OGH 2Ob121/13b

OGH2Ob121/13b19.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, und 2. Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist- Straße 1, 1020 Wien, beide vertreten durch Dr. Christian Slana, Dr. Thomas Loidl, Rechtsanwälte in Linz, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Parteien G***** Versicherungs AG, *****, vertreten durch Dr. Peter Lindinger, Dr. Andreas Pramer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Ö***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Lansky Ganzger + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht zu AZ 34 R 202/12a (Streitwert 4.640,40 EUR sA), über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21. Mai 2013, GZ 34 R 33/13z-3, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Bei einem Verkehrsunfall auf einem beschrankten Eisenbahnübergang wurden im Jahr 1968 der Lenker sowie der Beifahrer, beide Arbeitnehmer des Fahrzeughalters, durch einen Schnellzug der Rechtsvorgängerin der Beklagten getötet. Die Klägerinnen zahlten den beiden Witwen der Getöteten Hinterbliebenenleistungen und regressierten sich regelmäßig bei der Beklagten, wobei in Bezug auf die Witwe des Lenkers stets ein Mitverschulden von einem Drittel berücksichtigt wurde, gegenüber der Witwe des Beifahrers dagegen nicht.

In dem von der Wiederaufnahmsklage betroffenen Verfahren machten die Klägerinnen neuerlich einen Regressanspruch gegenüber der Beklagten als Schädigerin geltend, nämlich zwei Drittel des Unterhaltsschadens der Witwe des Lenkers für das Jahr 2010 und Jänner bis Mai 2011. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht änderte das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts im Sinne einer Klagsabweisung mit der Begründung ab, dass die von der Beklagten vor Klagseinbringung einseitig erklärte Aufrechnung mit Rückgriffsansprüchen schuldtilgend gewirkt habe. Diese Rückgriffsansprüche resultierten daraus, dass die Beklagte die auf die Klägerinnen übergegangenen Ansprüche der Witwe des Beifahrers jeweils zur Gänze erfüllt habe, ihr aber wegen des Mitverschuldens des Lenkers ein Ausgleichsanspruch gemäß § 1302 ABGB gegen dessen Gesamtrechtsnachfolgerin, seine Witwe, deren Ansprüche die Klägerinnen geltend machten, zustehe. Dieses Berufungsurteil wurde den Parteien am 8. 2. 2013 zugestellt und mangels weiterer Rechtswegzulässigkeit rechtskräftig.

Am 22. 2. 2013 brachten die Klägerinnen die Wiederaufnahmsklage mit der Begründung ein, die Entscheidung greife in die Rechtskraft- und Bindungswirkung des bereits davor in Rechtskraft erwachsenen Urteils im Verfahren des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, 10 Cg 167/11v-13, ein, wovon die Klägerinnen am 2. 2. 2013 Kenntnis erlangt hätten. In diesem Verfahren habe die hier beklagte Eisenbahnhalterin gegenüber dem Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Fahrzeugs Regressansprüche deshalb geltend gemacht, weil sie Ansprüche der Witwe des Beifahrers bei dem Unfall befriedigt habe, ohne das Mitverschulden des mitversicherten Lenkers berücksichtigt zu haben. In diesem Verfahren wurde das abweisende Ersturteil vom Berufungsgericht, dem Oberlandesgericht Wien zu 12 R 142/12h bestätigt, weil auf Grundlage der zum Zeitpunkt des Unfalls geltenden Rechtslage das Haftungsprivileg nach § 333 ASVG zustehe und im Fall, dass ein Schädiger nach § 333 ASVG haftungsfrei sei, der andere dagegen nicht, dieser Schädiger voll für die Ersatzansprüche hafte. Diese Haftungsbegünstigung könne auch nicht mit Hilfe anderer gesetzlicher Bestimmungen, zum Beispiel § 1302 ABGB, umgangen werden.

Die Wiederaufnahmsklägerinnen berufen sich auf den im Zeitpunkt des Unfalls in Geltung stehenden § 63 Abs 3 KFG 1967 (nunmehr § 28 KHVG), wonach, soweit durch rechtskräftiges Urteil ein Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten aberkannt wird, dieses Urteil, wenn es zwischen dem geschädigten Dritten und dem Versicherer ergeht, auch zu Gunsten des Versicherten, wenn es zwischen dem geschädigten Dritten und dem Versicherten ergeht, auch zu Gunsten des Versicherers wirkt.

Hafte der Versicherer nicht, könne auch der Lenker nicht haften, sodass die Beklagte keine Ausgleichsansprüche gegen diesen bzw seine Witwe als Gesamtrechtsnachfolgerin habe, und diese daher auch nicht aufrechnungsweise habe geltend machen können. Das nunmehr angefochtene Berufungsurteil verstoße daher gegen die Bindungswirkung.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien wies die Wiederaufnahmsklage zurück. Die Ausgleichsansprüche der Beklagten seien von dieser nicht mit einer Aufrechnungseinwendung gemäß § 391 Abs 3 ZPO geltend gemacht worden, sondern es sei vielmehr ein Schuldtilgungseinwand aufgrund außergerichtlicher Aufrechnung erhoben worden. Da mit der angefochtenen Entscheidung nicht über einen Anspruch der Beklagten entschieden worden sei, könne auch kein Verstoß gegen eine allfällige Rechtskrafterstreckung, die im Übrigen nur unter analoger Anwendung des § 63 Abs 3 KFG konstruierbar wäre, weil die Beklagte nicht „geschädigte Dritte“ iSd § 63 Abs 3 KFG 1967 sei, vorliegen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerinnen aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, die Wiederaufnahme zu bewilligen.

Einerseits sei im Verfahren auch eine prozessuale Aufrechnungserklärung erhoben worden, andererseits sei es belanglos, ob die Aufrechnung außergerichtlich oder durch prozessuale Erklärung erfolgt sei, weil es im Verfahren im Hinblick auf die der Höhe nach außer Streit stehende Klagsforderung nur um die Frage gegangen sei, inwieweit die von der Beklagten geltend gemachte Gegenforderung berechtigt gewesen sei oder nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Gegen den Beschluss auf Zurückweisung einer beim Gericht zweiter Instanz eingebrachten Wiederaufnahmsklage ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO und dem Streitwert zulässig (RIS-Justiz RS0043868; RS0044597; RS0102655).

2. Gemäß § 530 Abs 1 Z 6 ZPO, auf den sich die Wiederaufnahmsklägerinnen stützen, kann ein Verfahren auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, wenn die Partei eine über denselben Anspruch oder über dasselbe Rechtsverhältnis früher ergangene, bereits rechtskräftig gewordene Entscheidung auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, welche zwischen den Parteien des wiederaufzunehmenden Verfahrens Recht schafft.

3. Im vorliegenden Fall ist es aber so, dass das von den Klägerinnen zum Anlass der Wiederaufnahmsklage genommene Urteil zwischen der hier beklagten Eisenbahnunternehmung und dem hier nicht beteiligten Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Kfz erging und daher nicht „zwischen den Parteien des wiederaufzunehmenden Verfahrens“ iSd § 530 Abs 1 Z 6 ZPO „Recht schafft“.

4. Die Wiederaufnahmsklägerinnen stützten sich im vorinstanzlichen Verfahren auf § 63 Abs 3 KFG 1967 (nunmehr § 28 KHVG) und die dort gesetzlich normierte Rechtskrafterstreckung von anspruchsaberkennenden Entscheidungen.

Diese Bestimmung bezieht sich aber ausdrücklich nur auf das Verhältnis des Geschädigten zum Versicherer bzw Versicherten. Im Urteil, das den Wiederaufnahmsgrund bilden soll, wurde aber über einen Regressanspruch zwischen zwei Haftpflichtigen entschieden.

5. Die in der angefochtenen Entscheidung angedeutete Analogiefrage wird im Rechtsmittel nicht aufgegriffen.

6. Es war daher dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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