteten Richtlinien über das Aufstellen und die Anordnung von Sicherheitsleitschienen (RVS 5232) angeordnet worden. Dieser Erlass umschreibe den vom Straßenerhalter anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab. Eine Missachtung dieser Sorgfaltspflichten durch die Beklagte liege in Bezug auf jenen Erlass nicht vor, weil die Böschungshöhe nur 1,3 m betragen habe und der Böschungswinkel mit 18 bis 20 Grad unter der im Erlass angeführten Böschungsneigung von 2 : 1 gelegen sei. Der Baum, gegen den das Fahrzeug des Klägers gestoßen sei, sei mehr als 4 m außerhalb der befestigten Fahrbahn gelegen. Da auch kein objektives Abkommensrisiko bestanden habe, sei kein Grund vorgelegen, von der Beklagten das Anbringen von Leitschienen in jenem Bereich, in dem der Kläger mit dem Fahrzeug von der Autobahn abgekommen sei, zu verlangen. Bejahte man dies, würde dies bedeuten, dass grundsätzlich sämtliche Autobahnen von Sicherheitsleitschienen begrenzt werden müssten, was jedenfalls eine Überspannung der Sorgfaltspflicht darstelle. Das Berufungsgericht führte zur Begründung der Zulässigkeit der ordentlichen Revision aus, es fehle höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob die Beklagte im Hinblick auf die Verkehrssicherheit im Lichte vertraglicher Haftung verpflichtet gewesen sei, das Autobahnstraßenstück im Unfallsbereich mit einer Leitschiene abzusichern, um ein Abkommen von der Fahrbahn zu verhindern.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung des erkennenden Senates zutreffend wiedergegeben, dass der Mautstraßenerhalter auf der Grundlage eines mit einem Straßenbenützer geschlossenen Vertrages bei Erfüllung seiner vertraglich übernommen Schutz- und Sorgfaltspflichten für jedes Verschulden einzustehen hat. Die Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit gemäß § 1319a ABGB ist demnach auch im Fall der „Vignettenmaut" gemäß § 7 BStFG 1996 nicht anwendbar. Der erkennende Senat hat auch betont, dass der Entfall des Haftungsprivilegs nach § 1319a ABGB keinesfalls zu einer Erfolgshaftung des Autobahnhalters führen darf. Dessen Sorgfaltspflichten dürfen nicht überspannt werden; Unzumutbares ist von ihm auch bei der Prüfung seines Verhaltens auf leichte Fahrlässigkeit im Rahmen vertraglicher Haftung nicht zu verlangen (2
Ob 33/01v = SZ 74/25 = ZVR 2001/53).
In 2 Ob 133/00y (= ZVR 2001/90) hat der erkennende Senat dargelegt,
dass bei einer Vertragshaftung die Beweislast für die Vertragsverletzung und den Kausalzusammenhang den Geschädigten trifft. Dieser Beweislast war damals durch den Nachweis der Vereisung einer Autobahnstrecke als Grund für das Abkommen eines Pkws von der Straße entsprochen worden. An dieser Rechtsprechung hat der erkennende Senat festgehalten (2 Ob 57/05d).
Die Berufungsentscheidung steht mit diesen Grundsätzen im Einklang. Unter welchen Umständen aus Gründen der Verkehrssicherheit Leitschienen anzubringen sind, kann jeweils nur aufgrund der örtlichen Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Eine auffallende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes, die aus Gründen der Rechtssicherheit wahrzunehmen wäre, liegt nicht vor, hat doch das Berufungsgericht ausdrücklich die Feststellung gebilligt, im Unfallsbereich liege aufgrund der örtlichen Verhältnisse grundsätzlich kein Abkommensrisiko vor.
Der Hinweis des Klägers, im betroffenen Abschnitt der Südautobahn hätten sich bereits mehrere Verkehrsunfälle ereignet, ist nicht geeignet, ein erhöhtes Abkommensrisiko festzustellen, weil die Ursache der Unfälle nicht bekannt war, insbesondere nicht, ob sie auf ein Abkommen von der Fahrbahn zurückzuführen waren. Da auch in der Revision keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen aufgezeigt werden, war sie als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht sich auf §§ 40, 50 ZPO weil die beklagte Partei nicht auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat.
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