Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die am 11. 4. 1981 geschlossene Ehe der Streitteile wurde aus deren gleichteiligen Verschulden geschieden. Das Scheidungsurteil ist seit 9. 9. 2005 rechtskräftig. Die Klägerin und gefährdete Partei (in der Folge nur: Klägerin) hatte den Beruf einer Einzelhandelskauffrau erlernt und war mehrere Jahre lang „auf Saison" im Gastgewerbe tätig. Während der Ehe ging sie im Einvernehmen mit dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge nur: Beklagter) keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Die Klägerin führte den Haushalt und widmete sich der Erziehung der am 31. 1. 1983 und 30. 12. 1990 geborenen Söhne. Mit diesen bewohnt sie derzeit eine der beiden Wohnungen des in ihrem Eigentum stehenden Mehrfamilienhauses. Die zweite Wohnung steht leer; sie ist unvermietet.
Der noch mj Sohn absolvierte 2005/2006 das letzte Pflichtschuljahr, befand sich auf Lehrstellensuche und ist altersgemäß entwickelt. Der Beklagte, der ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.789,95 erzielt und für die beiden Söhne weiterhin monatliche Unterhaltsleistungen von EUR 400,-- erbringt, stellte im Oktober 2005 die Unterhaltszahlungen an die Klägerin ein. Diese ist seit 5. 12. 2005 als arbeitssuchend vorgemerkt. Sie hat sich seither auch bei zumindest zwei Firmen erfolglos um eine Arbeitsstelle bemüht. Auf Grund ihres Antrages auf Gewährung der Sozialhilfe wurde ihr bereits zugesichert, dass der Beitrag zur Selbstversicherung und der Krankenversicherung übernommen wird. Für den Monat Dezember 2005 erhielt sie überdies eine finanzielle Hilfe in Höhe von EUR 350,-- zur Deckung des Lebensbedarfes.
Die Klägerin begehrte im vorliegenden Rechtsstreit die Gewährung einstweiligen Unterhaltes in Höhe von monatlich EUR 450,--. Der Beklagte wandte ein, der Klägerin sei die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zumutbar.
Beide Vorinstanzen wiesen den Antrag auf Gewährung einstweiligen Unterhaltes ab. Sie gingen vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus und vertraten die Rechtsansicht, die Klägerin habe die Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit im Sinne des § 68a Abs 2 EheG nicht bescheinigt. Das Rekursgericht führte dazu aus, auf die Kriterien des Mangels an Erwerbsmöglichkeiten und der mangelnden Gesundheit sei infolge fehlenden Vorbringens der Klägerin nicht näher einzugehen. Das Alter der Klägerin (49 Jahre) und die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft (24 Jahre) allein begründeten aber noch nicht die Unzumutbarkeit.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass zu einer vergleichbaren Problemstellung noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Klägerin erhobene Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO. Aber auch im Revisionsrekurs werden keine erheblichen Rechtsfragen dargetan.
Wie die Vorinstanzen legt auch die Klägerin, die ihren Provisorialantrag nur noch auf § 68a Abs 2 EheG stützt, ihren Rechtsmittelausführungen die Entscheidung 7 Ob 2/04a = SZ 2004/56 = EvBl 2004/188 zugrunde. Darin hat der 7. Senat § 68a Abs 2 Satz 1 EheG unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (RV 1653 BlgNR 20. GP) und der einschlägigen Lehrmeinungen dahin ausgelegt, dass nach dieser Gesetzesstelle jener Ehegatte bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen unterhaltsberechtigt sein könne, dem auf Grund des Mangels an Erwerbsmöglichkeit oder der Dauer der ehelichen Gemeinschaft oder seines Alters oder seiner Gesundheit eine Selbsterhaltung nicht zugemutet werden kann. Gehe man vom Willen des Gesetzgebers aus, dass der Ehegatte, der sich nach der gemeinsam gewählten Lebensgestaltung der Haushaltsführung und Kindererziehung widmet, geschützt sein solle, begründete es einen nicht zu unterstellenden Wertungswiderspruch, wenn er bei der Unzumutbarkeitsprüfung ausschließlich auf den Mangel der Erwerbsmöglichkeit abstellen und nicht auch unabhängig davon die Kriterien der Dauer der ehelichen Gemeinschaft, des Alters und der Gesundheit (jedes für sich) gelten lassen wollte.
Die Klägerin lässt die Rechtsansicht der Vorinstanzen insoweit unbekämpft, als diese von der fehlenden Bescheinigung des Mangels der Erwerbsmöglichkeit und mangelnder Gesundheit ausgegangen sind. Ihre Argumentation erschöpft sich vielmehr in dem Hinweis, dass sie nun 49 Jahre alt und 24 Jahre lang keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Ob aber die Dauer der ehelichen Gemeinschaft und das bei deren Beendigung erreichte Alter des Unterhalt ansprechenden Ehegatten für sich allein zur Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit führt, ist geradezu typischerweise eine Frage des Einzelfalles (vgl RIS-Justiz RS0080396) und wirft als solche nur dann eine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn dem Rekursgericht eine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor:
In der Rechtsprechung zu § 66 EheG, die nach herrschender Auffassung auch zur Beurteilung der Zumutbarkeit nach § 68a Abs 2 EheG herangezogen werden kann (Stabentheiner in Rummel, ABGB3 § 68a EheG Rz 7; Zankl in Schwimann, ABGB3 I § 68a EheG Rz 27; Koch in KBB § 68a EheG Rz 1), vertrat der Oberste Gerichtshof in den Fällen einer 46-jährigen Textilkauffrau mit 18-jähriger beruflicher Absenz (8 Ob 639/91) und einer Einzelhandelskauffrau mit Betreuungspflichten für ihre 16 und 17 Jahre alten Söhne sowie einer „rund 20-jährigen" beruflichen Absenz (8 Ob 210/02v) die Rechtsansicht, allein die Tatsache, dass die (jeweilige) Klägerin während der Ehe keiner Berufstätigkeit nachgegangen sei, könne ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht zur dauerhaften Unzumutbarkeit einer Arbeitstätigkeit führen.
Vor dem Hintergrund dieser Judikatur hält sich die Auffassung des Rekursgerichtes, weder das Alter noch die Dauer der Lebensgemeinschaft reiche im Falle der Klägerin für sich allein zur Begründung der Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit aus, im Rahmen des ihm im konkreten Einzelfall zustehenden Ermessensspielraumes. Sie steht auch mit den Erwägungen des Gesetzgebers im Einklang, wonach der vom Verschulden an der Scheidung unabhängige Unterhaltsanspruch nach § 68a EheG „nur für bestimmte Härtefälle als Ausnahmeregelung" gedacht sein soll (ErlRV 1653 BlgNR 20. GP 25). Eine krasse Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Rechtssicherheit durch den Obersten Gerichtshof wahrgenommen werden müsste, ist dem Rekursgericht somit nicht unterlaufen.
Da es der Lösung von Rechtsfragen im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht bedurfte, war der Revisionsrekurs der Klägerin zurückzuweisen. Eine Kostenentscheidung entfällt, weil sich der Beklagte am drittinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt hat.
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