OGH 2Ob15/94(2Ob16/94)

OGH2Ob15/94(2Ob16/94)24.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1.) Michael A*****, vertreten durch Dr.Eva-Maria Leeb-Bernhard, Rechtsanwältin in Wien und 2.) W*****krankenkasse, ***** vertreten durch Dr.Amhof & Dr.Damian Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Erika G*****, 2.) Robert K***** und 3.) ***** Versicherungs-AG, ***** alle vertreten durch Dr.Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 931.210,-- sA und Feststellung (Erstkläger) und S 153.040,53,-- sA und Feststellung (zweitklagende Partei), infolge Rekurses der erst- und drittbeklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20. April 1993, GZ 12 R 46/93-22, womit infolge der Berufungen der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 4.November 1992, GZ 1 Cg 750/91-14, zum Teil aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluß wird dahingehend abgeändert, daß die Entscheidung insoweit wie folgt zu lauten hat:

Der Berufung des Erstklägers wird, soweit sie sich gegen die Abweisung seines Feststellungsbegehrens sowie des Begehrens auf Zahlung von S 912.410,-- samt 8 % Zinsen aus S 855.000,-- seit 1.7.1989 sowie aus S 57.410,-- seit 27.4.1992 richtet, nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil als Teilurteil bestätigt.

Im übrigen - sohin hinsichtlich der Abweisung des Begehrens auf Zahlung von S 18.800,-- samt 8 % Zinsen seit 1.7.1989 sowie hinsichtlich der den Erstkläger betreffenden Entscheidung über die Kosten der erst- und drittbeklagten Parteien - wird die Rechtssache aufgehoben und in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die hierauf entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Der Berufung der zweitklagenden Partei wird nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil hinsichtlich der Abweisung ihres Feststellungs- und Zahlungsbegehrens sowie hinsichtlich der Kostenentscheidung als Teilurteil bestätigt.

Die zweitklagende Partei ist schuldig, den erst- und drittbeklagten Parteien den Betrag von S 7.978,66 sowie an Kosten des Revisionsrekursverfahrens den Betrag von S 10.722,46 binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 26.6.1989 ereignete sich auf der Bundesstraße 38 in der Nähe von A***** (Niederösterreich) ein Verkehrsunfall, im Zuge dessen der Erstkläger und Erich Andreas B***** als Insassen des von der Erstbeklagten gelenkten PKW Marke VW erheblich verletzt wurden. Das Fahrzeug war zum damaligen Zeitpunkt auf den Zweitbeklagten zugelassen, die Drittbeklagte ist Haftpflichtversicherer.

Mit der am 11.11.1991 eingelangten Klage begehrte Michael A***** (Erstkläger) die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für sämtliche Folgen aus dem Verkehrsunfall, die Drittbeklagte beschränkt bis zur Höhe der vereinbarten Haftpflichtversicherungssumme. Mit Schriftsatz vom 28.4.1992 machte er zusätzlich ein Leistungsbegehren in der Höhe von S 931.210,-- geltend, wobei er für beschädigte Kleider S 6.000,--, an Verdienstentgang S 57.410, an Schmerzengeld S 700.000,--, für Entstellungsschäden S 100.000,--, an Pflegekosten S 55.000,--, an Besucherkosten S 8.000,-- sowie für unfallskausale Fahrten S 4.800,-- begehrte.

Der Erstkläger brachte dazu vor, die Erstbeklagte habe den Unfall dadurch verschuldet, daß sie sich während des Lenkens des Fahrzeuges von ihrer Beifahrerin eine Zigarette habe übergeben lassen; dadurch sei ihre Aufmerksamkeit herabgesetzt worden, sodaß sie die Herrschaft über das Fahrzeug verloren habe. Der Erstkläger, der damals Schüler der Erstbeklagten gewesen sei, sei von ihr, wie auch andere Mitschüler, zu einem Ausflug an den Stausee O***** eingeladen worden, es habe sich dabei um eine reine Privatfahrt gehandelt.

Die Zweitklägerin begehrt den Ersatz der von ihr an den Erstkläger und Erich Andreas B***** erbrachten unfallskausalen Leistungen in der Höhe von insgesamt S 153.040,53 gemäß § 332 ASVG sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für alle Pflichtaufwendungen welche die Zweitklägerin aus Anlaß des Verkehrsunfalles vom 26.6.1989 den Versicherten Michael A***** und Erich Andreas B***** zu erbringen habe. Die Zweitklägerin stützte ihr Klagebegehren auch darauf, daß die Erstbeklagte grobe Fahrlässigkeit treffe.

Die erst- und drittbeklagte Partei wendeten ein, es habe sich bei der Fahrt, bei der der Erstkläger verletzt wurde, um keine Privatfahrt gehandelt, sondern um eine Fahrt im Rahmen des Schulbetriebes; grob fahrlässiges Verhalten der Erstbeklagten wurde bestritten. Gemäß § 333 Abs 4 ASVG sei die Haftung ausgeschlossen zumal der Kläger gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit h ASVG versichert gewesen sei.

Der Zweitbeklagte bestritt, Halter des Fahrzeuges gewesen zu sein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend traf es im wesentlichen folgende Feststellungen:

Der Verkehrsunfall ereignete sich am 26.6.1989, wenige Tage vor Schulschluß. Der Kläger war Schüler einer Expositur einer Sonderschule in E*****, die Erstbeklagte war dort Lehrerin. Die Expositur dient der Betreuung auffälliger Kinder in Kleingruppen; im Sommer 1989 wurde die Expositur aufgelöst. Der Schulbetrieb erfolgte in der Form, daß eine Klasse von vier Schülern von je zwei Lehrern betreut wurde; der Unterricht gestaltete sich aufgrund der verhaltensauffälligen Kinder zum Teil schwierig, es war im Sinne der Schulleitung, daß die Lehrkräfte spontane Entscheidungen bezüglich der Gestaltung der Unterrichtsstunden faßten, darunter auch die Abhaltung von Ausflügen. Ausflüge mit den Schülern sind in diesem Sonderschulbereich aus pädagogischen Gründen wünschenswert, da soziale Beziehungen geübt und durchlebt werden können. Der Expositur E***** stehen Schulbusse zur Verfügung deren Bedarf ein bis zwei Tage vorher angemeldet werden muß. Die Schulleitung wies die Lehrer strikte an, für schulische Unternehmungen keine Privatfahrzeuge zu benützen.

Am Unfallstag waren von insgesamt 15 Schülern der gesamten Schule lediglich sechs anwesend. Der Direktor der Schule war an diesem Tag auf einer Tagung, er beauftragte die Zeugin Eva K***** in seiner Abwesenheit Telefonate und dgl zu koordinieren. Die Schulbusse standen an diesem Tag nicht zur Verfügung.

Am Unfallstag waren in der Schule die Lehrkräfte L*****, W*****, I***** und die Erstbeklagte anwesend. Die Erstbeklagte und die Lehrerin W***** hatten gemeinsam eine Schulklasse zu betreuen, die an diesem Tag mit lediglich einem Schüler besetzt war. Die Lehrkräfte beschlossen bereits am Morgen anläßlich des Frühstücks, mit den anwesenden Schülern einen Schulausflug zu unternehmen. Da der Schulbus nicht zur Verfügung stand, beschlossen sie, private Fahrzeuge zu verwenden. Eine Verständigung des Dienstvorgesetzten erfolgte nicht, da den Lehrkräften bekannt war, daß die Direktorin der Sonderschule E***** sowie deren Stellvertreterin nicht anwesend waren. Mit Ausnahme der Lehrerin I*****, die im Schulgebäude verbleiben sollte, um schulfremde Personen zu empfangen, nahmen alle an diesem Tag anwesenden Lehrer an dem Ausflug teil. Es wurden zwei Privatfahrzeuge benutzt, wobei eines von Frau L*****, das andere von der Erstbeklagten gelenkt wurde. Im Wagen der Erstbeklagten fuhren die Zeugin W***** sowie drei Schüler, darunter der Erstkläger. Ausflugziel war der Stausee O*****. Der Ausflug wurde insbesondere deswegen unternommen, da der Schulschluß und auch die Räumung des Gebäudes - Umstände die die Schüler emotionell belasten hätten können - bevorstand und aufgrund der angesagten Besucher Unruhe zu erwarten war. Ziel des Ausfluges war es, gemeinsam mit den Schülern etwas zu unternehmen, den wechselseitigen Kontakt zu fördern und allenfalls Sport zu betreiben.

Die Fahrt erfolgte während der Dienstzeit der Lehrer und während der Schulzeit der Schüler. Der Ausflug wurde nicht vom Stadtschulrat als Schulausflug genehmigt.

Der Unfall ereignete sich gegen 9:15 Uhr; die Fahrbahn war trocken, es herrschte Tageslicht. Die Erstbeklagte lenkte das Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h. Am Beifahrersitz befand sich die Zeugin W*****; sie reichte der Erstbeklagten eine bereits angezündete Zigarette. Während sich die Erstbeklagte nach rechts wendete, um die Zigarette zu ergreifen, drehte sie unbewußt das Lenkrad mit der anderen Hand nach rechts mit, wodurch der Wagen mit den rechten Rädern auf das Straßenbankett und die daran anschließende Grasfläche geriet. Als die Erstbeklagte dies merkte, leitete sie eine Notbremsung ein und verriß das Fahrzeug nach links. Dadurch geriet der Wagen ins Schleudern, gelangte auf die linke Fahrbahnhälfte und eine links der Fahrbahn gelegene Wiese, wo er sich mehrmals überschlug.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht eine Haltereigenschaft des Zweitbeklagten. Hinsichtlich der erst- und drittbeklagten Partei vertrat es die Ansicht, daß die Fahrt im Rahmen der der Erstbeklagten obliegenden Lehraufgaben erfolgt sei, sodaß gemäß § 1 AHG keine Haftung gegeben sei. Unter dem Blickwinkel des § 333 Abs 4 ASVG scheide eine Haftung der Erstbeklagten für jene Schäden, die mit der Körperverletzung einhergehen, aus. In jenem Ausmaß, als gegen die Erstbeklagte keine Ersatzansprüche geltendgemacht werden könnten, sei auch eine Haftungsgrundlage der drittbeklagten Partei nicht gegeben. Das Vorliegen grober Fahrlässigkeit wurde vom Erstgericht verneint.

Das von den klagenden Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung hinsichtlich der Abweisung der gegen den Zweitbeklagten gerichteten Klagebegehren samt der den Zweitbeklagten betreffenden Kostenentscheidungen (je ein Drittel der zugesprochenen Kosten) als Teilurteil. Im übrigen wurde das angefochtene Urteil samt der die erst- und drittbeklagte Partei betreffenden Kostenentscheidungen (je ein Drittel) aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig geklärt.

Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht betreffend die Haftung der erst- und drittbeklagten Partei aus, ein Haftungsausschluß nach § 1 AHG sei zu verneinen, weil das Organ, das einen Verkehrsunfall verschuldete und der Halter des am Unfall beteiligten Fahrzeuges dem Geschädigten selbst hafteten. Ein Haftungsausschluß nach § 1 AHG komme nur dann in Frage, wenn das Organ den Unfall mit einem Kraftwagen der Dienstbehörde verschuldete.

Weiter sei zu prüfen, ob ein Haftungsausschluß nach den Bestimmungen des ASVG zum Tragen komme, wobei die Fassung vor der 48. ASVG Nov maßgeblich sei.

Gemäß § 333 Abs 1 ASVG sei der Dienstgeber dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper (dies gelte also nicht für Sachschäden) infolge eines Arbeitsunfalles oder durch eine Berufskrankheit entstanden sei, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall (die Berufskrankheit) vorsätzlich verursacht habe. Nach § 333 Abs 4 ASVG gelte dies auch für Ersatzansprüche Versicherter und ihrer Hinterbliebenen gegen gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter des Unternehmens und gegen Aufseher im Betrieb. Nach § 334 Abs 1 ASVG habe der Dienstgeber oder ein im gemäß § 333 Abs 4 Gleichgestellter, der den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verursachte, den Trägern der Sozialversicherung alle nach diesem Bundesgesetz zu gewährenden Leistungen zu ersetzen. Gemäß § 335 Abs 3 ASVG stehe bei den gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit h in der Unfallversicherung Teilversicherten für die Anwendung der §§ 333 und 334 der Träger der Einrichtung, in der die Ausbildung erfolgt, dem Dienstgeber gleich. Es sei daher zu untersuchen, ob der Unfall des Klägers als Arbeitsunfall zu qualifizieren sei.

Hiezu bestimme § 175 Abs 4 ASVG, daß in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit h und i ASVG Arbeitsunfälle solche Unfälle seien, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Schul (Universitäts)ausbildung ereigneten. Gemäß Abs 5 des § 175 ASVG "gelten" in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit h und i als Arbeitsunfälle auch solche Unfälle, die sich ereigneten:

1. bei der Teilnahme an Schulveranstaltungen im Sinne der §§ 1 und 2 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst BGBl Nr 369/1974, an gleichartigen Schulveranstaltungen an anderen vom Geltungsbereich der zitierten Verordnung nicht erfaßten Schularten, sowie an schulbezogenen Veranstaltungen gemäß § 13 a des Schulunterrichtsgesetzes BGBl Nr 472/1986.

Die zum Unfall führende Ausflugsfahrt könne nicht unter § 175 Abs 4 ASVG subsumiert werden, weil dann, wenn jede unter Aufsicht eines Lehrers vorgenommene Ausflugsfahrt im zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Schulausbildung stünde, es der Sonderbestimmung des § 175 Abs 5 ASVG nicht bedurft hätte.

§ 1 der zum Unfallszeitpunkt geltenden Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 24.6.1974 BGBl Nr 369 regle im Detail, welche Schulveranstaltungen durchzuführen seien; darunter fielen auch Lehrausgänge. § 2 bestimme, welche Schulveranstaltungen nach vorheriger Zustimmung der Schulbehörde erster Instanz durchgeführt werden könnten. Hiezu gehörten auch Exkursionen. Als Lehrausgang im Sinne des § 1 Z I der Verordnung könne die Ausflugsfahrt nicht bezeichnet werden; eine Subsumtion unter dem Begriff Wandertag (Z II) scheitere daran, daß die weitere Voraussetzung (Verwendung von stundenplanmäßigem Unterricht im Höchstmaß von je einem Schultag) weder behauptet worden, noch sonst im Verfahren hervorgekommen sei. Die Anwendung des § 2 der Verordnung scheitere am Fehlen der vorher einzuholenden Zustimmung der Schulbehörde. Es handle sich dabei nicht um einen unbeachtlichen Formfehler. Eine ohne vorherige Zustimmung der Schulbehörde abgehaltene Veranstaltung sei keine Schulveranstaltung iSd § 2 der Verordnung. Mangels entsprechender Erklärung sei die Ausflugsfahrt auch keine schulbezogene Veranstaltung iSd § 13 a SchUG.

Der vom Erstkläger erlittene Unfall sei daher kein Arbeitsunfall iSd § 175 ASVG und demnach auch nicht iSd § 333 Abs 1 ASVG, so daß die Haftungsbeschränkungen dieser Gesetzesbestimmung sowie jene des § 334 Abs 1 ASVG nicht zur Anwendung kämen.

Da das Erstgericht keine Feststellungen zur Höhe des Klagebegehrens und zur Berechtigung des Feststellungsbegehrens getroffen habe, sei die Entscheidung aufzuheben.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde zugelassen, weil zu den hierzu entscheidenden Rechtsfragen keine gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung vorhanden sei.

Dagegen richtet sich der Rekurs der erst- und drittbeklagten Parteien mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß den Berufungen der klagenden Parteien nicht Folge gegeben werde; in eventu wird beantragt, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß der Berufung der zweitklagenden Partei keine Folge gegeben und der Berufung der erstklagenden Partei nur teilweise Folge gegeben werde und das Urteil des Erstgerichtes insoweit aufgehoben werde, als dieses das Klagebegehren hinsichtlich des Sachschadens von S 6.000,--, der Besucherkosten von S 8.000,-- und der unfallskausalen Fahrten von S 4.800,-- abgewiesen habe; hilfsweise wird weiters beantragt, dem Erstkläger einen gemäß § 273 ZPO auszumittelnden Ersatzbetrag für Sachschaden, Besucherkosten und unfallskausalen Fahrten zuzuerkennen und schließlich in eventu ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagenden Parteien haben Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der erst- und drittbeklagten Partei nicht Folge zu geben; der Erstkläger hat auch beantragt, den Rekurs der beklagten Parteien als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel der erst- und drittbeklagten Partei ist zulässig, weil das Berufungsgericht - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; der Rekurs ist im Sinne seines ersten Eventualantrages auch berechtigt.

Die erst- und drittbeklagte Partei vertreten in ihrem Rechtsmittel unter anderem die Ansicht, bei dem vom Erstkläger erlittenen Unfall handle es sich um einen Arbeitsunfall iSd § 175 ASVG. Bei der Beurteilung der Frage des Vorliegens eines Arbeitsunfalles sei darauf abzustellen, ob sich die Tätigkeit, welche zum Unfall führte, "als Ausübung der Rolle des Schülers" darstelle. § 175 Abs 1 ASVG sei als Generalklausel zu werten, die weiteren beschriebenen Sondertatbestände als Klarstellung. Die vom Berufungsgericht vorgenommene restriktive Interpretation der einschlägigen Bestimmungen des ASVG würde einen Bruch mit dem bei den Erwerbstätigen und bei den Hilefeleistenden verwirklichten Grundlinien des Versicherungsschutzes darstellen, welcher - entgegen den erklärten Zielen des Gesetzgebers - Schüler nicht den Erwerbstätigen gleichstellen, sondern diskriminieren würde. Bei dieser Rechtslage erscheine es schon unrichtig, die Ermangelung einer vorherigen Zustimmung der Schulbehörde zum Anlaß zu nehmen, das Vorliegen einer Schulveranstaltung iSd § 175 Abs 5 ASVG zu verneinen. Richtigerweise sei eine Wertung vorzunehmen, ob eine bestimmte Tätigkeit noch als Ausfluß der Versicherten Eigenschaft anzusehen sei, oder ob eigenwirtschaftliche Motive im Vordergrund stünden. Bei der vorliegenden Sachlage stelle sich die gegenständliche Fahrt zweifellos als Ausübung des funktionellen "Lehrer-Schüler-Verhältnisses" (auch) im Rahmen der Vollziehung des Schulunterrichtsgesetzes dar, könne doch nicht gesagt werden, daß private oder eigenwirtschaftliche Motive insoweit im Vordergrund gestanden wären. Die Teilnahme an der Fahrt durch den Erstkläger stelle sich daher auch als Erfüllung seiner ihm durch das Schulunterrichtsgesetz auferlegten Verpflichtungen dar. Jedenfalls sei aber vom Vorliegen einer schulbezogenen Veranstaltung iSd § 13 a SchUG auszugehen, ohne daß es entsprechender zusätzlicher Erklärungen bedurft hätte. Selbst wenn man aber das Vorliegen einer Schulveranstaltung leugnen würde, könnte daraus nicht abgeleitet werden, daß für die gegenständliche Fahrt, das Vorliegen eines Arbeitsunfalles iSd § 175 ASVG verneint werden müßte; ein Arbeitsunfall würde auch dann vorliegen, wenn nicht einmal eine schulbezogene Veranstaltung anzunehmen wäre. Bejahe man aber, das Vorliegen eines Arbeitsunfalles, könne die Anwendung des Haftungsprivilegs der §§ 333 f ASVG nicht mehr zweifelhaft sein. Zu Unrecht habe das Berufungsgericht den Unfall nicht als Arbeitsunfall beurteilt und daher die Regelungen der §§ 333 f ASVG nicht angewendet.

Letztlich sei auch der Haftungsausschluß nach § 1 AHG gegeben, was der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 14 Os 27/91 auch ausgesprochen habe.

Die Ausführungen sind jedenfalls zum Teil zutreffend.

Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß auf den vorliegenden Rechtsfall das ASVG in seiner Fassung vor der 48. Novelle (BGBl NR 642/1989) Anwendung findet.

Gemäß § 333 Abs 1 ASVG ist der Dienstgeber dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper, infolge eines Arbeitsunfalles entstanden ist, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht hat. Gemäß Abs 4 gilt dies auch für Ersatzansprüche Versicherter und ihrer Hinterbliebenen gegen gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter des Unternehmens und gegen Aufseher im Betrieb. Nach § 334 Abs 1 ASVG hat der Dienstgeber oder ein im gemäß § 333 Abs 4 Gleichgestellter im Falle der Verursachung des Arbeitsunfalles durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit den Trägern der Sozialversicherung alle nach diesem Bundesgesetz zu gewährenden Leistungen zu ersetzen. Gemäß § 335 Abs 3 ASVG steht bei den gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit c, h und i in der Unfallversicherung Teilversicherten für die Anwendung der §§ 333 und 334 der Träger der Einrichtung, in der die Ausbildung erfolgt, dem Dienstgeber gleich. Auf Grund der im Unfallszeitpunkt geltenden Fassung des § 333 Abs 3 ASVG ist das Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 bzw Abs 4 dann nicht anzuwenden, wenn der Geschädigte bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr verletzt wurde. Von einer solchen Teilnahme am allgemeinen Verkehr kann aber nur dann gesprochen werden, wenn sich der Unfall außerhalb des betrieblichen Geschehens ereignet hat, die Beteiligten nicht in Ausübung des Dienstes handelten und der Unfall nicht im örtlichen, zeitlichen oder ursächlichen Zusammenhang mit der Beschäftigung des Verletzten stand (JBl 1985, 565). Ein derartiger Zusammenhang ist im vorliegenden Fall aber gegeben, sodaß der Ausschluß des Haftungsprivilegs nicht zum Tragen kommt.

Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist daher zu prüfen, ob ein Arbeitsunfall vorliegt. Diesbezüglich bestimmt § 175 Abs 4 ASVG, daß in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit h und i Arbeitsunfälle solche Unfälle sind, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründeten Schul (Universitäts)ausbildung ereignen. Unfallversicherung bestand für den Kläger gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit h ASVG. Gemäß § 175 Abs 5 ASVG gelten in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit h und i als Arbeitsunfälle auch Unfälle die sich ereignen, bei der Teilnahme an Schulveranstaltungen iSd §§ 1 und 2 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst, BGBl Nr.369/1974, sowie an schulbezogenen Veranstaltungen gemäß § 13 a SchUG. Der Schulbesuch und der Besuch von Universitäten sollten damit im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung der beruflichen Ausbildung gleichgestellt und auf diese Weise ein durchgehender Versicherungsschutz von der Schule bis zum Betrieb, von der lernenden bis zur beruflichen Tätigkeit erreicht werden (RV 32. Novelle 181 Blg Nr 14. GP 52). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist der Schutzbereich im § 175 Abs 4 ASVG analog 175 Abs 1 ASVG generalklauselartig in der Weise umschrieben, daß er die die Versicherung begründende Schul (Universitäts)ausbildung umfaßt. Geschützt soll nach der Grundintention des Gesetzes jede Tätigkeit sein, die sich als Ausübung der Rolle des Schülers oder des Studenten darstellt (SSV-NF 2/23; ZAS 1992/6 [Winkler]). Diese Ansicht der Rechtsprechung entspricht auch weitgehend der Lehre (Tomandl, Das Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung 47; Firlei, Probleme des Schutzbereiches der Schüler- und der Studentenunfallversicherung, DRdA 1984, 98 ff, 107 f und 112; Wachter, Entscheidungsbesprechung ZAS 1983, 232 f). Gegenteilig sind lediglich die Ausführungen von Grillberger, Österreichisches Sozialrecht2, 58 der der gegenteiligen Judikatur des Oberlandesgerichtes Wien den Vorzug stärkerer Gesetzestreue einräumt. Der bloße Hinweis auf stärkere Gesetzestreue vermag aber die detaillierten Analysen der Rechtslage wie sie von Tomandl und Firlei (jeweils aaO) angestellt wurden, nicht zu entkräften, sodaß kein Anlaß besteht, von der obzitierten Rechtsprechung, insbesondere von der Rechtsansicht wie sie in der Entscheidung ZAS 1992/6 geäußert wurde, abzugehen.

Zu prüfen ist, daher im Sinne der zitierten Entscheidung, ob der Erstkläger an der zum Unfall führenden Fahrt in Ausübung der Rolle als Schüler teilgenommen hat. Dies ist zu bejahen, weil einerseits diese Fahrt in einer engen Beziehung zu der vom Erstkläger besuchten Sonderschule stand; derartige Ausflüge mit den verhaltensauffälligen Kindern sind aus pädagogischen Gründen wünschenswert, da soziale Beziehungen geübt und durchlebt werden können, die Fahrt erfolgte auch während der Schulzeit. Es kann nicht gesagt werden, daß die Fahrt überwiegend auf privaten (eigenwirtschaftlichen) Interessen des Erstklägers beruht hätte. Zum anderen kommt der von der Zweitbeklagten (Lehrerin des Erstklägers) ausgehenden Autorität und der Abhängigkeit des Erstklägers entscheidende Bedeutung zu (siehe Firlei, aaO 114 f). Es kann doch vom Erstkläger nicht erwartet werden, sich zu weigern, an der von den Lehrern beschlossenen Ausflugsfahrt teilzunehmen. Es liegen sohin sowohl die Elemente der Machtausübung durch die Zweitbeklagte als auch eine ausbildungsbezogene Tätigkeit des Schülers vor, sodaß der Schutzbereich der Versicherung gegeben ist (Firlei aaO). Daraus folgt, daß der erst- und drittbeklagten Partei die Haftungsprivilegien der §§ 333 f ASVG zugute kommen und nicht mehr weiter zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 175 Abs 5 Z 1 ASVG gegeben sind.

Die von der Zweitklägerin geltendgemachte grobe Fahrlässigkeit der Erstbeklagten (§ 334 Abs 1 ASVG) ist nach Ansicht des erkennenden Senates zu verneinen. Nach einheitlicher Rechtsprechung liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn sich das Verhalten des Schädigers aus der Menge der auch für den Sorgsamsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit heraushebt (SZ 61/280 mwN). Die Körperdrehung der Erstbeklagten um die von der Beifahrerin gereichte Zigarette zu übernehmen, könnte nur dann eine grobe Fahrlässigkeit begründen, wenn sie in einer Situation erfolgte, in der eine erhöhte Gefahr bestand (SZ 61/280). Dies ist aber im vorliegenden Fall zu verneinen; die Fahrbahn war trocken, es wurde eine Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h eingehalten.

Daraus folgt, daß der Zweitklägerin auch kein Schadenersatzanspruch nach § 334 Abs 1 ASVG zusteht, sodaß hinsichtlich der von ihr erhobene Klage Spruchreife im klagsabweisenden Sinne gegeben ist.

Gleiches gilt auch für die vom Erstkläger geltendgemachten Schäden, die ihm durch die Verletzung am Körper (§ 333 Abs 1 ASVG) entstanden sind, nicht aber für die Sachschäden (Bekleidung im Werte von S 6.000,-- Besucherkosten von S 8.000,-- und unfallskausale Fahrten von S 4.800,--). Insoweit erfolgte die Aufhebung der klagsabweisenden Entscheidung des Erstgerichtes zu Recht; die Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruches des Erstklägers sind hinsichtlich dieser Schäden grundsätzlich gegeben, zur Höhe fehlt es aber an Feststellungen.

Unrichtig ist die vom Erstgericht vertretene Ansicht, der erst- und drittbeklagten Partei käme der Haftungsausschluß gemäß § 1 AHG zugute. Nach ständiger Rechtsprechung haftet das Organ eines Rechtsträgers, das in Vollziehung der Gesetze mit seinem Kraftfahrzeug einen Verkehrsunfall herbeiführte, auch persönlich nach EKHG, wenn es Halter des Fahrzeuges ist (siehe Schragel, KommzAHG2, Rz 9 mwN). Die im Rekurs der Beklagten zitierte, in einem Strafverfahren ergangene, Entscheidung 14 Os 27/91 befaßt sich nicht ausdrücklich mit diesem Problem. Da die erstbeklagte Halterin des Fahrzeuges ist, kommt § 1 AHG daher nicht zur Anwendung.

Daß gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 333 ASVG keine Bedenken bestehen, hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen (ecolex 1991, 638 mwN).

Gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO konnte der Oberste Gerichtshof in dem Umfang, in dem Spruchreife gegeben ist, in der Sache selbst durch Urteil im klagsabweisenden Sinn erkennen.

Der Kostenvorbehalt hinsichtlich des Erstklägers gründet sich auf § 52 ZPO, die Entscheidung über die Kosten der Zweitklägerin auf die §§ 41, 50 ZPO.

Die angemessenen Kosten der erst- bis drittbeklagten Partei für die Beantwortung der Berufung der zweitklagenden Partei betragen S 9.122,49 (darin enthalten USt von S 1.520,41, keine Barauslagen). Hievon entfallen auf die erst- und drittbeklagte Partei 2/3, sohin S 6.081,66. Die Kosten der beklagten Parteien für die Berufungsverhandlung betragen S 20.325,33 (darin enthalten S 3.387,55 USt, keine Barauslagen) auf die erst- und drittbeklagte Partei entfallen hievon S 13.550,22. Der Streitwert hinsichtlich der Berufungsverhandlung betrug insgesamt S 1,495.250,50 wovon S 214.040,53, sohin 14 % auf die zweitklagende Partei entfielen (siehe M.Bydlinki, Prozeßkostenersatz, 386), was einen Betrag von S 1.897,-- ergibt. Daraus ergibt sich eine Kostenersatzpflicht der zweitklagenden Partei gegenüber der erst- und drittbeklagten Partei für das Berufungsverfahren in der Höhe von S 7.978,66.

Die Kosten der erst- und drittbeklagten Partei für den Rekurs an den Obersten Gerichtshof betragen S 71.946,12 (darin enthalten S 3.991,02 USt, keine Barauslagen). Hievon entfallen 14 % auf die zweitbeklagte Partei, was einen Betrag von S 10.722,46 ergibt.

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