OGH 2Ob152/04y

OGH2Ob152/04y5.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Maria N*****, und der Nebenintervenientin Mag. Gerda F*****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Franz B*****, vertreten durch WKG Wagner-Korp-Grünbart Rechtsanwälte GmbH, 4910 Ried im Innkreis, wegen EUR 13.000,- -, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 30. März 2004, GZ 3 R 10/04t-46, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der Nebenintervenientin das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 6. Oktober 2003, GZ 5 Cg 48/02i-39, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Klägerin vertrat den Beklagten rechtsfreundlich in verschiedenen Verfahren unter anderem wegen Ehescheidung.

Die damalige Kanzleigemeinschaft der Klägerin und der Nebenintervenientin legte am 8. 3. 2001 Kostennote für die Vertretung im Verfahren über die Ehescheidung, die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens und die Beratung in insolvenzrechtlichen Belangen im Gesamtbetrag von S 120.885,60 und ersuchte unter Berücksichtigung eines erliegenden Kostenvorschusses von S 52.000,-- um Überweisung des offenen Differenzbetrages von S 86.885,60 (richtig S 68.885,60).

Die Klägerin begehrte zunächst die Zahlung von S 68.885,60 und dehnte in der mündlichen Streitverhandlung vom 13. 3. 2003 (ON 30) das Klagebegehren auf EUR 13.000,-- aus. Für die Vertretung des Beklagten in allen Verfahren sei eine Gesamtforderung von S 272.031,40 berechtigt, wovon lediglich EUR 13.000,-- geltend gemacht würden.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Zwischen den Streitteilen sei ein bereits beglichenes Pauschalhonorar von S 50.000,-- vereinbart worden. Der Klägerin sei ein Anwaltsfehler vorzuwerfen, weil sie anlässlich des Scheidungsvergleiches auf ein dem Beklagten von seiner damaligen Ehefrau gewährtes Darlehen nicht Bezug genommen habe. Wäre der Beklagte von der Klägerin darüber aufgeklärt worden, dass die noch offenen Forderungen seiner ehemaligen Ehefrau nicht von der Scheidungsfolgenvereinbarung umfasst seien, hätte er diese Vereinbarung nicht geschlossen. Dem Beklagten sei dadurch ein Schaden von rund S 2,3 Mio entstanden, welcher Betrag hilfsweise kompensando gegen die Klageforderung eingewendet werde.

Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ohne Ausspruch über den Bestand der Gegenforderung ab.

Es erörterte - zusammengefasst - rechtlich, ein Rechtsanwalt hafte für den Fall der Unterlassung einer umfassenden Belehrung und Warnung über erkennbare Rechtsfolgen im Rahmen seiner Vertretungstätigkeit (hier der fehlenden Aufnahme einer Generalklausel in den Scheidungsfolgenvergleich bezogen auf das Darlehen der ehemaligen Ehefrau des Beklagten).

Die damalige Vertreterin der Klägerin hätte versuchen müssen, die Darlehensfrage in einem Generalvergleich unterzubringen, was bei einer großzügigen Regelung möglich gewesen wäre. Diese Unterlassung bewirke, dass der Honoraranspruch, was die Ehescheidung und die damit verknüpften Verfahren betreffe, verwirkt "bzw auch durch die Gegenforderung von rund S 3,7 Mio kompensiert" sei. Mit der Bezahlung von S 52.000,-- seien allenfalls zu Recht bestehende Leistungen der Klägerin im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren und einem Factoring-Prozess abgegolten. Die Klageausdehnung (ON 30) die von einem Streitwert (im Ehescheidungsverfahren) von S 10 Mio ausgehe, sei nicht nachvollziehbar, weil jegliche Bewertungsgrundlage fehle; es wäre daher von der ersten pauschalierten Kostennote, die auch Gegenstand des ursprünglichen Klagebegehrens gewesen sei, auszugehen, in der die Klägerin ohne Bedingungen ihre Leistung hinsichtlich der Ehescheidung pauschal geltend gemacht habe. Das Klagebegehren sei daher wegen Wertlosigkeit der erbrachten Leistung abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin und ihrer Nebenintervenientin Folge, hob das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Rekurs zulässig sei.

Das Berufungsgericht gab die Rechtsprechung zum Entfall des Entgeltes eines Rechtsanwaltes wegen Wertlosigkeit seiner Geschäftsbesorgungsleistungen wieder (RIS-Justiz RS0038663) und hielt fest, von einer völligen Wertlosigkeit der von der Klägerin erbrachten Leistungen könne auch im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren keine Rede sein, weil es tatsächlich zu einer einvernehmlichen Scheidung der Ehe des Beklagten und zu einer Beendigung des Scheidungsverfahrens gekommen sei. Selbst dann, wenn der Kanzleipartnerin der Klägerin im Zuge der Scheidungsverhandlung eine schuldhafte Verletzung der ihr nach § 9 RAO, § 1009 ABGB obliegenden Verpflichtung, die übernommene Vertretung dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte des eigenen Mandanten gegen jedermann mit Eifer, Treue und gewissenhaft zu vertreten, anzulasten wären, könnte dies nicht zum Verlust des Honoraranspruches für die dennoch keineswegs völlig wertlose Vertretung führen. Der Vertreterin der Klägerin könne aber auch eine Verletzung dieser anwaltlichen Pflichten nicht angelastet werden, weil sich der damalige Vertreter der Ehefrau des Beklagten unmissverständlich geweigert habe, die Frage des offenen Darlehens in den Scheidungsfolgenvergleich miteinzubeziehen. Es sei für die Vertreterin auch nicht erkennbar gewesen, dass es trotz der unmissverständlichen Antwort des Gegenvertreters einer ausdrücklichen Belehrung des Beklagten über den selbstverständlichen Umstand bedurft habe, dass die von seiner Ehefrau behauptete Darlehensforderung durch den Scheidungsvergleich nicht berührt werde. Die Aufnahme einer Generalklausel in den Scheidungsfolgenvergleich sei nicht erzwingbar gewesen.

Allerdings fehlten Feststellungen zur Beurteilung der Höhe des angemessenen Honoraranspruches. Die Honorarnote eines Rechtsanwaltes stelle lediglich eine Einmahnung nach § 1417 ABGB dar, weshalb der Rechtsanwalt an die Höhe des beanspruchten Honorars auch dann nicht gebunden sei, wenn er es ohne jeden Vorbehalt bekannt gegeben habe, weshalb er im Falle der Nichtbegleichung auch eine höhere, angemessene Entlohnung fordern könne, möge auch der Rechtsanwalt aus standesrechtlichen Erwägungen von einem deutlich gewährten Nachlass nicht mehr abgehen dürfen.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil es an einer neueren Rechtsprechung zu den Rechtswirkungen bzw der Rechtsnatur der Honorarnote über rechtsanwaltliche Leistung fehle; einerseits werde die Meinung vertreten, es stehe dem Anwalt frei, auch mehr einzuklagen, wenn der Klient die aus der übermittelten Honorarnote ersichtliche Kostenforderung nicht anerkenne (3 Ob 142/30) andererseits jedoch der Standpunkt eingenommen, dass der Rechtsanwalt an die Höhe des ohne Vorbehaltes bekannt gegebenen Honorars gebunden sei (2 Ob 312/29).

Dagegen richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Klägerin und die Nebenintervenientin beantragen, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig; der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend.

Das Berufungsgericht hat ausführlich die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage wiedergegeben, in welchen Fällen es einem Rechtsanwalt verwehrt ist, Honorar zu begehren oder er in Gefahr läuft Schadenersatzansprüchen ausgesetzt zu sein, wenn er seine gemäß § 9 RAO, § 1009 ABGB obliegende Verpflichtung, übernommene Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und gewissenhaft zu vertreten, verletzt hat (vgl 2 Ob 224/97y = RdW 1999/651; 4 Ob 83/02p = AnwBl 2002, 565 = EvBl 2002/144 = RdW 2002, 528 uva).

Unter welchen Voraussetzungen aber ein Rechtsanwalt infolge völliger Wertlosigkeit seiner Tätigkeit seinen Honoraranspruch "verwirkt" hat, kann nur auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

Soweit sich daher der Rekurs ausführlich mit der angeblichen Fehlleistung der Vertreterin der Klägerin auseinandersetzt, zeigt sie keine über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf. Die Frage, ob der Rechtsanwalt beim Aushandeln eines Vergleiches nach der Weigerung des Gegners, in den Vergleich bestimmte Forderungen einzubeziehen, zur Erfüllung seiner Pflicht, seinen Auftraggeber mit Eifer, Treue und gewissenhaft zu vertreten, gehalten ist, weitere Versuche zu unternehmen, auch diese Forderung einer Regelung zuzuführen, hängt immer nur von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Beurteilung durch das Berufungsgericht, dass die Klägerin (ihre Vertreterin) nicht erkennen musste, dass die Weigerung des Gegenvertreters nicht ernst gemeint war, ist durchaus vertretbar.

Auch die in der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichtes aufgezeigt uneinheitliche Judikatur liegt nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar in der Entscheidung 2 Ob 312/29 (AnwZ 1929, 258) ausgesprochen, ein Anwalt könne keinen höheren Betrag verlangen, wenn er die Höhe seiner Kosten ohne jeden Vorbehalt bekanntgegeben habe, auch wenn die Partei mit dem bekannt gegebenen Betrage nicht einverstanden sei, ist aber von dieser Rechtsmeinung bereits in der Entscheidung 3 Ob 142/30 (MittWO 1930, 30) abgerückt und hat diese jüngere Rechtsmeinung aufrecht erhalten (6 Ob 154/75, 1 Ob 635/79, 5 Ob 452/59 = EvBl 1960/6). Ebenfalls wurde bereits ausgesprochen, dass in der Bekanntgabe eines bestimmten Honorars in einer Rechnung ein Anbot des Unternehmers liegen könne, sich mit diesem Betrag begnügen zu wollen, falls der Besteller das Anbot annimmt, dass aber der Unternehmer an die von ihm ausgestellte Rechnung ebenfalls dann nicht mehr gebunden ist, wenn der Besteller das Anbot nicht annimmt (SZ 63/115 = ecolex 1990, 676 = JBl 1991, 192).

Die in der Entscheidung 2 Ob 319/29 ausgesprochene Rechtsansicht ist daher vereinzelt geblieben und wird seit dem Jahr 1930 nicht mehr vertreten.

Das Berufungsgericht hat daher die von ihm dem Obersten Gerichtshof vorgelegte Rechtsfrage im Sinne der ständigen Rechtsprechung und Lehre (vgl Rebhahn in Schwimann ABGB3 § 1170 Rz 8; Krejci in Rummel ABGB3 1170 Rz 12a) gelöst. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO liegt daher nicht vor.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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