OGH 2Ob165/11w

OGH2Ob165/11w10.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eva S*****, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Reinhard D*****, vertreten durch Freimüller Obereder Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Aufkündigung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 2. August 2011, GZ 40 R 319/11z-29, womit das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 26. April 2011, GZ 7 C 206/10v-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 929,84 EUR (darin 122,64 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Vermieterin und der Beklagte Mieter einer Wohnung mit einem Bad, das über kein eigenes Fenster verfügt, sondern über einen Ventilator mit Zeitschaltuhr entlüftet wird.

Im Laufe der Zeit haben sich Feuchtigkeits- und Schimmelschäden gebildet, die zunächst nicht sichtbar waren. Ab November 2009 verschlimmerte sich der Zustand zusehends. Es kam zu massiven Schimmelschäden und Verputzabplatzungen, sodass das Bad im Wandbereich oberhalb der Verfliesung sowie an der Decke letztlich starke Verschmutzungen und Schimmelbildungen aufwies und sich auch vor der Duschtasse im Bodenbereich dunkelbraune Verfärbungen bildeten. Auch im Vorraum an der Wandseite zum Badezimmer sind im unteren Bereich Spuren von Feuchtigkeitseinwirkungen sichtbar. Der Beklagte informierte hievon weder die Hausverwaltung noch die Hausinhabung noch unternahm er selbst Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden. Die Ursache der Schäden konnten die Vorinstanzen nicht feststellen, wiewohl das Erstgericht in diesem Zusammenhang grundsätzlich auf mangelnde Lüftung Bezug nimmt. Bauliche Mängel in Zusammenhang mit einem Dachbodenausbau sind als Ursache der Schimmelbildung auszuschließen. Mittlerweile ist eine Sanierung sowohl aus gesundheitlichen Gründen aber auch, um eine Substanzgefährdung des Hauses hintanzuhalten, erforderlich.

Die Klägerin kündigte das Bestandverhältnis gestützt auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG auf und brachte vor, der Beklagte mache vom Mietgegenstand einen erheblich nachteiligen Gebrauch, indem er die Wohnung nicht ordnungsgemäß heize und lüfte und die Wohnung in arger Weise vernachlässige.

Der Beklagte beantragte die Aufhebung der Kündigung und die Abweisung des Räumungsbegehrens und brachte vor, er bewohne die angemietete Wohnung vertragskonform und benütze sie pfleglich. Sein Lüftungs- und Beheizungsverhalten sei im Rahmen des Üblichen. Die Schimmelbildung sei nicht durch unsachgemäße Verwendung des Bades verursacht, sondern auf der klagenden Partei zuzurechnende mangelhafte Bauweise zurückzuführen und berechtige zu einer Mietzinsminderung von 50 %.

Das Erstgericht erklärte die gerichtliche Aufkündigung für rechtswirksam. Ein vertrauenswürdiger Durchschnittsmieter in der Situation des Beklagten hätte entweder den Schimmelschaden selbst behoben oder die Hausverwaltung oder Hausinhabung informiert, insbesondere wenn er der Meinung sei, selbst nicht für die Schäden ursächlich zu sein, sodass der vorliegende Zustand niemals entstanden wäre. Die Untätigkeit des Beklagten bilde eine schwerwiegende Verletzung der Mieterpflichten und die daraus resultierende Substanzgefährdung einen erheblich nachteiligen Gebrauch.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Aufhebung der Aufkündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens ab. Es erachtete die Mängel- und Beweisrüge der Berufung des Beklagten für nicht berechtigt und gelangte rechtlich zu dem Schluss, dass die Ursache für die Feuchtigkeits- und Schimmelschäden nicht habe festgestellt werden können, weshalb der in der Kündigung inhaltlich umschriebene Kündigungsgrund nicht vorliege. Auf eine mangelnde Benachrichtigung bzw Meldung des Schimmelschadens bei der Hausverwaltung habe sich die Aufkündigung nicht gestützt. Dieses Verhalten könne daher nicht herangezogen werden. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage zu beurteilen sei.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei mit dem Antrag die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen, in eventu die zweitinstanzliche Entscheidung aufzuheben.

Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Nach der ständigen Judikatur liegt ein erheblich nachteiliger Gebrauch iSd § 30 Abs 2 Z 3 MRG dann vor, wenn eine wiederholte, längerwährende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts wichtige Interessen des Vermieters verletzt oder eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgt oder droht (8 Ob 36/09s mwN). Es ist ausreichend, wenn durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (7 Ob 17/03f mwN).

Dies setzt aber eine ordnungswidrige Benützung des Bestandobjekts voraus, der Auflösungsgrund liegt daher dann nicht vor, wenn der Mieter vom Bestandgegenstand nur den nach dem Verwendungszweck üblichen Gebrauch macht (RIS-Justiz RS0021043). Ein Verschulden des Mieters ist dagegen nicht erforderlich, die Schädlichkeit muss dem Mieter aber bewusst sein können, wobei hier auf einen durchschnittlichen Mieter abzustellen ist (7 Ob 17/03f mwN).

Dass einem durchschnittlichen Mieter die Schädlichkeit langjähriger Schimmelbildung sowohl für die eigene Gesundheit als auch für den Mietgegenstand bewusst sein muss, bedarf keiner näheren Begründung und entspricht der Lebenserfahrung.

Zwar konnte die Ursache der Feuchtigkeits- und Schimmelbildung nicht festgestellt werden, die Unterlassung von Abhilfemaßnahmen durch den Beklagten führte aber letztlich zur tatsächlichen Gefährdung der Substanz des Mietobjekts und damit zum Verlust der Vertrauenswürdigkeit des Bestandnehmers, der eigentlichen ratio dieser Bestimmung (vgl ebenfalls 7 Ob 17/03f). Insoweit steht daher auch die Ursächlichkeit des Verhaltens des Beklagten fest.

Nach der neueren Judikatur genügt es aber, den Kündigungsgrund in der Aufkündigung zu individualisieren, eine schlagwortartige Angabe des Sachverhalts bzw die demonstrative Aufzählung einzelner Vorfälle ist ausreichend. Im Zuge des Verfahrens können noch weitere Vorfälle nachgetragen werden. Letztlich schadet es auch nicht, wenn das in der Kündigung erstattete Vorbringen keine weitere Individualisierung enthält, aber im Zuge des Verfahrens die einzelnen Tatbestandsmerkmale behauptet und nachgewiesen werden (vgl RIS-Justiz RS0106599 [T3-T5, T11, T15]).

Dies trifft auf die hier in der Aufkündigung nicht ausdrücklich angeführte Unterlassung von Mitteilungen an die Hausverwaltung bzw Hausinhabung nach Sichtbarwerdens der Schimmelbildung und Durchfeuchtung des Mietgegenstands zu. In der Aufkündigung wurde allgemein „arge Vernachlässigung“ des Mietobjekts und unsachgemäßes Entlüftungsverhalten angeführt, die Unterlassung der Verständigung der Vermieterin aber in der letzten mündlichen Streitverhandlung nachgetragen.

Es war somit der Revision Folge zu geben und die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

Auf die Frage der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wegen der Nichtbehandlung der in der Berufungsbeantwortung bekämpften negativen Feststellung über die Ursache der Schimmelbildung braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.

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