OGH 2Ob138/17h

OGH2Ob138/17h27.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. Musger und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** W*****, vertreten durch Dr. Anton Waltl und andere Rechtsanwälte in Zell am See, gegen die beklagte Partei L***** H***** W*****, vertreten durch Dr. Franz Linsinger, Rechtsanwalt in St. Johann im Pongau, wegen Unterhalt, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 882,44 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2017, GZ 21 R 350/16s‑38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Saalfelden vom 7. August 2016, GZ 1 C 18/15g‑29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00138.17H.0727.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Das im Ausspruch über den laufenden Unterhalt rechtskräftig gewordene Urteil des Berufungsgerichts wird in Bezug auf den für die Zeit von September 2012 bis Dezember 2013 begehrten rückständigen Unterhalt dahin abgeändert, dass es insofern lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 3.176,44 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. Mai 2013 zu zahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung von 5.073,66 EUR samt Zinsen wird abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen einen mit 258,84 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Berufungsverfahrens (darin 157,18 EUR anteilige Barauslagen, 14,52 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 542,04 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 204 EUR Barauslagen, 56,34 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt, neben im Revisionsverfahren nicht mehr strittigem laufenden Unterhalt, rückständigen Ehegattenunterhalt für die Zeit von September 2012 bis Dezember 2013 im Betrag von 8.250 EUR samt 4 % Zinsen ab 1. Mai 2013. Der Beklagte bestreitet die Höhe dieses Begehrens.

Das Erstgericht sprach der Klägerin 1.400 EUR samt Zinsen zu und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte unter anderem fest, dass die Klägerin von Oktober 2012 bis Dezember 2012 aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung bei einem Zahnarzt insgesamt 735,57 EUR verdient habe.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung in Bezug auf den rückständigen Unterhalt dahin ab, dass es der Klägerin 2.294 EUR samt Zinsen zusprach und das Mehrbegehren abwies. Die Revision ließ es zunächst nicht zu.

Es nahm an, dass der Beklagte im strittigen Zeitraum 38.975,69 EUR und die Klägerin 15.668,74 EUR verdient habe. Da der Klägerin 40 % des gemeinsamen Einkommens abzüglich ihres Eigeneinkommens zustünden, ergebe sich daraus ein Unterhaltsanspruch von 6.189 EUR. Darauf seien Naturalleistungen von 3.895 EUR anzurechnen, woraus sich ein Geldunterhaltsanspruch in der zugesprochenen Höhe ergebe. Bei der Ermittlung des Eigeneinkommens der Klägerin nahm das Berufungsgericht an, dass sie von Oktober bis Dezember 2012 monatlich (statt wie vom Erstgericht festgestellt insgesamt) 735,57 EUR verdient habe.

Nach Zustellung des Berufungsurteils stellte die Klägerin einen Berichtigungsantrag und erhob hilfsweise eine mit einem Zulassungsantrag verbundene ordentliche Revision. Die Entscheidung beruhe auf einem offenkundigen Fehler bei der Übernahme der erstinstanzlichen Feststellungen. Hätte das Berufungsgericht das Einkommen der Klägerin von Oktober bis Dezember 2012 richtigerweise mit insgesamt 735,57 EUR angesetzt, hätte der Zuspruch mit 3.176,44 EUR um 882,44 EUR höher ausfallen müssen.

Das Berufungsgericht wies den Berichtigungsantrag zurück, ließ aber die ordentliche Revision nachträglich zu, weil auch offenkundige Verfahrensfehler der zweiten Instanz eine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO begründeten.

Der Beklagte beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben. Selbst wenn eine fehlerhafte Berechnung erfolgt sein sollte, sei der nicht zugesprochene Betrag von 882 EUR als Bagatelle zu werten, der keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs rechtfertige.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig (1 Ob 25/86; RIS-Justiz RS0042155) und berechtigt.

Das Erstgericht hat auf Grundlage eines Lohnzettels festgestellt, dass die Klägerin von Oktober bis Dezember 2012 insgesamt 735,57 EUR verdient habe. Die davon abweichende Entscheidungsgrundlage des Berufungsgerichts beruhte nicht auf einer Beweiswiederholung, sondern auf einem offenkundigen Irrtum bei der Übernahme der erstinstanzlichen Feststellungen. Darin liegt eine nach § 503 Z 3 ZPO revisible Aktenwidrigkeit ( Zechner in Fasching/Konecny 2 § 503 Rz 167 mwN; RIS‑Justiz RS0043324 [T7]). Sie ist dadurch zu beheben, dass an die Stelle der aktenwidrigen Feststellung jene tritt, die durch den Akteninhalt gedeckt ist und vom Berufungsgericht nach seiner Absicht übernommen wurde; diese Feststellung ist der rechtlichen Beurteilung zu unterziehen (RIS‑Justiz RS0043324 [T9, T12]).

Das Eigeneinkommen der Klägerin betrug daher im strittigen Zeitraum nicht 15.668,74 EUR, sondern nur 14.197,60 EUR. Das führt nach der ansonsten nicht in Zweifel gezogenen Vorgangsweise des Berufungsgerichts zu folgendem Unterhaltsanspruch:

 

Gemeinsames Einkommen 53.173,29 EUR

Davon 40 % 21.269,31 EUR

Abzüglich Eigeneinkommen - 14.197,60 EUR

Unterhaltsanspruch 7.071,71 EUR

Abzüglich Naturalleistungen ‑ 3.895,00 EUR

Geldunterhaltsanspruch 3.176,71 EUR

Das angefochtene Urteil ist in diesem Sinn abzuändern: Der Klägerin ist an rückständigem Unterhalt für die Zeit von September 2012 bis Dezember 2013 der von ihr im Revisionsverfahren begehrte Betrag von 3.176,44 EUR samt unstrittigen Verzugszinsen zuzusprechen, das Mehrbegehren ist abzuweisen. Die Kostenentscheidung für das Verfahren erster Instanz wird dadurch nicht berührt, weil sie auf der Obsiegensquote beim laufenden Unterhalt beruhte.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 43 und 50 ZPO. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin zu 58 % obsiegt, sie hat daher Anspruch auf 58 % der allein von ihr getragenen Pauschalgebühr und auf 16 % ihrer sonstigen Kosten. Im Revisionsverfahren hat der dort zur Gänze unterlegene Beklagte vollen Kostenersatz zu leisten.

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