OGH 2Ob117/09h

OGH2Ob117/09h28.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Alfred W*****, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** AG *****, vertreten durch Abel & Abel, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 54.966 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. April 2009, GZ 12 R 220/08y-45, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21. Oktober 2008, GZ 20 Cg 268/06p-39, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

  1. „1. Das Klagebegehren besteht mit 29.590,50 EUR zu Recht.
  2. 2. Die Gegenforderung besteht nicht zu Recht.
  3. 3. Die beklagte Partei ist daher schuldig, der klagenden Partei 29.590,50 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 12. 2005 zu bezahlen.

    4. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig der klagenden Partei 25.375,50 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 12. 2005 zu bezahlen wird abgewiesen.

    5. Zwischen den Parteien wird festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für alle künftigen Folgen und Schäden aus dem Unfall vom 13. 7. 2004 in der Bergstation der Grazer Schlossbergbahn zu 75 % haftet.

    6. Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung für weitere 25 % wird abgewiesen.

    7. Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit 10.076,03 EUR (darin enthalten 1.487,04 EUR USt und 1.153,75 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Am 13. 7. 2004 ereignete sich in Graz in der Bergstation der Schlossbergbahn ein Unfall, bei dem der Kläger von der bergseitigen Garnitur eingeklemmt und - insbesondere im Beckenbereich - schwer verletzt wurde.

Die Schlossbergbahn ist eine Standseilbahn mit zwei Waggons, die im regulären Betrieb automatisch gesteuert in vordefinierten Haltepositionen stehen bleiben. Oberhalb dieser befindet sich im Normalfall ein massiver Metallpuffer, an dem der Waggon, sollte er aus irgendeinem Grund über die vordefinierte Halteposition hinaus bewegt werden, automatisch angehalten wird. Im Unfallszeitpunkt, während einer Betriebsstilllegung zwecks Überprüfung der Seilbahnanlage, war dieser Puffer allerdings entfernt. Zu Testzwecken waren die Waggons im Unfallszeitpunkt ungleich beladen. Im Unfallszeitpunkt war die beklagte Partei mit Wartungsarbeiten an der Standseilbahn beauftragt und der Kläger als Beamter des BMVIT mit den für mehrtägige Überprüfungsarbeiten in mechanischer Hinsicht verantwortlichen Beamten dieses Ministeriums in Ausbildungsfunktion ohne eigene Entscheidungsbefugnis anwesend.

Dieser für die mechanische Seite der Überprüfung zuständige Beamte des BMVIT teilte dem Mitarbeiter der beklagten Partei mit, dass er die Garnitur nicht mehr benötige und zog sich zu Schreibarbeiten zurück. Die Tagesarbeit des elektrotechnischen Experten des BMVIT war dagegen noch im Gang. Inzwischen stieg der Kläger bergseits des in der Bergstation stehenden Waggons in eine Grube hinunter, um sich dort umzusehen. Zur selben Zeit befand sich ein Mitarbeiter der beklagten Partei beim Führerstand der Bergstation, von wo er auf den Waggon hinabblickend links vor sich den Abstieg zur Grube, die der Kläger benutzte, sehen konnte. Vor dem Abgang in diese Grube befindet sich ein Maschinenraum, in dem ebenso wie in der Nähe des Abstiegs selbst die Sicherheitsbremse der Seilbahn aktiviert werden kann. Grundsätzlich kann man am Führerstand an Hand einer Kontrollleuchte überprüfen, ob das Sicherheitsbremssystem aktiviert ist oder nicht. Der Mitarbeiter der beklagten Partei beachtete diese nicht, sondern ging davon aus, dass die Sicherheitsbremse geschlossen war und öffnete die Betriebsbremse. Dadurch, sowie durch die unterschiedliche Beladung der Waggons, setzte sich der bergseitige Waggon ruckartig nach oben in Bewegung ohne von dem sonst vorhandenen Puffer angehalten zu werden und klemmte in der Folge den Kläger ein. Der Mitarbeiter der beklagten Partei hätte die von ihm beabsichtigten Einstellarbeiten bei gelöster Betriebsbremse aber aktivierter Sicherheitsbremse ebenfalls durchführen können.

Durch den Unfall erlitt der Kläger schwere Verletzungen, mit insgesamt 17 Tagen starken, 56 Tagen mittelstarken und 178 Tagen leichten Schmerzen, komprimiert auf einen 24-Stunden-Tag bezogen. Unfallbedingte Dauerfolgen sind nicht ausgeschlossen. Im Beckenbereich vorhandene Narben können durch eine plastisch-chirurgische Operation, die indiziert ist, verbessert werden, deren Kosten zumindest 5.000 EUR betragen. Durch den schweren Unfall wurde eine ostheopatische, psychologische und psychotherapeutische Behandlung erforderlich, für die der Kläger Selbstbehalte (von 200 EUR, 224 EUR bzw 532 EUR) zu tragen hatte. Der Kläger begehrt insgesamt 54.966 EUR, zusammengesetzt aus 50.000 EUR Schmerzengeld sowie den genannten Selbstbehalten und 5.000 EUR an Verunstaltungsentschädigung, abzüglich einer Teilzahlung von 1.000 EUR. Der an Verunstaltungsentschädigung begehrte Betrag wurde in der letzten mündlichen Streitverhandlung eventualiter auf Heilungskosten für die Narbenkorrektur gestützt. Weiters beantragt er die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle zukünftigen Folgen und Schäden aus dem Unfall.

Zum Unfall sei es dadurch gekommen, dass der Mitarbeiter der beklagten Partei die Bremsen der Seilbahn gelöst habe, wodurch aufgrund der Beladungssituation der bergseitige Waggon nach oben in Richtung des Klägers gezogen worden sei und diesen eingeklemmt habe. Die beklagte Partei wandte das Alleinverschulden des Klägers bzw dessen überwiegendes Mitverschulden ein. Er habe sich in den Gefahrenbereich begeben, ohne den Mitarbeiter der beklagten Partei oder sonst jemanden zu informieren und ohne die vorhandene Sicherungseinrichtung zur Blockierung der Bremsen zu betätigen. Weiters wandte die beklagte Partei eine Forderung an Sachschaden am Frontblech der Standseilbahn in Höhe von 3.434,09 EUR gegen das Klagebegehren ein. Der Kläger sei Sachverständiger des BMVIT gewesen und habe die daraus resultierende Sorgfalt nicht eingehalten. Allenfalls treffe das BMVIT ein Organisationsverschulden, weil es den Kläger über das Verhalten im Gefahrenbereich nicht entsprechend eingeschult habe.

Das Erstgericht sprach aus, dass das Klagebegehren mit 39.454 EUR sA zu Recht besteht, die eingewendete Gegenforderung dagegen nicht und verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung dieses Betrags unter Abweisung des Mehrbegehrens. Weiters gab es dem Feststellungsbegehren Folge.

Der Bedienstete der beklagten Partei hätte die Betriebsbremse nicht lösen dürfen, ohne vorher die Sicherheitsbremse zu aktivieren. Auch ohne Gefährdung von Personen wäre es ansonsten zu Sachbeschädigungen gekommen. Er hätte wissen müssen, dass der untere Waggon beladen sei und durch die Deaktivierung des Bremssystems eine Bewegung ausgelöst werde. Auch hätte er über seine Absicht Arbeiten durchzuführen die Bediensteten des BMVIT unterrichten müssen. Der Kläger dagegen habe sich darauf verlassen können, dass nur geschehe, was von den Mitgliedern der Kommission des BMVIT angeordnet werde und habe, da die beiden diesbezüglich nichts mitgeteilt hätten, davon ausgehen können, dass der Waggon in seiner Position nicht verschoben werde. Außerdem habe er sich darauf verlassen können, dass bei Lösen der Betriebsbremse im Gegenzug die Sicherheitsbremse aktiviert werde. Dass er dies habe tun müssen, habe der Bedienstete der beklagten Partei auch gar nicht bestritten. Es sei nicht Sache des Klägers gewesen die Sicherheitsbremse zu aktivieren, sondern vielmehr alleinige Verantwortung dessen, der in das Bremssystem eingreife, also des Bediensteten der beklagten Partei. Der Kläger sei nur wegen des Hinuntersteigens in die Grube nicht verpflichtet gewesen, die Sicherheitsbremse zu aktivieren, auch wenn ihm dies möglich gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Dass die beklagte Partei nicht, wie vom Erstgericht festgestellt, Betreiberin der Schlossbergbahn sondern von der Betreiberin mit Wartungsaufgaben beauftragt gewesen sei, sei nicht strittig und daher auch nicht feststellungsbedürftig. Rechtlich ändere dies insofern nichts, als die Beklagte für ein Verschulden eines ihrer Mitarbeiter ohnehin einstehen müsse. Richtig sei zwar, dass das Erstgericht versehentlich über 12 EUR gar nicht abgesprochen habe, dies sei aber unbekämpft geblieben. Auch sei die Höhe des Schmerzengeldes nicht ausdrücklich angeführt, ergebe sich aber aus den festgestellten Schmerzperioden multipliziert mit den üblichen Sätzen. Im Übrigen sei das Schmerzengeld global zu bemessen und nach Ansicht des Berufungsgerichts mit 35.000 EUR festzusetzen. Darüber hinaus enthalte das Ersturteil keine Feststellungen oder Rechtsausführungen zur Verunstaltungsentschädigung. Dies schade aber nicht, weil das Begehren eventualiter auf die zur Narbenkorrektur notwendige plastisch-chirurgische Operation gegründet werde, zu der sich - wenn auch in der Beweiswürdigung - eine entsprechende Feststellung finde. Dass eine solche Operation indiziert sei, habe das Erstgericht unbekämpft festgestellt. Im Regelfall sei nicht zu bezweifeln dass der Geschädigte die Heilbehandlung ernstlich beabsichtige, deshalb ändere am Zuspruch auch die Tatsache nichts, dass die Heilkosten nur vorschusshalber zuzusprechen seien. Die beklagte Partei sei durch diese Vorgangsweise nicht beschwert. Letztlich lasse sich dem Ersturteil auch ausreichend klar entnehmen, dass es die Selbstbehalte in eingeklagter Höhe habe zusprechen wollen, sodass dieser Zuspruch der Höhe nach zu bestätigen sei. Auch die Verschuldensfrage sei richtig gelöst. Ob der Kläger als Sachverständiger im Sinne des § 1299 ABGB zu qualifizieren sei, könne dahingestellt bleiben, weil auch sein ausbildender Beamter bei seiner Einvernahme den Unfallbereich nicht als sicherheitsgefährlich eingestuft habe und auch als nicht vorhersehbar qualifiziert habe, dass sich der Wagen in der Bergstation über den Regelanhaltepunkt hinaus bewegen werde. Die Qualität der Sichtverhältnisse würde nichts daran ändern, dass der Mitarbeiter der beklagten Partei die Sicherheitsbremse nicht eingelegt habe, ehe er die Betriebsbremse löste. Diese Vorgangsweise sei ein als Verschulden zurechenbarer Fehler gewesen. Die vom Kläger eingenommene Position könne nur unter drei Voraussetzungen als gefährlich bezeichnet werden, nämlich 1. der höheren Beladung des talwärts befindlichen Waggons, 2. dem Fehlen des bergseitigen Puffers und 3. der Lösung der Betriebsbremse ohne Einlegung der Sicherheitsbremse. Es könne dem Kläger daher nicht als Mitverschulden angerechnet werden, dass er vor dem Hinabsteigen in die Grube nicht die Sicherheitsbremse aktiviert habe. Auch dass der zuständige Beamte des BMVIT dem Mitarbeiter der beklagten Partei mitgeteilt habe, die Garnitur nicht mehr zu benötigen, ändere an dieser Beurteilung nichts, weil die Tagesarbeit dennoch allseits im Gang gewesen sei. Mangels einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 ZPO sei die Revision nicht zuzulassen.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag das Klagebegehren abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt. Wenn auch die Frage des Ausmaßes des Mitverschuldens im Regelfall wegen seiner Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darstellt (RIS-Justiz RS0087606), liegt hier nach Ansicht des erkennenden Senats in der Beurteilung, ob überhaupt ein Mitverschulden des Klägers anzunehmen ist, eine aufgreifenswürdige Fehlentscheidung vor.

Die Revision meint dazu zusammengefasst, dass der Klägers als Sachverständiger des BMVIT am Maßstab des § 1299 ABGB zu messen und diesem Maßstab in seinem Verhalten nicht gerecht geworden sei. Er habe sich, ohne von seinem Vorhaben zu informieren in den Gefahrenbereich begeben und trotz Vorhandenseins zweier Sicherheitsschalter im Umkreis der Wagengrube diese nicht betätigt. Dagegen habe der Mitarbeiter der beklagten Partei am Ende des Arbeitstages niemanden mehr in der Wagengrube vermuten müssen. Der elektrotechnische Experte des BMVIT habe keine „Vornahmen in der Wagengrube zu tätigen" gehabt. Sowohl die unterschiedliche Beladung der Seilbahnwaggons als auch das Fehlen des bergseitigen Puffers sei dem Kläger bekannt gewesen, er hätte daher ohne Betätigen des Sicherheitsschalters und ohne Verständigung der übrigen Wartungsarbeiter nicht in die Grube steigen dürfen.

Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu:

Der Kläger war unbestritten zu Ausbildungs- bzw Einschulungszwecken bei der Seilbahn anwesend. In welchem Stadium der Ausbildung mit welchem Ausbildungsziel er sich befand, kann aufgrund der Feststellungen des Erstgerichts nicht beurteilt werden. Dies ist aber letztlich aus folgenden Erwägungen rechtlich nicht erheblich:

War der Kläger tatsächlich noch in einem Grundausbildungsstadium ohne jegliche eigene Befugnis an der Unfallstelle anwesend, hätte er sich ohne entsprechende Genehmigung bzw zumindest Mitteilung seines unmittelbaren Vorhabens in einem Zeitpunkt, indem sein Ausbildner die Seilbahn bereits für sein Fachgebiet „freigegeben" hatte, aus eigenem dorthin nicht mehr begeben dürfen.

War er dagegen in seiner Ausbildung bereits so fortgeschritten, dass er sich im Seilbahnbereich frei bewegen durfte und mit Funktion und Beschaffenheit der Seilbahn ausreichend vertraut war, hätte er nicht ohne Betätigung des Sicherheitsschalters bzw Vergewisserung, dass das Sicherheitsbremsstystem aktiviert war, in die Wagengrube steigen dürfen.

Den Feststellungen des Erstgerichts ist, wie bereits das Berufungsgericht zusammengefasst hat, zu entnehmen, dass es zum Unfall - abgesehen vom Lösen der Bremsen - nur deshalb kommen konnte, weil im Zeitpunkt des Unfalls der talseitige Waggon schwerer beladen war und daher bei Deaktivierung der Bremsung den bergseitigen Waggon in Bewegung setzen konnte und weil darüber hinaus der bergseits eine weitere Bewegung verhindernde Puffer demontiert war. Nach den Feststellungen war letzteres „leicht zu sehen, aber dem Kläger nicht bewusst" (S 3 des Ersturteils). Ob auch die Beladungsverhältnisse dem Kläger bekannt waren, hat das Erstgericht nicht festgestellt, sondern lediglich, dass dies den Mitarbeitern der beklagten Partei bekannt gewesen sein muss (S 5 des Ersturteils).

Auch für diese beiden zum Unfall führenden Aspekte gilt aber im Hinblick auf den Kläger:

Entweder war er im Rahmen seiner Ausbildung noch nicht soweit fortgeschritten, um die Erheblichkeit dieser beiden Umstände zu kennen, dann durfte er sich nicht ohne weiteres, insbesondere ohne dies anzukündigen, in den Bereich der Seilbahn begeben. War er dagegen in seiner Ausbildung bereits ausreichend fortgeschritten, hätte er sich diesbezüglich vergewissern bzw den Sicherheitsschalter aktivieren müssen.

Ginge man demgegenüber, wie offenbar das Berufungsgericht, davon aus, dass selbst für den eigentlichen Sachverständigen des BMVIT, den Ausbildner des Klägers, der Abstieg in die Grube nicht als sicherheitsgefährlich erkennbar war und auch nicht vorhersehbar war, dass der Waggon bergwärts fahren könnte, wäre nicht nachvollziehbar, weshalb all dies einem bloßen Mitarbeiter der Wartungsarbeiten betrauten beklagten Partei bekannt sein hätte müssen und diesem daher ein verschuldensbegründender Sorgfaltsverstoß anzulasten wäre. Dem Kläger ist daher nach Ansicht des erkennenden Senats ein Mitverschulden von einem Viertel anzulasten.

Das Vorbringen, bei Zuspruch von 5.000 EUR an Heilungskosten sei der Boden der klagsweise geltend gemachten Ansprüche (Verunstaltungsentschädigung) ebenso verlassen worden wie die auf Basis der Rechtsprechung anerkannten Schmerzengeldsätze für leichte, mittlere und starke Schmerzen, ist nicht nachvollziehbar. Einerseits wird die Verunstaltungsentschädigung nicht nach „Schmerzengeldsätzen" bemessen und andererseits hat der Kläger dieses Teilbegehren auch auf die Kosten künftiger Heilbehandlung zur Verminderung der vorhandenen Narbenbildung gestützt, aus welchem Titel der Betrag letztlich zugesprochen wurde; dies zwar ohne Vorwegprüfung der Hauptanspruchsgrundlage, wodurch die beklagte Partei aber nicht ersichtlich beschwert ist. Die Kosten künftiger Heilbehandlung sind nach der Entscheidung des verstärkten Senats (2 Ob 82/97s = SZ 70/220) dem Geschädigten zwar nur vorschussweise zuzusprechen. Dies bedeutet aber keineswegs, wie die Revision offensichtlich missversteht, dass dieser Zuspruch dem Feststellungsbegehren für künftige Ansprüche zuzuordnen wäre und daher von den Vorinstanzen in ein Leistungsbegehren „umgedeutet" worden wäre. Vielmehr ist dieser Betrag - wie der Entscheidung des verstärkten Senats zu entnehmen ist - dem Geschädigten, der nicht verpflichtet ist, eigenes Kapital zur Schadensbehebung einzusetzen, als - zweckgebundener und verrechnenbarer, bei Zweckverfehlung auch rückforderbarer - Vorschuss zuzusprechen. Dafür, dass der Kläger keine ernstliche Absicht hätte, die Heilbehandlung, für die Kosten begehrt werden, tatsächlich durchführen zu lassen, gibt es keine Indizien.

Dass das Erstgericht die Selbstbehalte in der geltend gemachten Höhe als berechtigt ansah, ergibt sich aus den, wenn auch dislozierten und mit der Beweiswürdigung vermischten Feststellungen Seite 8 bis 9 des Ersturteils, denen die Revision inhaltlich nichts Substantielles entgegensetzt.

Die aktenwidrige Feststellung des Erstgerichts, die Beklagte sei Betreiberin der Standseilbahn, wurde bereits vom Berufungsgericht korrigiert. Einer ergänzenden Feststellung zur Rolle der beklagten Partei bedurfte es nicht, weil es sich dabei um keine strittige Tatsache handelt.

Auf die ursprünglich eingewandte Gegenforderung kommt das Rechtsmittel ohnehin nicht mehr zurück, sodass unter Berücksichtigung des oben dargestellten Mitverschuldens die Urteile der Vorinstanzen spruchgemäß abzuändern waren.

Dies bedingt auch eine Neuberechnung des Kostenersatzes, die sich für das erstinstanzliche Verfahren auf § 43 Abs 1 und 2 ZPO, und für das Rechtsmittelverfahren auf § 43 Abs 1 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO gründet.

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