OGH 2Ob147/22i

OGH2Ob147/22i27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei B*, vertreten durch Mag. Dieter Niederhumer, LL.M., Rechtsanwalt in Linz, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei I*, vertreten durch Gloyer Dürnberger Mayerhofer Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 70.000 EUR sA über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. Februar 2022, GZ 3 R 10/22v‑52, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00147.22I.0927.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] DerKläger begehrt als Käufer der von der Beklagten um 190.000 EUR erworbenen Liegenschaft 70.000 EUR Preisminderung, weil die Beklagte die baubehördliche Bewilligung für ein auf der Liegenschaft konsenslos errichtetes Gebäude entgegen ihrer kaufvertraglichen Zusage nicht bis zum vereinbarten Zeitpunkt nach Übergabe beigebracht habe.

[2] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Beklagte habe lediglich die Übergabe eines einer baubehördlichen Bewilligung zugänglichen Objekts, nicht aber das Vorliegen einer Baubewilligung zum Zeitpunkt der Übergabe geschuldet. Ein gewährleistungsrechtlicher Preisminderungsanspruch scheide daher mangels Vorliegens einer Vertragswidrigkeit des Kaufgegenstands zum Zeitpunkt der Übergabe aus. Dass die Bewilligung letztlich trotz Zurverfügungstellung eines – mit geringfügigen Änderungen bewilligungsfähigen – Einreichplans durch die Beklagte unterblieben sei, sei auf die Zurückziehung des Bauansuchens durch den Kläger und nicht auf vertragswidriges Verhalten der Beklagten zurückzuführen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[4] 1. Welche konkreten Eigenschaften bzw welche Verwendungsmöglichkeit die versprochene Leistung haben muss, ergibt sich aus dem Vertrag (RS0126729). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit der Sache ist grundsätzlich der Zeitpunkt der tatsächlichen Übergabe, es sei denn, die Gefahr wäre schon vorher auf den Erwerber übergegangen. Der Mangel muss im maßgeblichen Zeitpunkt zumindest bereits latent (= seiner Anlage nach) vorhanden gewesen sein (RS0018498 [T5, T6]). Erst künftig herzustellende Eigenschaften können folglich keine Eigenschaften oder Verwendungsmöglichkeiten bilden, für die nach Gewährleistungsrecht einzustehen wäre (RS0018498 [T3]). Das Fehlen der vertragsgemäß erst nach Übergabe beizubringenden baubehördlichen Genehmigung zum Übergabezeitpunkt begründet daher keinen gewährleistungsrechtlich relevanten Mangel. Dass das auf der Liegenschaft errichtete Gebäude nicht bewilligungsfähig gewesen und daher deshalb ein – zumindest seiner Anlage nach vorhandener – Mangel vorgelegen wäre, trifft nach den Feststellungen gerade nicht zu.

[5] 2. Mangels Vorliegens einer gewährleistungsrechtlich relevanten Vertragswidrigkeit im Übergabezeitpunkt kommt es nicht darauf an, ob die vertraglich vereinbarte Haftung der Beklagten für das Vorliegen der baubehördlichen Genehmigung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Vertragsabschluss als (vorweggenommene) Einräumung einer angemessenen Verbesserungsfrist anzusehen ist, bei deren fruchtlosem Verstreichen Preisminderung verlangt werden kann, oder ob triftige in der Person des Übergebers liegende Gründe einen Umstieg auf die sekundären Gewährleistungsbehelfe rechtfertigen.

[6] 3. Soweit der Kläger argumentiert, das Berufungsgericht hätte ihn mit der Rechtsansicht überrascht, für die nachträgliche Verschaffung der Baubewilligung komme Gewährleistungsrecht nicht zur Anwendung, unterlässt er es, die Relevanz des insoweit behaupteten Verfahrensverstoßes durch Darlegung jenes Vorbringens aufzuzeigen, das er bei Erörterung erstattet hätte (RS0037095 [T4, T19]; RS0120056 [T8]). Die Behauptung, für ihn sei Vertragsgegenstand zwar ein konsenslos errichteter, aber – in Kürze – genehmigungsfähiger Bungalow gewesen, entspricht ohnehin der Rechtsansicht der Vorinstanzen.

[7] 4. Wenn die Revision im Zusammenhang mit allfälligen Schadenersatzansprüchen argumentiert, dem von der Beklagten beigezogenen Planer habe die Unmöglichkeit der Erlangung einer Baubewilligung bekannt sein müssen, sodass der Beklagten sorgfaltswidriges Verhalten anzulasten sei, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, nach dem eine nachträgliche baubehördliche Bewilligung möglich gewesen wäre. Eine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge liegt daher insoweit nicht vor (RS0043312).

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