Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Kläger betreiben gemeinsam in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes die - nicht in das Firmenbuch eingetragene - Werbeagentur „S***** C*****". Nachdem die Kläger einen Auftrag für den Entwurf und die Produktion von Papierttragetaschen erhalten hatten, bestellten sie 2003 bei der beklagten GmbH, einem Druckereiunternehmen, 5.000 Papiertragetaschen mit Aufdruck. Nach Lieferung einer ersten Teilmenge der Papiertragetaschen direkt an den Abnehmer (Vertragspartner der Kläger) im August 2003 beanstandete dieser gegenüber den Klägern die im Vergleich zum Vorgängermodell geringere Reißfestigkeit der Tragtaschen. Es steht nicht fest, dass die Kläger daraufhin im zeitlichen Nahebereich eine entsprechende Mängelrüge an die Beklagte weitergeleitet hätten. Im Februar 2004 übernahm ein Mitarbeiter der Beklagten drei eingerissene Tragtaschen zur Überprüfung. Im Mai 2004 kontaktierte der Erstkläger die Beklagte, die in der Folge 10 Kartons der Tragetaschen zur näheren Untersuchung abholen ließ. Verbesserungsmaßnahmen scheiterten an den divergierenden Standpunkten der Parteien: Die Beklagte bot die Verbesserung nur entgeltlich an, was weder die Kläger noch ihre Vertragspartnerin akzeptierten. Erstmals mit Schreiben vom 12. 5. 2005 übermittelten die Kläger eine schriftliche Reklamation. Die Kläger begehren aus dem Titel Gewährleistung und Schadenersatz EUR 8.629,28 sA und berufen sich zusammengefasst auf die Unbrauchbarkeit der Tragtaschen, die Verletzung der Warn- und Hinweispflicht durch die Beklagte, die fehlende Kaufmannseigenschaft der Kläger, die bei einer erheblichen Abweichung von der Bestellung nicht gegebene Verpflichtung zur Erhebung einer unverzüglichen Mängelrüge und letztlich einen nachträglichen Verzicht der Beklagten auf den Einwand der Verspätung der Mängelrüge.
Die Beklagte wendet - soweit für das Revisionsverfahren noch relevant - eine den Klägern als Kaufleuten anzulastende Verletzung der Rügeobliegenheit ein.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine Werbeagentur falle unter den handelsrechtlichen Gewerbebegriff, weshalb auch auf Seiten der Kläger ein Handelsgeschäft vorläge und diese zur Erhebung einer unverzüglichen Mängelrüge verpflichtet gewesen wären. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Es kam nach Einsicht in die Homepage „www.s*****.com" (ohne dies in der mündlichen Berufungsverhandlung mit den Parteien zu erörtern) zum Ergebnis, dass die „hochprofessionell", von den Klägern mit insgesamt sieben Mitarbeitern geführte und dreißig „teils namhafte und wirtschaftlich starke" Unternehmen betreuende Werbeagentur über einen kaufmännisch eingerichteten Gewerbebetrieb verfüge. Ein derartiges gewerbliches Unternehmen gelte bei Eintragung der Firma in das Firmenbuch als gewerbliches Unternehmen, auch wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs 2 HGB nicht vorliegen. Einer Beurteilung der Kläger als Kaufleute stehe zwar vordergründig die fehlende Eintragung iSd § 2 HGB entgegen; § 377 Abs 1 HGB sei aber dennoch gemäß § 5 HGB auf die Kläger anzuwenden, die durch die Präsentation ihres Unternehmens in der Öffentlichkeit den Bestand eines nach kaufmännischen Kriterien eingerichteten Betriebes deutlich erkennbar gemacht und das Vertrauen auf ihre Vollkaufmannseigenschaft geschaffen hätten. Mangels unverzüglicher Mängelrüge gelte die gelieferte Ware als genehmigt. Ein Verzicht auf den Einwand der fehlenden unverzüglichen Mängelrüge liege an Hand des Verhaltens der Beklagten, zwar Tragetaschen zur Untersuchung mitzunehmen, in der Folge aber eine unentgeltliche Verbesserung zu verweigern, nicht vor.
Den Zulässigkeitsausspruch begründete das Berufungsgericht mit fehlender höchstgerichtlicher Judikatur zu der Frage, „ob eine Internetpräsentation eines Unternehmens eine geeignete Grundlage für die Beurteilung deren Kaufmannseigenschaft bilde".
Die Kläger bekämpfen in ihrer wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision dieses Urteil mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren Folge zu geben, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt, weil das Berufungsgericht zu Unrecht die Kaufmannseigenschaft der Kläger und damit die Anwendbarkeit der Bestimmungen über die Rügeobliegenheit angenommen hat. Die unter den Anfechtungsgründen aufgezählten Revisionsgründe der Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit aufgezählten Revisionsgründe werden inhaltlich nicht ausgeführt, weshalb sie nicht zu behandeln waren.
Zutreffend verweist die Revision zunächst auf den nach der geltenden Rechtslage relevanten Unterschied zwischen einem Kaufmann nach § 1 HGB und einem solchen nach § 2 HGB. Diese Differenzierung ist derzeit noch aktuell, wird aber in naher Zeit durch das mit dem Handelsrechtänderungsgesetz (HaRÄG), BGBl I Nr 120/2005, geschaffene Unternehmensgesetzbuch (UGB) obsolet, dessen Bestimmungen über die Unternehmereigenschaft (§§ 1 bis 3) und über die unternehmensbezogene Rügepflicht (§ 377) nach der Übergangsbestimmung des § 906 Abs 14 mit 1. Jänner 2007 in Kraft treten, während auf Sachverhalte, die sich vor diesem Zeitpunkt ereignen haben, die bisher geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind.
Die Eigenschaft eines Kaufmanns nach § 1 HGB („Ist-Kaufmann") setzt den Betrieb der in Abs 2 leg cit taxativ aufgezählten (Straube in Straube HGB³ § 1 Rz 1a, 30) Grundhandelsgewerbe voraus; eine Voraussetzung, die bei einer Werbeagentur nicht zutrifft (vgl RIS-Justiz RS0061389) - wie auch das Berufungsgericht grundsätzlich zu Recht erkennt. Die Eigenschaft einer Werbeagentur als Kaufmann iSd § 2 HGB würde die in diesem Fall konstitutiv wirkende (Straube aaO § 2 Rz 7) Eintragung der Firma des Unternehmens in das Firmenbuch erfordern (vgl etwa 6 Ob 259/04p). Eine derartige Eintragung wurde von der für das Vorliegen der Kaufmannseigenschaft beweispflichtigen (RIS-Justiz RS0040052) Beklagten nicht behauptet, sie ist auch aus dem Firmenbuch nicht ersichtlich. Die Behandlung der Kläger als Kaufleute aufgrund des in § 5 HGB garantierten Vertrauensschutzes (Straube aaO § 5 Rz 3a f) muss ebenfalls an der fehlenden Eintragung scheitern.
Wie die Revision zu Recht geltend macht, steht einer Prüfung, ob die Kläger durch ihr Auftréten im Geschäftsverkehr bei ihrem Vertragspartner den für das Zustandekommen des Rechtsgeschäftes kausalen Rechtsschein ihrer Kaufmannseigenschaft (dazu Straube aaO § 5 Rz 15 f mit zahlreichen Nachweisen aus Lehre und Judikatur) geschaffen haben, das fehlende Vorbringen der Beklagten entgegen. Diese begnügte sich nämlich - soweit es die im Revisionsverfahren allein strittige Rechtstellung der Klägerin betrifft - mit dem lapidaren Hinweis, die Kläger seien Kaufleute (ON 3, ON 9 S 9) und begegnete dem ergänzenden, die Kaufmannseigenschaft verneinenden Vorbringen der Kläger, die bereits in der Klage auf ihre Stellung als Gesellschafter einer GesBR verwiesen hatten, mit einer substanzlosen Bestreitung. Die Ausführungen in der Revisionsbeantwortung, laut zweier vorgelegter Urkunden hätten die Kläger bereits 2003 eine kaufmännische Bezeichnung verwendet, zwei Mitarbeiter beschäftigt und über eine Homepage sowie großzügige Geschäftsräumlichkeiten verfügt, sind unzulässige Neuerungen, weil die Vorlage von Urkunden fehlende Tatsachenbehauptungen nicht ersetzen kann (RIS-Justiz RS0037915; RS0017844 [T2]).
Die - nach § 381 HGB auch für Werklieferungsverträge geltende - unverzügliche Rügeobliegenheit (§ 377 Abs 1 HGB) fordert das Vorliegen eines beiderseitigen Handelsgeschäftes, was hier mangels Kaufmannseigenschaft der Kläger eindeutig zu verneinen ist. Somit reduziert sich die rechtliche Beurteilung auf die Frage einer analogen Anwendung der Bestimmungen der §§ 377 f HGB auf Nichtkaufleute. Während in der Lehre diese Frage kontroversiell beantwortet wird (Nachweise bei Kramer in Straube aaO §§ 377, 378 Rz 7), lehnt die bisherige dieses Problem behandelnde höchstgerichtliche Judikatur eine analoge Anwendung auf einseitige Handelsgeschäfte mit dem Argument ab, bei einer vom Gesetzgeber nur für zweiseitige Handelsgeschäfte getroffenen Sonderregelung wäre es nicht gerechtfertigt, den Schutz des Verkäufers auf Nichtkaufleute auszudehnen (3 Ob 48/73 = JBl 1974, 264 = RZ 1973/515; 3 Ob 532/76 = JBl 1977, 543; RIS-Justiz RS0008936). Dieses Argument hat nach der Ansicht des erkennenden Senates nicht an Aktualität verloren, zumal auch die zukünftigen Regelungen des UGB als Sonderrecht konzipiert sind und nur der persönliche Anwendungsbereich nicht mehr auf den Kaufmannsbegriff, sondern auf die Unternehmereigenschaft abstellt. Da eine Rügepflicht somit nach derzeitiger Rechtslage ausscheidet, erweist sich der von den Vorinstanzen herangezogene Abweisungsgrund als nicht tragfähig. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche zu überprüfen haben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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