OGH 2Ob120/23w

OGH2Ob120/23w27.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj 1. R*, geboren * 2018, und 2. H*, geboren * 2019, beide *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters J*, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 1. Februar 2023, GZ 21 R 297/22h-40, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00120.23W.0627.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzenwiesen die Obsorge für die Minderjährigen den Eltern gemeinsam zu, legten den hauptsächlichen Aufenthalt bei der Mutter fest und räumten dem Vater ein wöchentliches Kontaktrecht von Freitag bis Sonntag jeweils 17:00 Uhr ein.

Rechtliche Beurteilung

[2] Der (nur) gegen die Zuweisung des hauptsächlichen Aufenthalts bei der Mutter gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf.

[3] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[4] 2. Maßstab für die Entscheidung über die Obsorge und die Frage, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird, ist das Kindeswohl. Bei der Beurteilung des Wohles des Kindes darf nicht nur von der momentanen Situation ausgegangen werden, sondern es sind auch Zukunftsprognosen zu stellen (RS0048632). Auch der Grundsatz der Erziehungskontinuität ist mitzuberücksichtigen, aber dem Kindeswohl unterzuordnen (RS0047928). Es kommt darauf an, welcher Elternteil in einer Gesamtschau unter Gegenüberstellung der Persönlichkeit, der Eigenschaften und der Lebensumstände besser zur Wahrnehmung des Kindeswohles geeignet ist. Neben dem materiellen Interesse an möglichst guter Verpflegung und guter Unterbringung des Kindes sind auch das Interesse an möglichst guter Erziehung, möglichst sorgfältiger Beaufsichtigung und an möglichst günstigen Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen seelischen und geistigen Entwicklung zu berücksichtigen (RS0047832).

[5] 3. Die Frage, in welchem Haushalt bei gemeinsamer Obsorge die hauptsächliche Betreuung stattfindet, ist typischerweise nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und wirft daher keine Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf, sofern auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde (RS0115719 [T14]; RS0007101).

[6] 4. Wenn die Vorinstanzen unter Hinweis auf die gute Integration der Minderjährigen in ihrem Umfeld und den Umstand, dass die Mutter seit ihrer Geburt auch ihre Hauptbezugsperson ist (bei offenbar grundsätzlicher Erziehungsfähigkeit beider Elternteile) den hauptsächlichen Aufenthalt bei der Mutter festgelegt haben, hält sich dies im Rahmen der dargestellten Grundsätze. Dass sich die (derzeit) angespannten finanziellen Verhältnisse der Mutter negativ auf die Minderjährigen auswirken und zu einer besseren, dem Kindeswohl zuträglicheren Betreuungseignung des Vaters führen, ist aus den Feststellungen nicht abzuleiten. Gleiches gilt im Zusammenhang mit den beim Vater bestehenden, wenn auch großzügigeren Wohnmöglichkeiten, sind doch die materiellen Interessen nur ein Beurteilungsaspekt. Aufgrund welcher konkreten, nicht festgestellten und daher bei der gebotenen Gesamtbeurteilung unberücksichtigt gebliebenen Lebensumstände der Eltern vor der Trennung und derzeitigen Betreuungsmöglichkeiten des Vaters ein hauptsächlicher Aufenthalt der Minderjährigen in seinem Haushalt dem Kindeswohl besser entsprechen sollte, legt der Revisionsrekurs nicht dar.

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